Münchner Modeblogs:Live aus der Umkleidekabine

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Selbst in München, wo die Leute nicht gerade für ihren progressiven Style bekannt sind, sorgen inzwischen Blogger wie Lea Loves oder Styleclicker für die Demokratisierung der Modewelt.

Anna Fischhaber

"Ich bin verliebt. Verliebt in einen Ärmel. Um genau zu sein in mehrere Ärmel, allesamt entdeckt bei der Carin Wester Show in Stockholm", schreibt Lea Rieck. Unter Lea Loves betreibt die Münchner Studentin einen Modeblog. Sie berichtet über Modeschauen und Designer aus aller Welt, aber auch über ihren eigenen Shoppingwahn.

In der Umkleidekabine fotografiert Lea Rieck sich selbst in verschiedenen Outfits. Von Bekannten hört sie deshalb oft: "Du interessierst Dich für Mode? Oh Gott, bist Du oberflächlich!" Dabei seien gerade die Brückenschläge zwischen Mode, Musik und Kunst so interessant, findet Lea. (Foto: Foto: Lea Rieck/oh)

"Nachdem ich die letzten Monate quasi dauerpleite war, habe ich das Gefühl dass mein Kleiderschrank unbedingt mal wieder neu bestückt werden muss", heißt es etwa auf ihrer Seite. Darunter hat Lea Fotos von sich in ihren neuesten Lieblingstücken gestellt - live aus der Umkleidekabine berichtet sie über die neuesten Münchner Trends.

Kollege Styleclicker bleibt lieber hinter der Kamera. Statt sich selbst fotografiert er für seinen virtuellen Catwalk Menschen mit individuellem Style, die ihm auf Münchens Straßen begegnen. "Ich habe mehr Schuhe als meine Ehefrau und immer meine Kamera dabei", erfährt man auf seiner Homepage über Gunnar Hämmerle, 37. Die meisten der Fotos sind im Szeneviertel rund um den Gärtnerplatz entstanden. Kaum zu glauben, dass all die progressiv angezogenen Leute wirklich in München, und nicht in Berlin oder Paris, unterwegs sind. Jenseits von Maximilianstraße und Stehkrägen scheint sich auch in der bayerischen Landeshauptstadt modetechnisch etwas zu bewegen - zumindest virtuell.

Konkurrenz für große Magazine

Doch nicht allen kommt die Demokratisierung der Modewelt gelegen. Die Kritiker großer Magazine haben Konkurrenz bekommen, seitdem Blogger wie Lea auf Fashionweeks eingeladen werden und ihre Eindrücke in Echtzeit online kundtun. Auch die Designer stehen mehr und mehr unter Druck: Zum einen müssen ihre Kollektionen nicht mehr nur bei der Modeelite bestehen, sondern auch vor der globalen Fangemeinde im Netz. Zum anderen finden neue Trends und individuelles Styling dank Projekten wie Styleclicker nun auch ohne ihre Hilfe den direkten Weg von der Straße auf den virtuellen Catwalk.

Anna Wintour, berüchtigte Chefredakteurin der Vogue, macht aus ihrer Verachtung für die Masse keinen Hehl - das Wort "Blog" darf in ihrer Umgebung angeblich nicht mehr benutzt werden. Kollegin Cathy Horyn von der New York Times betreibt dagegen bereits einen eigenen Blog, in dem sie ihren Lesern einen Blick hinter die Kulissen der glitzernden Modewelt erlaubt. Auch renommierte Verlage haben begonnen sich für die Laienkritiker zu interessieren - der Münchner Burda-Verlag etwa unterstützt inzwischen den Modeblog Les Mads.

Modestadt München?!

"Angefangen hat alles in Schweden. Dort hat jedes Mädchen, das sich für Mode interessiert, einen eigenen Blog", erzählt Lea Rieck. "Irgendwann habe ich gedacht, was die können, kannst du schon lange." Als die 21-Jährige vor einem dreiviertel Jahr begonnen hat regelmäßig über Style und Fashion zu schreiben, konnte man die deutschen Modeblogs noch an einer Hand abzählen. Inzwischen kommen fast jeden Tag neue hinzu. Styleranking.com hat gerade versucht etwas Licht in den Dschungel zu bringen und die 20 wichtigsten Modeblogs in Deutschland gekürt - Lea Loves gehört dazu, auch wenn Lea selbst die Auswahlkriterien für ziemlich unprofessionell hält.

Sowieso interessiert Lea das Urteil anderer wenig. Zum Interview kommt sie in knapper, abgeschnittener Jeans und riesiger Herzchensonnenbrille. Immer wieder werde sie wegen ihrer Klamotten schief angeschaut - vor allem in der Maximilianstraße. "Dort bekommt man nur, was das Tussi-Mainstreamherz begehrt", lautet Leas vernichtendes Urteil. Die Kombination Modestadt und München sei eben nach wie vor abenteuerlich. "Hier geht es allen gut, es braucht nicht viel Veränderungen und deshalb ist es schwer etwas Neues und Junges zu machen, weil es dafür kaum ein Publikum gibt." Beim Stichwort Münchner Jungdesigner fällt ihr nur Patrick Mohr ein, der ab und an in der Ersten Liga eine Fashion Party gibt.

Hämmerles Fazit über die Modestadt München fällt etwas positiver aus. "Die Münchner sind nicht schlecht angezogen, nur zu brav", sagt er. Zwar hätte sich die Suche nach dem besonderen Style in der Landeshauptstadt zunächst als echtes Geduldsspiel erwiesen, aber gerade darin sieht der ehemalige Student der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) auch eine Herausforderung. "In Berlin gibt es Millionen Menschen mit coolem Style, München ist dagegen noch nicht beackert worden - da steckt noch viel Potenzial drin."

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