München Marathon:"Der tote Punkt kommt. Hundertprozentig."

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Bernadette Pichlmaier, 42, ist zweifache deutsche Meisterin im Marathon - obwohl sie so etwas wie eine Spätzünderin ist: Mit dem Laufen als Leistungssport begann sie erst im Alter von 38 Jahren. Vor dem München Marathon gibt sie Tipps.

Simon Leonhardt

Am Sonntag findet der 26. München Marathon statt. Mit Bernadette Pichlmaier, 42, geht auch die Titelverteidigerin an den Start. Die zweifache deutsche Meisterin im Marathon hat sich daheim in der Hallertau und mit Unterstützung ihres Trainers Francisco Munoz in Freising auf den Wettkampf vorbereitet. Wegen einer Verletzungspause im Mai ist es Pichlmaiers erster Marathonlauf in diesem Jahr.

Bernadette Pichlmaier beim Zieleinlauf während des Marathons in München 2010. (Foto: oh)

sueddeutsche.de: Am Sonntag gehen Sie beim München-Marathon an den Start. Wie laufen die letzten Tage vorher ab?

Bernadette Pichlmaier: Eher ruhig. Ich bin zwar heute in der Früh schon zwölf Kilometer gelaufen und laufe die gleiche Strecke nochmal am Abend, aber ich gehe es jetzt eher locker an.

sueddeutsche.de: Wie ernähren Sie sich ein paar Tage vor dem Wettkampf? Oft hört man von Nudeln...

Pichlmaier: Ja, natürlich viel Kohlenhydrate. Zwei Tage vorher muss man darauf schauen, dass man viel davon zu sich nimmt. Also Nudeln, Kartoffeln, Semmeln und so weiter. Nicht unbedingt einen Schweinebraten. Obwohl, im Grunde genommen weiß jeder selbst, was sein Körper verträgt. Wenn jemand meint, er kann auch einen Schweinebraten essen, soll er das auch tun.

sueddeutsche.de: Ihren ersten Marathon sind Sie 1996 auch hier in München gelaufen. Was war das für eine Erfahrung?

Pichlmaier: Also da war ich körperlich nicht so gut trainiert, sowas mache ich nie mehr wieder! Aber mittlerweile bin ich bestimmt schon 15 weitere Marathons gelaufen.

sueddeutsche.de: Warum haben sie nach der Quälerei im ersten Marathon weitergemacht?

Pichlmaier: Naja, ein Jahr später denkt man sich dann doch wieder, dass man nochmal mitmachen will. Gerade wenn man Bekannte hat, die mitlaufen, will man auch wieder teilnehmen und von Marathon zu Marathon geht es ja auch immer besser.

sueddeutsche.de: Das viele Training geht doch bestimmt extrem auf die Gelenke...

Pichlmaier: Ja, das ist natürlich eine Belastung für den Körper. Im Frühjahr habe ich auch verletzungsbedingt pausieren müssen, da bin ich viel geschwommen oder geradelt. Durch langsames Aufbautraining ist die Belastung aber allgemein nicht so schlimm. Es ist ja nicht so, dass man einen Marathon von heute auf morgen laufen würde und mehr als zwei Marathonläufe macht man ja auch nicht im Jahr.

sueddeutsche.de: Sie sind jetzt 42 Jahre alt, wie lange wollen sie das Laufen noch als Leistungssport betreiben?

Pichlmaier: Auf dem hohen Niveau auf jeden Fall noch nächstes Jahr, wenn es gesundheitlich funktioniert vielleicht noch ein paar Jahre länger. Ich werde aber auch später immer wieder mal einen Marathon laufen, egal wie alt ich dann bin. Da gibt es keine Altersgrenze. Nur auf diesem hohen Niveau gilt: Wenn man zeitlich nicht mehr schneller wird, ist das Alter erreicht, wo man sagen muss, ab jetzt gehe ich es ruhiger an.

sueddeutsche.de: Können Sie vom Laufen eigentlich leben?

Pichlmaier: Nein. Ich habe zwar Sponsoren, die mich in meinem Sport unterstützen, aber leben kann ich davon allein nicht. Höchstens Läuferinnen der absoluten Weltspitze, in Deutschland zum Beispiel Irina Mikitenko oder Sabrina Mockenhaupt, können das während ihrer aktiven Karriere. Leichtathletik wird halt nicht so gut gesponsert wie Fußball, Tennis oder Formel 1.

sueddeutsche.de: Sie sind zweifache Deutsche Marathonmeisterin. Wie pushen Sie sich nach Erfolgen weiterzumachen?

Pichlmaier: Ich denke nicht zu viel über meine Titel nach. Es hat mich riesig gefreut, dass ich solche Erfolge erreichen konnte, gerade weil mir das in meinem "Alter" keiner mehr zugetraut hat. Aber ich denke von Wettkampf zu Wettkampf und jeder Lauf weckt von neuem den Ehrgeiz in mir. Natürlich gibt es auch mal Tiefs, gerade nachdem man mal einen schlechten Wettkampf hatte. Ich weiß zum Beispiel auch nicht, wie das am Sonntag laufen wird. Das ist absolut tagesabhängig.

sueddeutsche.de: München wird Ihr erster Lauf über diese hohe Distanz in diesem Jahr sein. Haben Sie eine gewisse Zeit im Kopf, die Sie erreichen wollen?

Pichlmaier: Diesmal nicht. Durch meine Verletzung konnte ich nur acht Wochen voll trainieren. Eigentlich ist mein Ziel aber immer, meine Bestzeit von 02:35:26 zu knacken. Der München Marathon soll für mich ein Lauf ohne Druck werden. Ich versuche einfach, das Beste aus mir herauszuholen.

sueddeutsche.de: Was ist ihrer Meinung nach das Besondere am München-Marathon?

Pichlmaier: Vor allen Dingen das Umfeld: Man sieht viele bekannte Gesichter und merkt, dass viele Leute genau für diesen Lauf trainiert haben. Es gibt keine Teilnehmer, die angeworben worden sind, um hier den Streckenrekord zu knacken. Dafür gibt's aber auch kein Preisgeld.

sueddeutsche.de: Haben Sie eigentlich so etwas wie einen Lieblingsmarathon?

Pichlmaier: Ich will auf jeden Fall nochmal den Berliner Marathon mitmachen. Ich war damals noch im Hobbybereich, aber es war ein guter Lauf. Da stehen vom Start bis zum Ziel Leute an der Strecke, die einen richtig aufpuschen. Man wird quasi von den Anfeuerungsrufen der Zuschauer über die Strecke getragen.

sueddeutsche.de: Man hört immer von einem toten Punkt, den es während eines Laufes geben soll...

Pichlmaier: Ja, das ist der Punkt, an dem man fast nicht mehr kann. Der tritt meistens so bei Kilometer 35 ein. Viele meinen, man läuft wie in einen Tunnel hinein, in einen Zustand, in dem man nichts mehr mitkriegt, was um einen herum passiert. Aber das ist nicht so: Man nimmt alles auf. Jeden Schrei, jede Art von Anfeuerung, kann aber nicht reagieren, weil man so auf sich eingestellt ist. Gerade Bekannte oder Freunde an der Strecke helfen, trotzdem weiterzulaufen, auch wenn man nicht mehr kann. Man kennt das vielleicht, wenn man selber Sport macht: Wenn jemand vorbeikommt, den man kennt, läuft man automatisch ganz anders und so ist das beim Marathon auch.

sueddeutsche.de: Wenn jemand anfangen will zu laufen, mit dem Ziel einen Marathon zu meistern, was würden Sie ihm raten?

Pichlmaier: Am wichtigsten ist jemand, der einen ein bisschen unterstützt. Ich habe anfangs immer für mich trainiert aber es ist nicht zu vergleichen mit der Situation in einem Verein mit Trainern, die einen auch ins Intervalltraining einführen. Das habe ich vorher nicht gekannt und es hat mir sehr geholfen. In Sportclubs lernt man auch Leute kennen, mit denen man sich verabreden kann. Es gibt immer Tage, an denen man mal keine Lust hat zu trainieren. Wenn man aber schon ein Treffen ausgemacht hat, fällt es einem leichter sich zu überwinden. Außerdem vergeht beim Laufen in der Gruppe die Zeit viel schneller.

sueddeutsche.de: Wie lange vorher sollte man sich auf einen Marathon vorbereiten?

Pichlmaier: Ich würde sagen, ein halbes Jahr. Wichtig wäre einfach, auch mal einen 10-Kilometer-Lauf gemacht zu haben, damit der Trainer weiß, wie er mit einem arbeiten kann. So ist man weder über- noch unterfordert und kann auf den Ergebnissen aufbauen.

sueddeutsche.de: Welche Tipps haben Sie für Leute, die am Sonntag ihren ersten Marathon überhaupt laufen?

Pichlmaier: Ein großer Fehler, den ich auch immer gemacht habe, ist, den Lauf zu schnell anzugehen. Nach dem Motto "was ich hab, das hab ich" zu laufen ist wirklich ein Schuss nach hinten. Das Zeittempo sollte von vorn bis hinten eingeteilt sein, je nachdem, welche Zeit man erreichen will. Jeder hat ein gewisses Ziel. Es gibt spezielle Tabellen auf denen man nachschauen kann, welchen Schnitt man laufen muss, um seine Zeit zu erreichen. Auf keinen Fall sollte man schneller sein, denn der tote Punkt kommt. Hundertprozentig.

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