Scheungraber muss in Haft:"Das Urteil ist extrem wichtig für uns"

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66 Jahre nach der Tat muss Josef Scheungraber in Haft - wegen der Emordung italienischer Zivilisten. Wie der Bürgermeister der toskanischen Kleinstadt Cortona die Entscheidung beurteilt.

J. Müller-Meiningen

"Der Prozess ehrt den deutschen Staat" - so urteilte Andrea Vignini, Bürgermeister im italienischen 20.000-Einwohner-Städtchen Cortona im August 2009 nach dem vorläufigen Urteil gegen den Ottobrunner Kriegsverbrecher Josef Scheungraber. Auf dem Gebiet dieses Toskanastädtchens ließ Scheungraber im Juni 1944 als Leutnant der Gebirgsjäger ein Rache-Massaker an italienischen Zivilisten exekutieren. Seit Donnerstag ist das Urteil rechtskräftig. Die SZ konnte sich darüber mit Vignini in Italien unterhalten.

Josef Scheungraber bei der Urteilsverkündung des Landgericht München I im Jahr 2009. (Foto: Robert Haas)

SZ: Wie haben Sie die Nachricht vom rechtskräftigen Urteil aufgenommen?

Andrea Vignini: Es ist wichtig noch einmal festzuhalten, dass wir nie Rache wollten, sondern einfach nur Gerechtigkeit. Die Nachricht vom endgültigen Urteil nehmen wir positiv, aber ohne große Aufregung auf. Es ist die Bestätigung des Münchner Urteils. Man muss deutlich sagen, dass die deutsche Justiz gut gearbeitet hat.

SZ: Der Täter, der 92-jährige Josef Scheungraber muss möglicherweise ins Gefängnis. So lautet das endgültige Urteil. Ist das aus ihrer Sicht richtig?

Vignini: Der Mann ist wirklich schon sehr alt. Ich denke aber, dass die Entscheidung des Gerichts richtig ist. Aber das ist eine Sache der Justiz, das geht uns nichts an, wir verfolgen diese Frage eher distanziert.

SZ: Was bedeutet das Urteil für ihre Gemeinde?

Vignini: Das Urteil ist extrem wichtig für uns. Wir haben den Fall seit Jahren verfolgt. Das ging beim Militärgericht in La Spezia los, über das Münchner Urteil bis heute. Durch diesen Prozess hat die deutsche Justiz großes Vertrauen bei uns gewonnen. Vor allem in ethischer Hinsicht haben sich die Richter in meinen Augen angemessen verhalten. Es gibt ja sehr viele andere ähnliche Fälle, in denen die Wahrheit nie herausgekommen ist beziehungsweise die Täter nie verantwortlich gemacht wurden. Insofern ist es sehr wichtig, dass es in diesem Fall nun eine endgültige Antwort gibt. Dafür sind wir sehr dankbar. Das Massaker von Falzano bleibt dennoch eine Wunde, die sich nur sehr langsam schließt.

SZ: Hat Scheungrabers Heimatgemeinde Ottobrunn Einfluss darauf, dass sich diese Wunde endgültig schließt?

Vignini: Es gibt keinen Kontakt zu dieser Gemeinde. Eine Geste wäre schön, aber ich schlafe ehrlich gesagt auch so sehr gut.

SZ: Sie feiern jedes Jahr am 25. April, dem Tag der Befreiung von der deutschen Besatzung in Italien, das Gedenken in Falzano. Wie könnte so eine Geste aus Deutschland aussehen?

Vignini: Wenn an der Feier jemand von der Gemeinde persönlich teilnehmen würde, wäre das für uns sehr bewegend. Aber auch ein offizielles Schreiben wäre schon eine Geste der Versöhnung.

SZ: Der Bürgermeister aus Ottobrunn hat damals eine "Ehrenerklärung" für Scheungraber abgegeben...

Vignini: Ich erinnere mich an diese Erklärung. Aber ich nehme mir keine Kritik heraus. Das geht aber natürlich nicht in die Richtung, über die wir gerade reden.

© SZ vom 13.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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