München will Freistaat verklagen:"In höchstem Maße unanständig"

Die Landeshauptstadt sieht sich vom Freistaat um 62 Millionen Euro geprellt: Es geht um die Finanzierung der Gymnasien. Bürgermeisterin Christine Strobl: "Wer anschafft, soll auch zahlen."

Christian Rost

Die Landeshauptstadt sieht sich vom Freistaat bei der Schulfinanzierung um rund 60 Millionen Euro geprellt. Um die Kosten für die Einführung des achtjährigen Gymnasiums zurückzubekommen, kündigte die Stadtspitze am Mittwoch eine Klage an. Sie will damit auch verhindern, beim Ausbau der Hauptschulen zu Ganztagsschulen ebenfalls die Kosten tragen zu müssen.

München will Freistaat verklagen: Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD).

Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD).

(Foto: Foto: Hess)

Für die Umwandlung von 32 Gymnasien in München muss die Stadt tief in die Tasche greifen. 62 Millionen Euro kosten die zusätzliche Räume und Mensen, die im achtjährigen Betrieb benötigt werden. Weniger Schuljahre, mehr Kosten: Im Unterschied zum bisherigen neunjährigen Gymnasium bleiben die Schüler im G 8 oft auch nachmittags in der Schule und müssen verköstigt werden.

G 8 über Nacht

Die damalige bayerische Kultusministerin Monika Hohlmeier (CSU) führte das G 8 im Schuljahr 2004/05 quasi über Nacht ein. Von den Münchner Gymnasien, die dafür fit gemacht werden müssen, sind bislang acht fertig umgebaut, vier weitere sollen noch in diesem Jahr wieder ohne Baustellenlärm sein.

Die Stadt - die die Sachkosten für alle Schulen bezahlen muss - schießt die Baukosten vor und hat bislang lediglich 60 Prozent vom Freistaat erstattet bekommen. Um die übrigen 26 Millionen Euro und weitere 33 Millionen für zusätzliche Lehrkräfte am G8 streiten die Kontrahenten. Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) vertritt die Auffassung: "Wer anschafft, soll auch zahlen."

Nach diesem, 2004 durch einen Volksentscheid in der bayerischen Verfassung verankerten Konnexitätsprinzip müsse das Land die G 8-Kosten in vollem Umfang tragen, so Strobl am Mittwoch. Die Staatsregierung rechne aber die tatsächlichen Kosten massiv herunter oder gehe auf die Forderungen der Stadt überhaupt nicht ein. Stadtschulrätin Elisabeth Weiß-Söllner (SPD) nannte es "in höchstem Maße unanständig", dass der Staat die finanziellen Lasten beim Umbau des Schulsystems einfach den Kommunen aufhalse.

"Die Staatsregierung pfeift auf die Kosten", sagte Strobl, davon seien andere Schulstädte wie Nürnberg, Augsburg, Regensburg und Schweinfurt genauso betroffen. Für den Klageweg, den die Rechtsabteilung im Rathaus nun als "unausweichlich" ansieht, will man sich auch den Deutschen Städtetag ins Boot holen. Der Vorsitzende ist bekanntlich Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD).

Nicht ganz so millionenschwer, aber dennoch kostenintensiv fallen zwei weitere Neuerungen im Schulsystem aus, die Kultusminister Siegfried Schneider (CSU) angekündigt hat. So sollen an den Fachoberschulen in Bayern dreizehnte Klassen eingeführt werden, in denen besonders begabte Schüler mit einer zweiten Fremdsprache die allgemeine Hochschulreife erlangen können. Zudem sollen Hauptschulen und Grundschulen in Ganztagsschulen umgewandelt werden.

"Noch kaltschnäuziger" bei Grund- und Hauptschulen

In München bewerben sich zwölf Haupt- und fünf Grundschulen um den Zuschlag für den Ganztagsbetrieb. Nach Schätzungen des Schulamtes erhalten für den Start im Herbst zunächst vier Hauptschulen den Zuschlag. Wie bei den Gymnasien werden dabei Umbauten notwendig. Kostenpunkt je Schule: mindestens 350 000 Euro. Stadtschulrätin Weiß-Söllner hält dem Freistaat vor, bei den Grund- und Hauptschulen "noch kaltschnäuziger" vorzugehen.

Die Einführung der Ganztagsschulen werde den Kommunen nicht mehr verordnet, sondern als "freiwillige Aufgabe" überlassen. Das Konnexitätsprinzip solle damit ausgehebelt werden. "Im Kultusministerium weiß man aber genau, wie stark die Nachfrage nach Ganztagsschulen und wie groß der Druck der Eltern ist", sagt Weiß-Söllner. Der Schulausschuss des Stadtrats stimmte den Umwandlungen am Mittwoch trotz Kostenrisiko zu - mit dem Auftrag an die Stadtspitze, sich das Geld vom Freistaat auch hier notfalls vor Gericht zu erstreiten.

Im bayerischen Kultusministerium ist laut Sprecherin Lisa Höhenleitner die angekündigte Klage Münchens vor dem Verwaltungsgericht "seit einigen Monaten" bekannt. "Wir sehen dem mit Gelassenheit entgegen, die Gerichte werden entscheiden." Derzeit liefen Verhandlungen zwischen dem Freistaat und den kommunalen Spitzenverbänden über die strittige Schulfinanzierung. Man wolle sich im Interesse aller Beteiligten "auf einer sachlichen Ebene" einigen, so Höhenleitner.

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