Neuer "Lonely Planet":Außenansicht auf München

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Früher oder später landen sie alle hier: Touristen auf dem Marienplatz. (Foto: Stephan Rumpf)

Ist Untergiesing zu cool für den "Lonely Planet"? Das Viertel taucht in der neuen Auflage des Reiseführers nicht auf, dafür die Kultfabrik als beste Party-Location. Die Autoren bedienen so einige Klischees über München, ein paar gute Tipps haben sie allerdings auch.

Von Thierry Backes

Untergiesing kann aufatmen. Es muss nicht fürchten, im Sommer von Massen an Rucksacktouristen aus Amerika, Australien oder Asien überrannt zu werden. Für den "Lonely Planet" ist das Viertel, dem gerne nachgesagt wird, irgendwann Szeneviertel zu werden, nicht cool genug. In der Anfang März erschienenen neuen Auflage des Reiseführers mit dem Titel "Munich, Bavaria & the Black Forest" (München, Bayern und der Schwarzwald) findet man keine einzige Zeile über den Stadtteil.

Das sagt viel aus, zum einen über das Viertel, zum anderen aber auch über den Reiseführer selbst. Der australische Verlag Lonely Planet ist der weltweit größte Reiseführerverlag, er steht gerade bei jungen Individualreisenden in dem Ruf, stets die besten Tipps parat zu haben, aufgeschrieben von unabhängigen Autoren, die jahrelang in der fremden Stadt oder Region gelebt haben.

Auch Marc Di Duca und Kerry Christiani, den Autoren der vierten Ausgabe des englischsprachigen Führers, kann man nicht vorwerfen, München nicht zu kennen. Doch auf den rund 60 (von insgesamt knapp 340) Seiten über die Stadt haben sie nicht viel mehr anzubieten als die Standard-Reiseführer etwa aus dem Hause Mairdumont (Dumont, Marco Polo).

Vielleicht kann man das aber auch nicht erwarten, wenn Ziele verhandelt werden, die schon geografisch nicht zusammenhängen. Doch das ist eine andere Geschichte. Wenn man sich nur auf München bezieht, stellt sich die Frage: Was für ein Bild der Stadt wird hier vermittelt? Ein schönes, das auf jeden Fall. Man könnte aber auch schreiben: das Klischee von der "Weltstadt mit Herz". München sei die "beer capital of the world", die Welthauptstadt des Bieres, die Innenstadt habe zwar etwas Kleinstädtisches, aber auch "weltklasse Sehenswürdigkeiten". Aha.

München im "Lonely Planet"
:Taugenichtse im Englischen Garten

Der "Lonely Planet" mit dem interessanten Titel "Munich, Bavaria & the Black Forest" ist in vierter Auflage erschienen. Wir dokumentieren die Tipps der Autoren.

Von Thierry Backes

Empfohlen werden die Augustiner Bräustuben als beste Bierhalle, das Fraunhofer als bestes Wirtshaus, das Prinz Myshkin als bestes vegetarisches Restaurant und die Kultfabrik als beste Party-Location. Darüber kann man streiten, doch die Tipps sind ganz bestimmt nicht das, was man von einem Lonely Planet erwartet: alternativ und außergewöhnlich.

Blättert man weiter, wird man zumindest ein bisschen versöhnt: Di Duca und Christiani erwähnen die Auer Dulten, empfehlen den Second-Hand-Laden Holareidulijö an der Schellingstraße und erklären den Begriff "wildes Bieseln", wenn sie über das Oktoberfest schreiben. Sie raten: "Bringen Sie Ihre eigene Brotzeit mit" und stellen die Aktion "Sichere Wiesn für Mädchen und Frauen" vor. Doch dann findet man das Hippodrom als "Top Beer Tent" - und schon ist die Sympathie wieder dahin.

In der Sektion "Eating" dürfen das Tantris und die Schmalznudel natürlich nicht fehlen. Die weitere Auswahl ist bestenfalls solide, es finden sich nur wenige vielversprechende kleine Restaurants wie das Vegelangelo, dafür viel Befremdliches: Die Autoren wollen einen Trend zum Italiener entdeckt haben - und empfehlen ausgerechtet das La Baracca, jenes Restaurant am Maximiliansplatz, in dem man über ein iPad-ähnliches Gerät bestellen muss, was oft nicht funktioniert, und dann garantiert alleine isst, weil nie alle Gerichte gleichzeitig kommen.

Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei den Bars. Die Auswahl: Schumann's, Hofbräuhaus, Alter Simpl und irgendwo dazwischen: der tatsächlich ziemlich unbekannte und auf die Leser zugeschnittene Salon Irkutsk an der Isabellastraße. Doch auch diesen positiven Eindruck zerstören die Autoren schnell wieder, indem sie über das Box schreiben, das längst nicht mehr so heißt, oder ihre Leser spätabends in den Trachtenvogl schicken, der um 22 Uhr schließt. Und so drängt sich am Ende die Frage auf: Ist Untergiesing vielleicht einfach zu cool für den Lonely Planet?

© SZ vom 10.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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