Münchner Köpfe:Es lebe die Monarchie!

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Königlicher Besuch, tierische Schönheiten und rasende Nordic-Walker: Langweilig wird es Verwalter Josef Schwab auf Schloss Nymphenburg bestimmt nicht.

Anna Fischhaber

Josef Schwab ist ein glücklicher Mann. Abend für Abend lustwandelt er durch seinen fast 200 Hektar großen Park. Vorbei an der geliebten Amalienburg mit dem Jagdthron auf dem Dach und den selbsternannten Poeten am Monopterus, den Kanal entlang bis zu dem großen kubischen Barockbau mit den prunkvollen Sälen und den geheimen Türen. Eine ganze Weile hat Schwab gebraucht, um sich hier zurechtzufinden.

Streng blickt Kurfürst Max Emanuel auf den heutigen Schlossverwalter, Josef Schwab, hinab. (Foto: Foto: Fischhaber)

Auf die Frage, wie man Schlossherr wird, lächelt er schüchtern - kaum vorstellbar, dass dieser kleine, zarte Mann mit dem großen Anorak über ein solches Gelände herrscht. Von einem Monarchen hat er wenig. Kein Wunder: In seinen Adern fließt kein Tropfen blaues Blut. Stattdessen war Schwab an der Beamtenfachhochschule und hat sich danach bei der bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung beworben. "Das klang so exotisch", erzählt der 53-Jährige, der seit 2006 Nymphenburg verwaltet.

Als Henriette Adelaide von Savoyen 1664 den lang ersehnten Thronfolger gebar, schenkte Kurfürst Ferdinand Maria ihr das Gelände vor den Toren Münchens, um dort ein Schloss zu errichten. Die gebürtige Italienerin beauftragte ihren Landsmann Agostino Barelli mit der Sommerresidenz und nannte sie "borgo delle ninfe" - Nymphenburg. "Ein Sohn war damals einiges wert. Ferdinand Maria ließ sich den Bau 40.000 Gulden kosten", erzählt Schwab und senkt ehrfurchtsvoll die Stimme, als wir die königlichen Gemächer betreten.

Die Invasion der Nordic Walker

Thronfolger Max Emanuel erweiterte später den Bau. Vorbild war Versailles, lange hatte er auf dem Hof des Sonnenkönigs im Exil gelebt. Die Münchner verdanken dem Kurfürsten auch die vier Parkschlösschen, die er als Rückzugsort für private Feste und heimliche Treffen nutzte. Vom Gemälde, das in Schwabs Büro über dem Schreibtisch hängt, blickt er streng auf den Schlossverwalter herab - fast so, als ahne er, wie wenig der von ihm hält.

"Bayern war ihm wurscht. Er wollte König werden - und dazu war ihm jedes Mittel recht. Er hätte Bayern sogar eingetauscht", der bislang so sachliche Beamte wird plötzlich leidenschaftlich. "Und als daraus nichts wurde, hat er sich in den Schlossbau gestürzt - obwohl die Finanzlage alles andere als rosig war." Heute verhilft "ME", wie Schwab den Kurfürsten nennt, nur noch dessen Büro zu Prunk.

Der graue Linoleumboden ist abgenutzt, der Raum so klein, dass man sich kaum umdrehen kann. Nur das Porträt und der Blick aus dem Fenster erinnern daran, dass sich die Schaltzentrale von Nymphenburg im historischen Nordtrakt des Schlosses befindet. Von hier aus beaufsichtigt Schwab 65 Mitarbeiter und kämpft gegen Invasionen aller Art - wie die der Nordic Walker im Nymphenburger Park. "Wir verstehen uns als Gegenentwurf zum Englischen Garten. Wir sind eine Ruheoase, es geht um Entschleunigung."

Noch mehr Kopfzerbrechen als die Sportler bereiten dem Schlossherrn die vier Millionen Euro, die Nymphenburg Jahr für Jahr verschlingt. "Personalkosten, Instandhaltung, Sanierung", zählt Schwab die Posten auf. "Und wenn man den riesigen Bau endlich komplett saniert hat, geht es am Anfang schon wieder los."

Die Touristen scheint das nicht zu stören, 300.00 Besucher hatte das Schloss 2008. Sie alle wollen den Steinernen Saal in seiner Rokokopracht und die Porzellanmanufaktur, die 1747 als Verlegenheitslösung für den notorisch klammen Max III. Joseph gegründet wurde, sehen.

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Weit über die Grenzen Münchens berühmt ist auch die Schönheitsgalerie von Ludwig I.. 36 mehr oder weniger illustre Damen saßen dafür zwischen 1827 und 1850 Modell. Darunter auch die königliche Geliebte Lola Montez und die Münchnerin Helene Sedlmayr. "Obwohl sie nur eine einfache Bürgerstochter war, gelang es ihr, den König in ihren Bann zu ziehen", schwärmt Schwab. Ludwig II., der 1845 in Nymphenburg geboren wurde, steuerte ebenfalls eine Schönheitsgalerie bei - allerdings zeigt die ausschließlich rassige Pferde.

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Anna Fischhaber

"Mit der Revolution von 1918 wurde Nymphenburg Staatseigentum. Die Wittelsbacher behielten jedoch ein Wohnrecht auf Lebenszeit", erzählt Schwab. Heute residiert Nachfahre Franz von Bayern in einem Pavillon auf dem Schloss, während der Schlossverwalter sein kleines Reihenhaus in Starnberg nach wie vor der königlichen Behausung vorzieht - jeden Morgen reist er mit der Bahn nach Nymphenburg. "In Starnberg ist die Lebensqualität einfach höher, ein Zuckerschlecken war und ist das Leben in solchen Herrscherhäusern nicht."

Die Geburt des Thronfolgers

Im Inneren des Schlosses hat sich seit Jahrhunderten kaum etwas verändert - in manchen Ecken zieht es gewaltig. Im grünen Zimmer lehnt noch immer der große Spiegel an der Wand, in dem einst die Geburt Ludwigs II. mit Spannung verfolgt wurde. "Man wollte sicher gehen, dass hier wirklich der Thronfolger zur Welt kommt und nicht irgendein Kind untergeschoben wird", erzählt Schwab. "Aber es galt als unschicklich, dass die männlichen Zeugen direkt bei der Geburt zusehen - deshalb der Spiegel."

Auch der große Tisch im benachbarten blauen Salon wird nur noch benutzt, wenn hoher Besuch kommt - wie kürzlich die thailändische Königin. Seite an Seite saßen sie damals hier: Die weit gereiste Monarchin, der blaublütige Franz von Bayern und der zarte Beamte Josef Schwab, der über ein ganzes Schloss waltet.

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