Nach der Kommunalwahl:In der SPD beginnt das Scherbengericht

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Parteichef Hans-Ulrich Pfaffmann hat Dieter Reiter bei seinem Wahlkampf unterstützt. (Foto: Florian Peljak)

Zwar hat Dieter Reiter die OB-Wahl gewonnen, doch jetzt muss sich die SPD mit ihrem schlechten Ergebnis bei der Stadtratswahl auseinandersetzen. Der Parteivorstand steht in der Kritik - es gibt erste Rücktrittsforderungen.

Von Silke Lode

Wahlen werden gerne zur Feierstunde der Demokratie erklärt - doch wenn die Party mit einem heftigen Absturz verbunden ist, lässt auch der Kater nur selten auf sich warten. Mit einer stichwahlbedingten Verzögerung von gut zwei Wochen hat es nun die Münchner SPD erwischt. Der Unmut in der Partei ist so groß, dass Stimmen laut werden, die den Rücktritt von Parteichef Hans-Ulrich Pfaffmann fordern.

Sogar Rufe nach Neuwahlen des gesamten Vorstands sind hinter vorgehaltener Hand zu hören. Alexander Reissl, der Chef der Rathaus-Fraktion, war sogar schon vor der Wahl angezählt. Hintergrund ist das jüngste Wahlergebnis: Zwar stellt die SPD mit Dieter Reiter wieder den Oberbürgermeister, doch die Partei hat mit 30,8 Prozent bei der Stadtratswahl ein so schlechtes Ergebnis erzielt, dass man bis ins Jahr 1948 zurückgehen muss, um noch schlechtere Zahlen zu finden.

Pfaffmann sieht die Debatte gelassen und sagt, er könne sie angesichts des Wahlergebnisses verstehen. "Natürlich trägt die Verantwortung für eine Wahl immer der Parteivorsitzende, und das bin in München ich", sagt Pfaffmann. "Wer aber meint, der Austausch des verantwortlichen Kampagnenleiters bringt zehn Prozent mehr bei der nächsten Wahl, der hat den Wählerwillen und die Politik nicht verstanden."

Gewählt ist Pfaffmann noch bis 2015. Immer wieder war darüber spekuliert worden, dass er dann, ein Jahr nach dem Wechsel im OB-Sessel, aufhören könnte. "Meine Entscheidung über die Frage ist noch nicht gefallen", sagt Pfaffmann. Doch offenbar halten innerparteiliche Seilschaften nach der Niederlage im Stadtrat und in den Bezirksausschüssen den Zeitpunkt für gekommen, ihre Leute für die Nachfolge in Position zu bringen.

"Wir haben jetzt ganz andere Probleme"

Drei Namen sind dabei immer wieder zu hören: Roland Fischer, der schon einmal gegen Pfaffmann angetreten war und derzeit kein Mandat hat, ebenso die beiden Landtagsabgeordneten Isabell Zacharias und Andreas Lotte. Fischer winkt auf Nachfrage ab: "Damit habe ich mich noch nicht beschäftigt."

Über die Nachfolgedebatte zum jetzigen Zeitpunkt ist er entsetzt: "Wir haben jetzt ganz andere Probleme. Die Partei erreicht die Bevölkerung nicht mehr, da muss massiv was passieren", sagt Fischer. Ob das mit den gleichen Leuten geschehen könne, sei eine Frage, die am Ende der Analyse stehen müsse, nicht am Anfang.

Zacharias äußert Verständnis dafür, dass Pfaffmann und der gesamte Vorstand, dem sie als Vizechefin angehört, scharf in der Kritik stehen. Die Personaldebatte ärgert sie trotzdem: "Es ist zu kurz gesprungen, das Wahlergebnis an Einzelnen festzumachen", meint sie. Im selben Licht sieht sie für sich persönlich die Frage nach der Pfaffmann-Nachfolge: "Die Partei muss verstehen, dass es nicht um einzelne Personen geht, sondern um die Münchner SPD. Ich bin da nur eine kleine Lampe."

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Die 49-jährige Hochschulexpertin gehört seit fast zehn Jahren dem SPD-Vorstand an, eine denkbare Vorsitzende wäre sie allemal. "Ich habe noch keine Entscheidung getroffen", sagt Zacharias. "Ob ich meinen Hut in den Ring werfe, mache ich auch davon abhängig, wie das Ergebnis diskutiert wird und welche Konsequenzen wir ziehen."

Deutlicher wird nur Andreas Lotte, persönlich wie auch mit Blick auf Rücktrittsforderungen: "Jemand muss die Verantwortung übernehmen", sagt er. Zur Disposition steht in seinen Augen Fraktionschef Reissl, auch wenn der "wohl nicht die Hauptverantwortung" trage.

Für Lotte steht deshalb auch Pfaffmann im Feuer: "Die Verantwortung trägt primär die Partei." Man dürfe jetzt nichts überstürzen, personelle Veränderungen seien auch nicht zwingend. Doch aus seinen Ambitionen auf den Parteivorsitz macht der 39-Jährige kaum einen Hehl: "In der Politik gehört es dazu, bereit zu sein, Verantwortung zu übernehmen. Ich könnte mir das vorstellen - aber es ist noch verfrüht."

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Während in Teilen der Partei also Strippen gezogen werden, sind andere entgeistert, wie man während laufender Koalitionsverhandlungen und ohne gesicherte Mehrheit am Stuhl des Vorsitzenden sägen kann. In freundlicheren Äußerungen ist da von "Sandkastenspielen" die Rede, in drastischeren von "Harakiri".

Offiziell hat sich der Vorstand auf ein geordnetes Verfahren geeinigt: Kommenden Montag sollen 200 bis 300 Sozialdemokraten zum Parteirat zusammenkommen. Mandatsträger und Ortsvereins-Chefs sind ebenso geladen wie Delegierte und alle 80 Stadtratskandidaten. Es wird eine Generaldebatte und drei Arbeitsgruppen geben, die alle den gleichen Auftrag haben: Sie sollen das Wahlergebnis analysieren und sich über Konsequenzen Gedanken machen.

"Wir müssen darüber reden, ob wir noch die Herzen der Leute treffen", sagt Pfaffmann. "Ob unsere Inhalte noch richtig sind, ob wir zu detailverliebt sind, ob unsere Kommunikation stimmt", sagt er. Tabus gebe es keine - auch nicht bei Forderungen nach personellen Veränderungen. Das letzte Wort soll ein Parteitag haben, der allerdings erst im Sommer tagen wird. Die SPD könnte auf diese Weise zumindest die Zeit überbrücken, bis eine neue Koalition geschmiedet ist.

© SZ vom 04.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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