Nachgefragt:Warum haben Sie nie einen Kater, Herr Flitsch?

Lesezeit: 2 min

Der Alkoholrausch ist ein seit Jahrtausenden bekanntes Phänomen. Kaum ergründet aber ist der Kater. Wilhelm Flitsch von der Universität Münster erforscht den Hangover und hat ein Geheimrezept: Beim Weintrinken trägt er ein Stirnband.

SZ: Wann hatten Sie das letzte Mal einen Brummschädel, Herr Flitsch?

Flitsch: Einen echten Kater mit Kopfschmerzen und Übelkeit hatte ich seit Jahren nicht mehr. Ab und an schlafe ich aber nach starkem Weingenuss unruhig. Das ist eine Art trinkbedingter Jetlag. Alkohol bringt die innere Uhr aus dem Takt. Rythmische Vorgänge im Körper wie die Thermoregulation oder die Hormonproduktion geraten durcheinander.

SZ: Wie kommt es zum echten Kater?

Flitsch: Alkohol selbst löst nicht den Kater aus, sondern Stoffwechselprodukte, die bei seinem Abbau in der Leber entstehen. Dort wandelt das Enzym Alkoholdehydrogenase (ADH) das Ethanol - also den Trinkalkohol - in Acetaldehyd um. Dieser vom Körper schlecht verträgliche Stoff wird von einem weiteren Enzym, der Aldehyddehydrogenase (AIDH) in Essigsäure umgewandelt und der Blase zugeführt. Das geschieht durch chemische Prozesse bedingt verzögert. Daher kann das Acetaldehyd seine Giftwirkung entfalten. Studien in Asien belegen das: Der Hälfte der Japaner fehlt das Enzym zum Abbau von Acetaldehyd. Geringe Mengen Alkohol lösen bei ihnen einen unerträglichen Kater aus.

SZ: Kann man die Stärke des Hangovers per Getränkewahl beeinflussen?

Flitsch: Ja. Beim Abbau von Fuselalkoholen wie Propanol oder Methanol, die sich neben Ethanol in alkoholischen Getränken finden, bilden sich starke Katerstoffe. Ist der Anteil berauschenden Methanols hoch - etwa in Whiskey, Brandy und billigem Rotwein -, wird der Kater heftig, denn beim Abbau entsteht Formaldehyd, ein Zellgift. In Bier, Gin und gutem Wein ist der Fuselanteil geringer.

SZ: Hilft der Rollmops Tags drauf?

Flitsch: Besser ist es, süß zu frühstücken. Alkohol setzt die Konzentration des Blutzuckers herab, die Energiereserve sinkt, man fühlt sich schwach. Marmelade wirkt dem Mangel im Glykogenhaushalt entgegen. Fruktose hilft zudem beim Alkoholabbau. Rollmöpse gleichen zwar den Mineralstoffmangel aus, sind aber in der Folge nicht so wirksam.

SZ: Oder soll man direkt weitertrinken?

Flitsch: Nein! Dahinter steckt die Annahme, dass die Enzyme bevorzugt Ethanol abbauen und nicht Methanol. Wenn es immer genug Ethanol gibt, wird der Körper nie dazu kommen, schmerzförderndes Formaldehyd zu produzieren. Ich rate davon dringend ab, es sei denn, man will zum Säufer werden.

SZ: Sind Sie bei Ihrer Katerforschung auf eine Wunderwaffe dagegen gestoßen?

Flitsch: So etwas in der Art, ja. Ich denke, dass meine Rotweinunverträglichkeit mit der schlechten Durchblutung des Hinterkopfes zusammenhängt. Alkohol konzentriert sich ja vor allem in den wasserreichen Teilen des Körpers, unter anderem im Blut. Acetaldehyd verengt die Blutgefäße. Kopfschmerzen treten auf, wenn Gefäße, die zur Kopfhaut führen, verengt werden. Erhöhe ich den Druck auf den Kopf, verhindert die stärkere Durchblutung eine Verengung - der Kater bleibt aus. Irgendwann band ich mir ein Band um den Kopf. Das half. Das Stirnband lege ich nun immer beim Rotweintrinken an. Da ich das meist zu Hause mache, nimmt keiner Anstoß daran.

SZ: Das klingt sehr abenteuerlich.

Flitsch: Es hilft aber.

SZ: Könnte man dem Kater also generell durch einen festsitzenden Hut entgehen? Werden Menschen mit Hüten auf dem Oktoberfest zu Unrecht verlacht?

Flitsch: Das weiß ich nicht. Alkohol wirkt so unterschiedlich auf den menschlichen Organismus, dass sich keine allgemein gültigen Regeln ableiten lassen.

SZ: Aber man kann einiges gegen den Hangover tun. Viel Wasser trinken etwa.

Flitsch: Ja, und das schon zum Bier oder Wein. Alkohol hemmt die Bildung des Hormons Vasopressin, das den Wasserhaushalt kontrolliert. Es kommt zu einer Dehydration und einem Ungleichgewicht im Elektrolythaushalt, das den Schwindel auslöst. Wandern und Jogging steigert zudem die Verträglichkeit. Versuche an Ratten ergaben, dass Bewegung dazu führt, dass sich vermehrt das Enzym UDP-Glukuronosyltransferase bildet. Dieses hilft, schädliche Stoffwechsel-Nebenprodukte in harmlose Verbindungen zu überführen. Schlussendlich gibt es nur eine unangefochtene Erkenntnis: Nur Abstinenz verhindert den Kater.

Wilhelm Flitsch, 80, Emeritus des Organisch-Chemischen Instituts der Universität Münster, erforscht, wie ein Kater entsteht. (SZ vom 21.9.2004)

© Interview: Claudia Fromme - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: