Mutter setzt Baby aus:"Bitte kümmern Sie sich gut um sie"

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Eine Unbekannte hat ihren neugeborenen Säugling in einem Wohnhaus in München-Moosach ausgesetzt. Samt Zettel mit Namen und einer Bitte. Ärzte stellten eine leichte Unterkühlung fest, ansonsten ist das Mädchen gesund. Jetzt suchen Polizei und Anwohner nach der verzweifelten Mutter.

Von Florian Fuchs

In diesem Hauseingang ließ die Mutter ihr Kind zurück. Apotheker haben dort ein Plakat aufgehängt. Sie bieten der Frau ein vertrauliches Gespräch an. (Foto: Stephan Rumpf)

Eine verzweifelte Mutter hat am Mittwochmorgen ihren neugeborenen Säugling in einem Wohnhaus in Moosach ausgesetzt. Eine Bewohnerin der Anlage in der Borstei fand das Mädchen gegen acht Uhr morgens in einem Einkaufskorb aus dunkelbraunem Bast im Treppenhaus. "Bitte kümmern Sie sich gut um sie. Ich kann nicht! Ein Tag alt und heißt Raquel", stand auf einem Zettel, der auf dem Korb lag. Die Bewohnerin verständigte die Polizei. Ermittler fahnden nun nach der Mutter, die ihr Baby nach ersten Erkenntnissen wohl selbst entbunden und im Anschluss ausgesetzt hat.

Um acht Uhr morgens entdeckte die Bewohnerin des Hauses in der Franz-Marc-Straße den Korb. Nach Angaben der Polizei stand er im Hochparterre des Treppenhauses. Darin lag der Säugling auf einem Kissen, eingewickelt in Tücher und eine kleine, blaue Decke mit aufgedruckten Sonnen und Sternen. Der Rettungsdienst brachte das Mädchen in ein Krankenhaus. Ärzte stellten eine leichte Unterkühlung fest, ansonsten ist der zierliche Säugling gesund.

Das Mädchen ist knapp 50 Zentimeter groß und wiegt etwas mehr als 2500 Gramm. Weil die Nabelschnur nicht fachgerecht abgetrennt ist, gehen die Ärzte davon aus, dass die Mutter ihr Baby ohne medizinische Hilfe auf die Welt gebracht hat. Ermittlungen der Polizei ergaben, dass der Säugling in einem knappen Zeitfenster zwischen 7.45 Uhr und 8 Uhr morgens in dem Treppenhaus der Anlage in der Franz-Marc-Straße ausgesetzt worden sein muss.

Ein weiterer Bewohner des Hauses sagte aus, dass er seine Wohnung um 7.45 Uhr verlassen habe und zu diesem Zeitpunkt noch kein Korb mit einem Säugling zu sehen gewesen sei. Die Kriminalpolizei hofft nun aus Hinweise aus der Bevölkerung und der Nachbarschaft, um die Mutter zu finden. "Wir suchen etwa nach Frauen, die vor kurzem schwanger waren und nun offensichtlich entbunden haben, ohne dass man sie mit einem Baby sehen würde. Wir werden auch auf Frauenärzte zugehen", sagt ein Sprecher der Polizei. Die Fahnder suchen auch Zeugen, die am Mittwochmorgen eine Frau mit Säugling und geflochtenem Korb gesehen haben.

Kein derartiger Fall in den vergangenen Jahren

Es kommt nicht oft vor, dass Mütter ihre Babys in Wohnhäusern oder auf offener Straße aussetzen. In den vergangenen Jahren habe es keinen derartigen Fall gegeben, meldet die Polizei. Verzweifelte Mütter nutzen eher das umstrittene Angebot der Babyklappen. Bei der "Lebenspforte" im Kloster St. Gabriel in Solln etwa heißt es, dass deutschlandweit im vergangenen Jahr 40 Kinder ausgesetzt worden seien. 20 davon überlebten nicht.

Häufig muss die Polizei auch beim Fund von Säuglingsleichen ermitteln, etwa im Jahr 2009, als ein Spaziergänger ein totes Baby am Landtag entdeckte. Die Kriminalpolizei versuchte damals sogar mit einem Gentest, die Mutter zu finden - vergeblich. Um Tötungen, lebensbedrohliche Aussetzungen sowie Entbindungen ohne medizinische Hilfe zu vermeiden, will die Bundesregierung von Mai 2014 an ermöglichen, in Krankenhäusern vertraulich ein Kind zu gebären.

Die Personendaten der Mutter bleiben dabei unter Verschluss, erst vom 16. Lebensjahr an kann das Kind Auskunft über seine Identität verlangen. Die Anonymität soll der Mutter Zeit geben, ihr Leben selbst unter schwierigen Umständen zu sortieren

© SZ vom 09.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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