Moderator Ray Cokes:Wie damals bei MTV, nur live

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Ray Cokes war Kult. Der Brite mit Spitzkinn und Spitzenwitzen gab MTV ein Gesicht, als Musikfernsehen noch etwas bedeutete. Nun kehrt das charmante Plappermaul zurück: Mit seiner Bühnenshow "Ray's Guesthouse" tourt er durch Deutschland, um lokalen Bands eine Plattform zu bieten.

Bernhard Blöchl

An diesem Freitag plaudert Ray Cokes, 54, im Freiheiz und stellt die Bands Django 3000, Emil Bulls, This Is The Arrival und Tim McMillan vor. Davor hat er sich mit uns unterhalten.

Seit 29 Jahren als Moderator im Musikgeschäft: Ray Cokes. (Foto: N/A)

Mister Cokes, wenn Sie unterwegs sind wie in diesen Tagen und in fremden Städten den Hotelfernseher anschalten, vermissen Sie dann MTV?

CNN und MTV waren immer die Sender, die ich mir angeschaut habe - egal, wo ich war. Das vermisse ich schon.

MTV hat sich radikal verändert. Interessiert Sie das überhaupt noch?

Das beschäftigt mich schon noch, ich weiß auch nicht, warum. Das ist wie mit einer Ex-Freundin. Ich habe keine Ahnung, wie es passieren konnte, aber sie haben sich einfach nicht genug um ihre Marke gekümmert! Sie haben den Eigentümern Geld eingebracht, indem sie Klingeltöne verkauften.

Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Ich bin stolz, dass ich Teil von MTV war, als das noch etwas bedeutete. Das war so etwas wie eine Revolution in der Fernseh- und Musikwelt. Diesen Absturz mitzuerleben, machte mich traurig. Erst war ich traurig, dann wurde ich wütend. Zwar wissen wir alle, dass die junge Generation Musikfernsehen nicht braucht. Dafür gibt es YouTube. Aber: Man sollte immer jemanden haben, der einen anleitet, der einen coacht und einem eine Idee davon schenkt, was Musik bedeutet. Der einem erklärt, dass es diese Band nur gibt, weil jene Band existiert hat. Das fehlt mir heutzutage. Ich habe um die Musik im Fernsehen gekämpft in den vergangenen 15 Jahren. Jetzt kämpfe ich nicht mehr. Das ist ein Grund, warum ich das hier mache. Es ist leichter für mich, woanders Geld zu verdienen und etwas zu tun, was ich wirklich mag.

Mit "das hier" meinen Sie Ihre neue Live-Show. Wie ist die Idee dazu entstanden, was können wir erwarten?

Alles begann mit einer Show, die ich beim "Reeperbahn Festival" in Hamburg machte. Irgendwann kam ein Mitarbeiter von Südpolmusic zu mir und sagte: Das ist großartig, wir sollten damit auf Tour gehen. Die Basis der Show ist folgende: Wir verbringen zwei Stunden mit Bands, die unplugged spielen und von mir interviewt werden. Das klingt jetzt ziemlich langweilig. Aber live funktioniert das großartig! Wir haben bereits Shows gemacht in Hamburg und in Holland. Dennoch ist das ein großer Test: Wir machen fünf Shows in Deutschland, und wenn das funktioniert, dann gehen wir europaweit auf Tournee. Die Zuschauer sehen bekannte und neue Bands. Mir geht es darum, mit ihnen zu reden, mit ihnen zu lachen. Und das Publikum soll nicht nur zuschauen, ich werde mit ihnen spielen, sie integrieren. Ich liebe das. 75 Prozent wird improvisiert, darin liegt die Magie. Es wird herzlich, lustig, gemütlich und live!

Eine Ihrer größten Stärken ist Spontaneität. Was fällt Ihnen spontan zu Django 3000 ein?

Sie erinnern mich an die Pogues, an 20 Leute auf der Bühne, die Spaß haben. Sie bringen jeden zum Tanzen! Selbst die schrecklichen Menschen, die immer nur herumstehen und sagen: Kommt schon, unterhaltet mich! Django werden das tun.

Außer Django 3000 sind bei der Show in München This Is The Arrival, Emil Bulls und der Australier Tim McMillan dabei. Haben Sie die Bands selbst ausgewählt?

Ja. Mir waren zwei Dinge wichtig. Erstens: Mich interessiert keinerlei Business-Politik. Ich wähle ausschließlich Bands aus, die ich mag. Ich werde nie zur Marionette der Industrie werden. Keiner glaubt mir, dass ich mir für die Deutschlandtour 300 Bands angehört habe. Hab' ich aber. Ich liebe Indie-Pop und Indie-Rock. Ich kenne mich auch mit Dance und Hip-Hop aus, aber nicht so sehr wie mit Indie.

Wie finden Sie This Is The Arrival?

Ich mag sie sehr! Als ich sie auf YouTube gehört habe, dachte ich mir: Sind die Jungs wirklich aus Deutschland? Mein erster Tipp wären England oder die USA gewesen. Aber nein, oh, wow, sie sind aus München! Ich wollte unbedingt mehr von ihnen hören. Das klingt vielleicht eingebildet. Aber es ist meine Show, ich muss die Bands mögen, die bei mir auftreten. Da kann mir eine Plattenfirma noch so viel Geld bieten, ich würde mich nie beirren lassen.

Kennen Sie die Münchner Szene?

Ich kenne nicht genug Bands. Aber was ich so höre, ist die Szene sehr lebhaft mit viel handgemachter Musik. Bayern soll eine riesige Szene haben. Das erinnert mich an Belgien. Belgien ist ein kleines Land und sollte nicht so viele gute Bands haben - hat es aber. Frankreich ist ein großes Land und hat vielleicht nur drei gute Bands.

Was macht Ray Cokes, wenn er keine Shows moderiert?

Ich ziehe alle zwei Jahre um. Mein oberstes Ziel ist es, Wurzeln zu schlagen. Nur wo? Frankreich vielleicht? Ich bin mir nicht sicher. Ich würde nicht sagen, dass ich eine Midlife-Krise habe, vielleicht ein bisschen davon. Mir ist klar: Seit 29 Jahren genieße ich es, tun zu dürfen, was mir großen Spaß macht. Ich bin nicht berühmt, ich bin nicht reich, aber ich tue immer noch, was ich liebe. Was bringt das schon, ein reicher Mann zu sein, der seinen Job hasst?

Sie sollten ein Buch über Ihre MTV-Zeit schreiben.

Oh ja, das tue ich! Das Problem ist nur, dass ich so faul bin. Mehrere Leute aus Deutschland haben mich angetrieben, so ein Buch zu schreiben. Jetzt tue ich es. Endlich! Sechs Kapitel sind schon fertig, aber bisher nur das leichte Zeug. Das lustige, sexy Zeug.

Interview: Bernhard Blöchl

Ray's Guesthouse", Freitag, 25. Mai, 20 Uhr, Freiheiz, R.-W.-Fassbinder-Platz 1

© SZ vom 17.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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