München - Bangkok:Herr Oppermann plant einen Umzug

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Wie ein Münchner Spezialistenteam in Bangkok den Wechsel vom alten Flughafen Don Muang zum neuen Suvarnabhumi-Airport vorbereitet.

Dominik Hutter

Seit gut zwei Jahren führt Jörg Oppermanns Weg in die Arbeit über verstopfte Hochstraßen, an goldschimmernden Tempeln vorbei und immer durch diese drückende Hitze, die sich bei jedem Schritt ins Freie feucht um den Körper legt. Gearbeitet wird an vielen Orten, im Thai-Airways-Hochhaus etwa, das auf halbem Weg zum Flughafen Don Muang liegt, am Airport selbst oder im Rama Gardens Hotel, in dem die meisten Mitarbeiter von Projektmanager Oppermanns Münchner Team untergebracht sind.

(Foto: Foto: Thai Airways)

Im Mittelpunkt aber steht jene riesige und äußerlich längst fertiggestellte Anlage im Osten Bangkoks, die über nagelneue ebenso gigantische wie leere Straßenviadukte erreichbar ist: Flughafen Suvarnabhumi, der ,,Stolz Thailands'', wie es auf Werbeplakaten heißt. In der Nacht vom 27. auf den 28. September soll der von dem Architekten Helmut Jahn in den Kobrasumpf geklotzte Komplex das Flughafen-Kürzel ,,BKK'' vom bisherigen Inhaber Don Muang übernehmen - und dann den gesamten Flugverkehr der Acht-Millionen-Metropole abwickeln.

Flughafenumzug? Alles in einer Nacht? Das klingt vertraut aus der Münchner Perspektive. Und jene denkwürdige Nacht vom 16. auf den 17. Mai 1992 ist es auch, der Oppermann und seine Kollegen den Aufenthalt in Bangkok verdanken. Damals zog, international mit allergrößtem Interesse beobachtet, der Münchner Flughafen von Riem ins Erdinger Moos - und alles klappte.

Rund 1200 Journalisten aus aller Welt waren angerückt, um den Start der letzten Lufthansa-Boeing in Riem und, spannende Stunden später, den ersten Flug im Moos zu dokumentieren. Dazwischen hatte ein logistisches Kabinettsstückchen stattgefunden, das auch noch den letzten Schreibtischstuhl im richtigen Büro am richtigen Platz positionierte.

Bald kommt Heathrow dran

,,Wann immer seither irgendwo auf der Welt ein Flughafen umzieht oder eröffnet, heißt es: ,Ruf doch mal in München an''', berichtet Peter Trautmann, der Geschäftsführer für Verkehr und Technik bei der Flughafen München GmbH (FMG). Kuala Lumpur, Athen, Pier A in Brüssel, Terminal4 in Madrid, Barcelona, nun eben Bangkok und demnächst Terminal5 in London-Heathrow und der indische Flughafen Hyderabad - das Münchner Beratungsteam um Chef Hans-Joachim Klohs hat jede Menge zu tun. Den Umzug des Flughafens Bangkok planen inzwischen 15 FMG-Mitarbeiter vor Ort. Viele davon, wie Projektleiter Oppermann, waren schon bei früheren Einsätzen dabei.

Im Vergleich zu Bangkok war Riem jedoch ein kleiner Fisch. ,,BKK'', der heute im Norden der Metropole am Chao Phraya gelegene Hauptstadtflughafen, zählt mit fast 39Millionen Passagieren pro Jahr zu den Top20 der weltweiten Airport-Liga, er konkurriert mit Hongkong und Singapur um die Position des attraktivsten Drehkreuzes in Südostasien. 17.000 Flughafen-Mitarbeiter sollen in vier Wochen aus gewohnter Umgebung in Don Muang in nagelneue Büros am neuen Standort wechseln.

Was angesichts der unglaublich nervtötenden Fahrtzeiten auf Bangkoker Straßen für viele auch privat bedeutet: umziehen - sonst wächst der tägliche Arbeitsweg um Stunden an. Allein die Fluggesellschaft Thai Airways will 5000Familien dabei helfen, ein Haus in der Nähe des neuen Flughafens zu finden.

Die Münchner haben sich ausschließlich um den Flughafen selbst gekümmert - und da galt es viele Fragen zu klären: die nach dem besten Wochentag plus Uhrzeit etwa, damit weder in der Luft noch auf dem Boden Stoßverkehr herrscht. Nur etwa fünf Stunden pro Tag ist der Luftverkehr von und nach Bangkok so dünn, dass ein derartiges Unternehmen überhaupt angegangen werden kann, hat Oppermann festgestellt.

In diese Nachtstunden wurde daher die heiße Umzugsphase gelegt. Der ,,Cutover'', also der Termin, von dem an der Bangkoker Airport nicht mehr Don Muang, sondern Suvarnabhumi heißt, ist auf drei Uhr früh festgesetzt. Dann wechseln 180Firmen ihre Adresse. ,,Eine wichtige Frage war auch: Was muss tatsächlich in dieser einen Nacht transportiert werden?'', berichtet Oppermann.

Um die Aktion weitestmöglich zu entzerren, soll deshalb alles, was nicht unbedingt bis zum Betriebsschluss benötigt wird, schon vor dem eigentlichen Termin den Standort wechseln.

Was aber, wenn irgendwas nicht klappt? Diese Frage steht für Oppermann und Co. ebenso auf der Tagesordnung wie die detaillierte Festlegung von Transportrouten und, ganz wichtig, Ladezonen. 600 Lastwagen sollen in jener Nacht das komplette Flughafen-Interieur umziehen - wobei es Diverses zu beachten gibt: Einige der Vorfeldfahrzeuge etwa dürfen wegen ihres enormen Gewichts nicht über die in Bangkok weit verbreiteten Autobahn-Viadukte transportiert werden.

,,Wichtig ist, dass jedes beteiligte Unternehmen seine besten Leute im Einsatz hat'', erklärt Klohs. Ein Problem, das zum Beispiel bei der Airporteröffnung in Kuala Lumpur aufgetreten ist: Lauter wichtige Leute hatten am Tag X frei - da geht dann mehr schief als fürs Gesamtprojekt gut ist. Ohnehin gehe es nie ohne Pannen - man müsse halt vorsorgen.

Sollten zum Beispiel die Anzeigetafeln mit den Fluginfos ausfallen, muss irgendwer ganz schnell auf unverwüstliche Techniken des technologischen Altertums zurückgreifen: Kreidetafeln, auf denen man ganz simpel das Nötigste notiert: Flugnummer, Ziel, Abflugzeit und Gate.

Klar, dass auch Flugzeuge umziehen müssen - jene, die am Abend noch flugplangemäß in Don Muang aufsetzen, ihren nächsten Flug aber bereits ab Suvarnabhumi antreten. Die Flugrouten für die 30-Kilometer-Strecke, die in lediglich 600 Meter Höhe absolviert wird, sind bereits geplant: Jeweils 40 Minuten wird es dauern, bis die leeren Jets am ,,Stolz Thailands'' andocken können - davon sind allerdings nur 13 Minuten reine Flugzeit.

Nach derzeitigem Stand könnten immerhin 70 Maschinen die Mini-Distanz angehen. ,,Vermutlich werden es aber weniger werden, wenn die Fluggesellschaften das Ganze erst einmal durchrechnen'', sagt FMG-Airport-Berater Reinhard Zeiler. Denn statt der spritintensiven Start-und-Landungs-Orgie gibt es auch eine einfachere Lösung: dass die Maschine schon am Vorabend samt Passagieren auf dem offiziell noch nicht eröffneten neuen Airport landet.

Ein Schmuckstück

Der liegt derzeit noch als designerische Verheißung ungenutzt im Kobrasumpf - überragt von seinem 132 Meter hohen Tower, dem höchsten der Welt. 45 Millionen Passagiere soll die 3,5-Milliarden-Dollar-Investition dereinst über zwei Start- und Landebahnen abfertigen können - mit Ausbauoption auf 100 Millionen und vier Bahnen.

Dass das architektonische Schmuckstück tatsächlich am 28. September eröffnet, galt in Thailand lange Zeit eher als unverbindliche Absichtserklärung denn als fester Termin. Schon der Eröffnungstermin im September vergangenen Jahres konnte peinlicherweise nicht eingehalten werden. Stattdessen landeten beim so genannten ,,Technical Opening'' zwei Thai-Jets demonstrativ auf einem nur äußerlich fertiggestellten Airport, der nach den Feierlichkeiten sofort wieder in die Baustellenphase zurückkehrte. Diesmal allerdings, so hofft Trautmann, dürfte es hinhauen - wenn man den Termindruck aufrechterhält.

An den Münchnern jedenfalls soll es nicht liegen, wenn sich etwas verzögert - darauf achten die FMG-Leute mit Argusaugen. Um vor unliebsamen Überraschungen gefeit zu sein, hat die thailändische Flughafenbehörde die Deutschen nicht nur mit der Umzugslogistik, sondern auch mit dem Testbetrieb auf dem neuen Flughafen betraut - auch hier verfügt die FMG über ausreichend Erfahrung aus der Vorbereitungsphase im eigenen Terminal 2.

Durch die Hallen von Bangkok-Suvarnabhumi sind deshalb in den vergangenen Monaten Hunderte Probepassagiere mit zu Testzwecken angeschafften Gepäckstücken geeilt. Pannen, etwa beim Check-In, wurden simuliert, das Gepäcksystem auf Überlast gefahren. ,,Das wurde in Denver vergessen'', berichtet der zuständige Bau-Überwacher Dave McCullagh. Da die Anlage nicht funktionierte, verzögerte sich die Eröffnung um fast eineinhalb Jahre.

Wenn es, und dafür wurden die Münchner ja engagiert, anders läuft als 1993 in Colorados Hauptstadt, muss Oppermann bald wieder auf Wohnungssuche gehen.

© SZ vom 30.08.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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