Mobil in München:Wie kommt man am schnellsten durch die Innenstadt?

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Drei Strecken, drei Verkehrsmittel: Auto, Rad und MVV treten zum Wettrennen an, mitten durch die Stadt. Das Ergebnis überrascht.

B. Lutz-Temsch, M. Ruhland, J. Schmidt

Der Test: An einem sonnigen Mittwochnachmittag will man erst ins CityKino in der Feilitzschstraße / Schwabing, dann ins Eiscafé Venezia am Pariser Platz / Haidhausen und schließlich in den Hirschgarten / Nymphenburg.

STRECKE 1: Vom Hof der SZ am Färbergraben in die Feilitzschstraße. Start: 14.30 Uhr

Der Radler (11 Minuten) Genussfaktor:*** Schwierigkeitsgrad:** Flirtpotenzial:***** Der Start ist alles andere als verheißungsvoll. Die Fußgängerfurt Sendlinger Straße ist eine eingebaute Bremse, als Radler wird man schlichtweg ignoriert. Also im Schritttempo und Slalomkurs durch, der extra abmarkierte Fahrradweg wird hier als eine Art Multifunktional-Streifen begriffen. Der sonnenbebrillte 3er-BMW-Cabriofahrer, Eros-Ramazotti-Verschnitt mit glanzgegeltem, pechschwarzem Haar, sieht das nicht anders. Auf Zuruf reagiert er cool lächelnd.

Am Rindermarkt kurz vor dem Marienplatz greift sich die Polizei ausnahmsweise einmal nicht Radler heraus, sondern Autofahrer, die ihre Karosse am liebsten direkt unter dem Glockenspiel parken möchten. Als Radler ist einem das Nadelöhr verhasst, gegen Touristenhorden, Einkaufstanten und graue Anzugtypen hilft nur aggressives Klingeln. Dafür, kaum zu fassen, ist der rote Radlstreifen in der Residenzstraße frei von Flaniervolk und knipsenden Schräg-nach-oben-zur-Oper-Starrenden.

Wirklich hinderlich ist die rote Ampel an der Abzweigung zur Schellingstraße. Die gilt leider auch für Radler, wohl zum Schutze des Fußvolkes. Als einzig Wartender (Rote Ampeln sind tabu!) kommt man sich saublöd vor. Andererseits bleibt kurz Zeit für angenehme Blickkontakte.

An der Ampel Giselastraße will eine Dame nach links, zeigt das aber nicht an und ist einigermaßen erschrocken, als sie neben sich eines anderen Radlers gewahr wird. Dem Schreck folgt das Umkippen, was aber mit einem beherzten Griff an die Schulter verhindert werden kann. ¸¸Entschuldigen Sie vielmals, ich bin einfach gefahren", sagt sie peinlich berührt. Entschuldigung zurück, und ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. An der Ecke Leopoldstraße/Feilitzschstraße wird"s spannend. Der Rundblick gibt Gewissheit: Erster! Sogar Radlständer gibt"s direkt vor dem Kino. Ankunft 14.41 Uhr.

Das Auto: (12 Minuten) Genussfaktor:*** Schwierigkeitsgrad:* Flirtpotenzial:*** Das Hoftor schwingt auf, an der Ausfahrt schimpft eine Passantin dem Auto hinterher, man muss sich selbt ermahnen: Richtig, die Verkehrsregeln. Also gemächlich nach links abgebogen und über Hotter-, Hacken und Josephspitalstraße zur Sonnenstraße. Dort propft sich der Verkehr vor der Ampel am Stachus noch mehr als sonst, wegen der dortigen Baustelle. Auf die Leopoldstraße geht es dann nicht über die Brienner-, sondern demn Maximiliansplatz und Oskar-von Miller-Ring.

Auf der Leopoldstraße: Boulevard-Atmosphäre, Frauen in Röcken und Männer in Cabrios, die alle keine Arbeit zu haben scheinen, an einem so schönen Frühlingstag. Dann das große Glück: Direkt nach der Ampel an der Münchner Freiheit ist in Fahrtrichtung ein Parkplatz frei - einfacher parken war nie. Auto abgestellt, Ticket gekauft, zum Treffpunkt am Kino gegangen - und obwohl es so reibungslos lief, lehnt da der Radler schon an der Türe, Ankunft: 14:42.

Der MVV (17 Minuten) Genussfaktor:** Schwierigkeitsgrad:* Flirtpotenzial:* Für den U-Bahnfahrer ist das die Paradestrecke: Ohne Umsteigen kann man vom Marienplatz geradewegs bis zur Münchner Freiheit durchfahren. Dort liegt der U-Bahnausgang direkt neben der Feilitzschstraße. Bei diesem ersten Streckenabschnitt müsste der Sieg ohne Probleme einzufahren sein, und mit jedem Schritt zum U-Bahneingang Marienplatz steigt die Vorfreude auf die triumphale Ankunft am Treffpunkt. Doch auf dem Weg in den Untergrund stellt sich Sorge ein: Über die lange Rolltreppe am Marienplatz pfeift der Luftzug eines fahrenden Zuges.

Am Bahnsteig angekommen, bestätigt sich die Befürchtung: Die U-Bahn ist soeben im Dunkel des Tunnels verschwunden. Bis der nächste Zug erscheint, verstreichen qualvolle Minuten, die sich auch mit angestrengtem Studium der Abfahrtszeiten-Tabelle nicht verkürzen lassen. Man ist zur Untätigkeit verdammt und der Zeitverlust ist letztlich nicht mehr einzuholen. Bei der Ankunft an der Münchner Freiheit erwarten einen die gut gelaunten Kollegen. Ankunft: 14.47 Uhr.

STRECKE 2: Münchner Freiheit - Pariser Platz Start: 14.50 Uhr

Ein Ziel, verschiedene Wege. (Foto: Grafik: SZ)

Der Radler (17 Minuten) Genussfaktor:***** Schwierigkeitsgrad:*** Flirtpotenzial:*** Durch das Gewirr von Einbahnstraßen rüber zum Englischen Garten. Warum gibt es hier eigentlich keine Schilder Radfahrer frei? Idylle am Kleinhesseloher See, hier könnte man den Nachmittag wunderbar faul verbringen . . . Vollbremsung. Ein Labrador springt quer über den Weg, das war verdammt knapp. Der Besitzer blafft nicht etwa seinen Hund an. "Müssen´s halt aufpassen!"

Am Monopteros geht´s zu wie an einem Sommer-Sonntagnachmittag. Die Wiese sieht aus wie ein Patchwork-Decke. Okay, das Semester hat ja vor ein paar Wochen angefangen. Und wo könnte man angenehmer Habermas" Moralbewusstsein und kommunikatives Handeln oder die Einführung in die Biochemie lesen? Vorbei am Eisbach, es liegen tatsächlich Nackte rum, trotz bestenfalls 20 Grad. Die naturalistischen Betrachtungen sind spätestens an der Prinzregentenstraße vorbei. Oben, am Friedensengel angelangt, steht einem zum ersten Mal der Schweiß auf der Stirn. Eigentlich müsste man die Drei-Gang-Stadtgurke hier gegen einen Jaguar oder ein Porsche-Cabrio tauschen.

In der Maria-Theresia-Straße residieren die Reichen in runderneuerten Villen - zum Radeln (kein Verkehr!) und Schauen in jedem Fall ein Genuss. Vorbei am Maximilianeum, rüber zum Wiener Platz. Es läuft wie geschmiert, Ampeln schalten genau rechtzeitig auf Grün. Steinstraße, Sedanstraße, Pariser Platz - es ist wie im historischen Kern einer Kleinstadt, man fühlt sich einfach wohl in Haidhausen. Café Venezia, die Kollegen sind noch nicht da. Ein Eis zur Belohnung! Ankunft 15.07 Uhr.

Das Auto: (19 Minuten) Genussfaktor:** Schwierigkeitsgrad:***** Flirtpotenzial:*** Um keine wertvollen Minuten oder unser Leben bei einem Wendemanöver zu verlieren, wird nicht der kürzeste, aber der einfachere Weg weiter stadtauswärts gewählt. Über die Ungerer- geht es in die Dietlindentraße, dort bloß nicht über die Kennedybrücke, wo man im Stau Jahre älter werden kann, sondern weiter über Iffland- und Widenmayerstraße entlang der Isar, dann über die Maximilianbrücke und am Landtag vorbei. Dann: Haidhausen: Wie viele Jahre muss man in München wohnen, um nicht mehr zusammen zu zucken, wenn man hört, man muss nach Haidhausen? Mehr Einbahnstraße war nie, weniger Parkplätze auch nicht. Nirgendwohin sonst muss man seine Strecke so gut überlegen.

Es geht los: An der Ampel am Max-Weber-Platz bildet sich eine kleine Autoperlenkette in der Rechtsbbiegerspur, folglich versucht man geradeaus sein Glück, biegt erst in der Flurstraße nach rechts ab, schlägt einen kleinen Haken über die Spicheren- in die Breisacherstraße und landet schließlich auf dem Pariser Platz, wo exakt genau gegenüber der Eisdiele ein wunderbarer Parkplatz frei ist - hat gerade noch jemand über Haidhausen geschimpft? Der Radler allerdings löffelt bereits sein Eis, Ankunft: 15.09 Uhr.

Der MVV (26 Minuten) Genussfaktor:** Schwierigkeitsgrad:** Flirtpotenzial:* Für diese Fahrt ist strategisches Mitdenken gefragt: Unbedingt sollte man an der Münchner Freiheit in Fahrtrichtung vorne in die U-Bahn einsteigen, um am Odeonsplatz möglichst schnell zur U 5 zu gelangen. Der Plan geht auf: Noch vor den umsteigenden Massen gelangt man am Odeonsplatz zur Rolltreppe und lässt dieses Nadelöhr hinter sich. Auch die Anschlussbahn ist zügig da, und nach weiteren vier Minuten Fahrtzeit kommt man mit aufkeimender Hoffnung am Ostbahnhof an.

Nach der Dunkelheit im Untergrund schießen beim Anblick der Sonne die Glückshormone durch den Körper, so dass alle Mitmenschen mit einem strahlenden Lächeln begrüßt werden. "Warum so hurtig, Herr Professor?", tönt es da plötzlich von einer Bank, auf der ein Mann mit einem großen Vorrat von Bierflaschen sitzt. So hatte man sich seinen Frühlingsflirt nicht vorgestellt, doch bei so schönem Wetter kann man nicht anders als herzlich zurückzugrüßen.

Zeit für einen Plausch bleibt aber keine, denn die Weißenburgerstraße liegt vor einem, und dahinter taucht schon der Pariser Platz auf. Nach 26 Minuten Fahrt ist man voll in der Zeit, genauso, wie es die MVV-Fahrtauskunft im Internet vorausgesagt hatte. Doch beim Anblick des Pariser Platzes schwindet die Siegeshoffnung erneut: Die anderen haben es sich schon bequem gemacht, Ankunft: 15.16 Uhr.

STRECKE 3: Pariser Platz - Hirschgarten - einmal quer durch die Stadt Start: 15.24 Uhr

Der Radler (27 Minuten) Genussfaktor:* Schwierigkeitsgrad:**** Flirtpotenzial:** Konfusion im Kopf. Ist es besser über die Oper zu fahren und dann mitten durchs Zentrum zum Lenbachplatz? Es soll aber schnell gehen. Also lieber zur Rosenheimer Straße, am Gasteig vorbei über die Ludwigsbrücke und links ein Stück am Isarkanal entlang unter herrlich ausladenden Kastanien. Fünf Burschen blockieren breitbeinig den Radlweg, registrieren den Rest der Welt nicht. Die Fraunhofer Straße ist kein Spaß, schon gar nicht, wenn einen die Tram überholt und die Außenspiegel geparkter Autos so nahe kommen, dass man sich glatt die Frisur richten kann. Wenn jetzt einer aussteigt . . .

Unteranger, Oberanger, rechts rein in die Sonnenstraße, früher (als es noch keinen Radlweg gab) ein echtes Abenteuer. Adrenalinstöße sind dem Radler immer noch sicher, weil einem hier permanent Fußgänger und Autos in die Quere kommen. Am Karlsplatz ist Baustelle, das heißt: Absteigen und im Gänsemarsch mit einer Schar Fußgänger über die Kreuzung. Das kostet Zeit. Dafür geht´s nach der Prielmayerstraße (der Schlenker rechts, links, rechts am Hauptbahnhof vorbei, nervt) endlich zügig voran. Ein durchgängiger Radlweg entlang der Arnulfstraße bis zum Hirschgarten!

Nach einem kurzen Schreck beim Augustiner Bräu - vier Radlerinnen fahren ratschend gegen die Richtung und rammen einen um ein Haar - der vorgezogene Triumph: An der Donnersberger Brücke staut sich der Verkehr, mittendrin die Kollegin im Auto. Das gibt den entscheidenden Vorsprung. Am Eingang Hirschgarten wartet noch niemand, außer einem perfekten Radlparkplatz. Ankunft: 15.51 Uhr.

Das Auto: (29 Minuten) Genussfaktor:* Schwierigkeitsgrad:***** Flirtpotenzial:* Bei einer Fahrt wie dieser - quer durch die Stadt - lohnt es sich, kurz über die Strecke nachzudenken und im Geiste die möglichen Hindernisse durchzugehen - und derer lauern viele. Deswegen wird auch hier nicht der kürzeste Weg, gewählt, sondern ein Zick-zack-Kurs.

Über die Sedan- und Metz- geht es in die Wörthstraße, dann holpert es sich über das Landtags-Kopfsteinpflaster wieder zur Isar hinunter, ein Stück die Maximilianstraße entlang und in den Karl-Scharnagl-Ring. Von dort in die Türken- und Theresienstraße - dieser Umweg empfiehlt sich, um der Stachus-Baustelle auszuweichen. Es stopselt zwar auch hier ein bisschen, ist aber mit Sicherheit schneller.

Auf der weiteren Route geht es flott voran - weil viel auf Nebenstraßen gefahren wird: Schleißheimer-, Nymphenburger-, Sand-, Karl-, Spaten-, Wrede-, Arnulfstraße, und hier kommt, was kommen muss: Trotz der Schleichwege und Stauumfahrungen bleiben wir in dem Blechpfropfen vor der Donnersbergerbrücke hängen - und dort zieht prompt der klingelnde Radler vorbei.

Nicht für lange allerdings, denn nach ein paar Minuten fließt der Verkehr wieder, und ein letztes Mal wacht der Parkplatzengel über uns: Über die Wotanstraße geht es in die Hirschgartenallee, wo direkt vorm Haupteingang ein schattiges Parkplätzchen auf uns wartet - zum dritten Mal an diesem Tag. Doch das Hase-und-Igel-Syndrom setzt sich fort: Der Radler lehnt am Eingang. Ankunft: 15.53 Uhr.

Der MVV (42 Minuten) Genussfaktor:**** Schwierigkeitsgrad:*** Flirtpotenzial:*** Das ist die Gelegenheit für die Rettung der MVV-Ehre: Auf der S-Bahn-Stammstrecke vom Ostbahnhof nach Laim kann nichts schief gehen, es ist gewissermaßen die MVV-Autobahn. Während man selber sogar ein wenig Zeitung lesen kann, muss sich der Radler auf dem langen Weg bis zum Hirschgarten abstrampeln. Bei der Hitze muss er irgendwann müde werden, und so sollte es zumindest diesmal möglich sein, ihn zu überholen.

Doch Vorsicht! In Laim heißt es: Orientierung bewahren. Beim Umsteigen von der S-Bahn in den Bus muss man zunächst durch eine lange Unterführung und über die große Fürstenrieder Straße gehen. Von dem Bus ist zunächst nichts zu sehen, doch in der wärmenden Sonne lässt es sich genüsslich warten. Das scheinen sich auch die anderen Fahrgäste zu denken, und es entwickelt sich eine fröhliche Unterhaltung unter allen Sonnenbadenden. Nach kurzer Busfahrt und einem Spaziergang durch die schattige Hirschgartenallee glitzern jedoch bereits das Fahrrad und das Auto der Kollegen am Eingang zum Biergarten.

Doch dem MVV wird man dennoch nie abschwören, denn bei welch´ anderem Verkehrsmittel kann man so genüsslich lesen und mit Fahrgästen plaudern. Ankunft: 16.06 Uhr.

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