NS-Prozess:Protokoll des Grauens

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Im Schwurgericht wird es still, als der Richter im Prozess gegen den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Ladislav Niznansky das Todesurteil verliest, das 1962 in der Slowakei gegen ihn verhängt wurde. Für den Anwalt Steffen Ufer ist es wertlos.

Von Alexander Krug

Es ist nicht alltäglich, dass ein deutscher Richter ein Todesurteil verliest. Auch der wegen 164-fachen Mordes angeklagte mutmaßliche Kriegsverbrecher Ladislav Niznansky, 86, lauscht konzentriert jedem Wort der Entscheidung, die ihm den Kopf gekostet hätte, wenn er nicht aus der Slowakei geflohen wäre.

Niznansky beim Prozess in München. (Foto: Foto: dpa)

Am 22. November 1962 verurteilte ihn das Bezirksgericht Banska Bystrica in Abwesenheit zum Tode wegen "Militärverrats" und "Mordes in Mittäterschaft." Für seinen Verteidiger Steffen Ufer ist das damalige Urteil das Ergebnis eines "kommunistischen Schauprozesses" und damit ohne Wert.

Auf 96 Seiten legten die Richter "im Namen der Republik" damals dar, welcher Verbrechen sie Niznansky und 13 andere Angekalgte der so genannten Abwehrgruppe 218 Edelweiß für schuldig hielten. Danach war die im Oktober 1944 gegründete Spezialeinheit "Edelweiß" von Anfang an zur "Terrorisierung der slowakischen Bevölkerung" eingesetzt worden.

"Mit größter Grausamkeit"

Auf das Konto der rund 300 Mann starken Gruppe aus Slowaken, Deutschen, Kaukasiern und Ukrainern, gehen zahlreiche Überfälle auf Zivilisten und Partisanen, die "hinterlistig" und "mit größter Grausamkeit" durchgeführt wurden.

Die "Edelweiß"-Angehörigen hätten mit falschen Uniformen, Ausweisen und Orden operiert, um mutmaßliche Partisanenverbände zu infiltrieren. Jeder sei "freiwillig" in diese Einheit eingetreten, Zwang habe es nicht gegeben. "Das Ziel war die Vernichtung der nationalen Befreiungskräfte", hieß es im damals üblichen Sprachgebrauch.

Am 21. Januar 1945 umzingelte "Edelweiß" dem Urteil zufolge die Dörfer Ostry Grun und Klak. Die Aktion wurde "gründlich vorbereitet". Man habe die Bewohner der Gemeinden liquidieren wollen, weil sie eine bekannte Partisanengruppe aktiv unterstützen. Vor dem Einsatz sei eine besondere "Spirituosenzuteilung" an alle Mitglieder erfolgt.

Keine lebendige Seele dürfe entkommen

Niznansky als Hauptmann der 131 Mann starken slowakischen Abteilung instruierte seine Leute über den "Liquidationscharakter" und befahl, das keine lebendige Seele entkommen dürfe.

Die Ermordung der insgesamt 146 Männer, Frauen und Kinder erinnere in seiner Tragweite an das Schicksal von Lidice, so die Richter 1962. Sie räumten aber ein, dass es nicht gelungen sei, den Massenmord konkreten Personen zuzuordnen. Acht Angeklagte hätten jedoch ihre mittelbare Teilnahme an der Aktion eingestanden. Zwei andere wurden aus "Mangel an Beweisen" freigesprochen.

Insgesamt verhängte das Gericht 1962 Haftstrafen zwischen acht und 15 Jahren gegen die Angeklagten, die zum Großteil nach Jugendstrafrecht abgeurteilt wurden. Nur Niznansky wurde zum Tode verurteilt, weil er es sich nach dem Krieg in die "Dienste der reaktionärsten Elemente der westlichen Imperialisten" (gemeint ist seine Tätigkeit für Radio Free Europe) begeben hatte.

Von zentraler Bedeutung wird sein, welche Beweiskraft das Urteil von 1962 hat. Ermittler haben inzwischen einige der damals Verurteilten in der Slowakei ausfindig gemacht und befragt. Übereinstimmend behaupteten sie, damals zu Geständnissen gezwungen worden zu sein. "Das wurde mit unterstellt", hieß es, oder "alles wurde manipuliert und inszeniert".

Wenn er nicht gestehe, werde er den Raum "mit den Füßen zuerst" verlassen, gab ein Zeuge an. "Es war politisch so gewollt, es musste ein Schuldiger gefunden werden." Die Verurteilten kämpfen bis heute um ihre Rehabilitation. Am kommenden Dienstag wird der erste Zeuge, ein ehemaliges Mitglied von "Edelweiß", erwartet.

© SZ vom 30.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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