Münchner Blutspendedienst:Ein halber Liter Leben

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Blutkonserven fehlen, Operationen werden abgesagt: Wegen des Mangels an Spendern schlägt der Münchner Blutspendedienst Alarm - und startet eine Werbeoffensive. Ein Besuch in der Dachauer Straße.

Felicitas Kock

Es zieht ein wenig in der Armbeuge, dann läuft dunkelrotes Blut durch den Plastikschlauch in einen durchsichtigen Beutel. Der Schlauch liegt auf dem Unterarm, deshalb spürt man die Wärme des eigenen Bluts auf der Haut. Für einen kurzen Moment jagen Schauer über den Rücken. Dann wird man abgelenkt, denn beim Münchner Blutspendedienst geht es an diesem Abend rund: Automaten piepen, Leute mit blauen Armbinden löffeln Eis und unterhalten sich, ein Kind hüpft kreischend durch den Raum.

Kleine Spende mit großer Wirkung: Nur wenn die Münchner genug Blut spenden, können in den Krankenhäusern in Stadt und Umland alle anstehenden Operationen durchgeführt werden. (Foto: ddp)

Dass sich in der Einrichtung in der Dachauer Straße 90 so viele Blutspender eingefunden haben, ist ein Segen für die Krankenhäuser in München und Umgebung, für die die hier gesammelten Blutkonserven bestimmt sind. Denn in den heißen Wochen des Sommers gab es deutliche Engpässe.

Nicht nur wegen der Urlaubszeit. Die hohen Temperaturen sorgten bei vielen Menschen für Kreislaufprobleme - an Blutabnahmen war nicht zu denken. Weil die Zahl der Spender im Juli drastisch zurückging, fehlten Blutkonserven und in den Kliniken mussten Operationen verschoben oder abgesagt werden.

Mit den sinkenden Temperaturen im August und September kamen wieder mehr Spender - die Krise des Sommers scheint überstanden. Doch der Schein trügt: Die Spenderzahlen sind von früheren Werten noch weit entfernt. Rund 85.000 Blutspenden sind im vergangenen Jahr im Großraum München gesammelt worden. "Zu wenig", sagt Marketingreferentin Antonia Raschke. Meistens sind die Spender 40 Jahre oder älter. "Gerade bei der jüngeren Generation ist das Blutspenden einfach nicht mehr in den Köpfen verankert", erklärt die Referentin. "Von selbst kommt kaum jemand mehr auf die Idee, Blut zu spenden."

Vor allem an Vormittagen herrscht auf den Fluren des Blutspendezentrums oft gähnende Leere. Ob die Zahl der Blutspender durch das gezielte Marketing dauerhaft steigen wird? "Sie muss", sagt Raschke. Wegen der überalternden Bevölkerung kann sonst eine ausreichende Versorgung mit Blutkonserven nicht gewährleistet werden. Für Menschen mit Blutkrankheiten, Unfallopfer und andere Patienten, die dringend eine Operation benötigen, wird es dann eng.

Bereit für die Liege

Im Moment stehen 13 Liegen für die Spender bereit. Bevor man dort Platz nehmen darf, messen die Fachkräfte, die sich um die Blutabnahme kümmern, Hämoglobinwert und Puls. Dann stellen sie Fragen: Haben Sie genug gegessen und getrunken? Hatten Sie innerhalb der vergangenen Monate eine Operation oder eine Magen-Darm-Erkrankung? Leiden Sie an einer Geschlechtskrankheit?

Erst wenn alle Fragen zufriedenstellend beantwortet und die Werte in Ordnung sind, ist man bereit für die Liege. Der Arm wird abgebunden, man muss die Hand abwechselnd zur Faust ballen und entspannen, dann wird die Nadel in die Armbeuge gestochen. Einen halben Liter Blut gibt man als Spender. Blut, das von einem gesunden Körper schnell nachgebildet wird.

Wegen der stetig sinkenden Spenderzahlen geht der Münchner Blutspendedienst seit Anfang des Jahres in die Offensive: Wenn die Menschen nicht zur Spende kommen, müssen die Spendeeinrichtungen zu den Menschen kommen, lautet die Devise. Es gibt Aktionen in den Münchner Landkreisen, sowie bei Vereinen, Firmen und Universitäten. "Die sind ein voller Erfolg", sagt Antonia Raschke. Vor allem an den Hochschulen sei die Bereitschaft höher als gedacht.

Dass die Kampagnen ankommen, zeigt sich auch in der Zentrale in der Dachauer Straße: Zwar sind die Flure an den Vormittagen weiterhin oft menschenleer, dafür gibt es zu Stoßzeiten vor den verschiedenen Stationen - Anmeldung, Hämoglobin-Test, Arztzimmer, Spenderaum - lange Warteschlangen.

45 Minuten braucht man laut Infobroschüre für eine Vollblutspende. An manchen Abenden sind es zwei Stunden. "Das schlimmste, was uns jetzt passieren könnte, wäre, die mühsam angeworbenen Spender durch lange Wartezeiten wieder zu vergraulen", sagt Raschke.

Die Einrichtung in der Dachauer Straße hat deshalb ihre Öffnungszeiten erweitert. Für die Phasen mit dem größten Andrang - dienstags, mittwochs und donnerstags ab 16 Uhr - wird es bald einen zweiten Arzt geben, der die Spender zu ihren Lebensgewohnheiten befragt und über Risiken der Blutabnahme informiert. Außerdem wird ein weiteres Spendezimmer eingerichtet, so dass künftig mehr Leuten gleichzeitig Blut abgenommen werden kann.

Einer, der seit Jahren spendet ist Raimund Bischoff. "Die Spende ist ein Dienst an den Mitmenschen", sagt der 50-Jährige und schiebt sich einen Keks in den Mund. Wie alle Spender muss er sich nach der Blutabnahme noch 20 Minuten regenerieren, ehe er die Station verlassen darf. Bischoff hat Blutgruppe Null, seine Spenden sind also für jeden Menschen verwendbar. "Echtes Sportlerblut", sagt Bischoff und grinst.

Seit 1990 spendet er schon mehr oder weniger regelmäßig. Manchmal in der Dachauer Straße, gelegentlich auch beim Bayerischen Roten Kreuz in der Herzog-Heinrich-Straße. Bald wird er seine dreißigste Blutspende abgeben. Er wird eine Urkunde erhalten, für seine hohe Spendebereitschaft. "Und das, obwohl ich gar nichts Besonderes leiste", sagt Bischoff mit einem Blick auf den winzigen Einstich, den die Nadel in seiner Armbeuge hinterlassen hat.

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