Nachruf:Vier Chefredaktionen und etwas Kir Royal

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Der Niederbayer Ernst Fischer hat den Journalismus in und über München in den Siebziger- und Achtzigerjahren mitgeprägt. (Foto: Ulla Baumgart)

Ernst Fischer war mehr als ein Vierteljahrhundert Journalist bei Süddeutscher Zeitung und AZ. Nun ist er im Alter von 74 Jahren gestorben.

Von Kurt Kister

Wenn es in den guten alten Zeiten spätnachmittags war in der Sendlinger Straße, konnte es sein, dass eine markante Stimme mit niederbayerischem Tremolo über die Tische des Lokalteils rauschte: "Des Buidl zu dera Gschicht, des kennt's doch net macha, seid's narrisch". Da wusste man: Ernst Fischer, stellvertretender Chefredakteur der SZ und zuständig für alles irgendwie Bayerische in der Zeitung, ist in seinem Element. An jedem Tag mit Ausnahme des Samstags war eine Zeitung zu machen, und jeden Tag konnte man, zumal der Fischer Ernstl, manches, was andere schon gemacht hatten, noch mal verändern, zum Besten des Lesers.

Ernst Fischer, zwischen 1996 und 2007 Vize-Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, ist am Mittwoch 74-jährig in München gestorben. Vor den mehr als zehn Jahren bei der SZ hat der in Straubing geborene Fischer lange bei der Abendzeitung gearbeitet. Er hat den Münchner Journalismus, den Journalismus in und über München, in den Siebziger- und Achtzigerjahren mitgeprägt.

Bei der AZ war Fischer seit 1970 Redakteur, Lokalchef und schließlich stellvertretender Chefredakteur. Die AZ war damals nicht das Herz der Stadt, aber sie wusste am besten (und am schnellsten), wie, wann und warum das Herz gerade schlug. Das ist lange her, und heute gibt es die Abendzeitung zwar noch, aber sie ist zu einem völlig anderen Wesen mutiert als sie das zu Zeiten der Herausgeberin Anneliese Friedmann, des Chefredakteurs Udo Flade, von Ernst Fischer, Michael Graeter und Kir Royal einmal war.

1986 verließ Fischer die AZ und begann, wie er selbst einmal sagte, mit dem Golfspielen. Das hat er bis zuletzt beibehalten; aus dem Tennismann wurde ein Golfmann, was ihn allerdings nicht daran hinderte, auch weiter dem Schafkopfen zu frönen, ein Kartenspiel, das für viele Bayern eine gute Mischung aus Tennis und Golf darstellt.

Fischer war ein im Prinzip geselliger Mensch, ein bärbeißiger Schwabinger Bohemien aus Straubing. Einmal die Woche ging er zum Stammtisch in Schumann's Bar. Barkeeper Charles Schumann nannte die regelmäßige Zusammenkunft der immer älter werdenden Herren gerne die Rheuma-Ecke. Fischer fand diesen Humor gut.

Nach den Jahren bei der AZ verschlug es Fischer, der von Tonfall und Sprachfärbung den Bayern nie verleugnen konnte oder wollte, nach Hamburg. Als Nachfolger eines gewissen Wolfgang Clement, den Ministerpräsident Johannes Rau nach Düsseldorf holte, wurde Fischer 1988 Chefredakteur der Hamburger Morgenpost. Nach ein paar Jahren wechselte er in die Chefredaktion des Stern , dem es damals auch noch anders ging als heute. In einem Rückblick auf seine Magazin-Zeit in Hamburg schrieb Fischer 1998 mal den Satz: "Manchmal hatte ich das Gefühl, ich müsste erst das beidarmige Ausgeben von Geld lernen."

Ja, so war das damals bei Gruner + Jahr . . . Wenn man Fischer später auf den Stern ansprach, war ihm stets wichtig, dass er, der bayerische Zeitungsmensch, sich durchaus gut zurecht gefunden habe unter den jedenfalls sehr unbayerischen Zeitschriftenleuten in Hamburg. Das stimmte ja auch, allein schon weil es Fischer von allen Münchner Großjournalisten, die es beim Stern probiert haben, eindeutig am längsten aushielt.

Bevor er 1996 nach München zurückkehrte und als Stellvertreter in die damals neue SZ-Chefredaktion unter Hans Werner Kilz und Gernot Sittner eintrat, war Fischer noch ein gutes Jahr in Berlin. Dort fungierte er bei der damals noch zu Gruner + Jahr gehörenden Berliner Zeitung als Berater.

Als Fischer 1969 nach München kam, wollte er eigentlich zur SZ. Dass es ihn dann zur AZ verschlug, war weder sein Schaden noch der der Abendzeitung. Ohnehin war Fischer Teil eines Münchner Autoren-und-Künstler-Netzwerks, zu dem als enge Freunde die SZ-Reporter Herbert Riehl-Heyse und Hannes Burger zählten. Man schrieb gemeinsam Bücher und Drehbücher, spielte Schafkopf und ließ generell den Herrgott einen guten Mann sein. Für Ernst Fischer wünscht man sich nun, dass der Herrgott sich daran gerne erinnert.

© SZ vom 22.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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