Microsoft in München:Neue Zentrale, neues Arbeiten

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Microsoft wird nach seinem Umzug nach München-Schwabing nicht mehr jedem der 1800 Angestellten einen eigenen Schreibtisch zur Verfügung stellen. Die Mitarbeiter sehen die Pläne für einen "Begegnungskomplex" eher skeptisch.

Von Katja Riedel und Alexandra Vettori

Es sieht nach einem eher größeren architektonischen Wurf aus, zu dem der Elektronikkonzern Microsoft und der Immobilieninvestor Argenta in der Parkstadt Schwabing ausholen. Noch wird an den Details gefeilt, aber das äußere Gesicht der neuen Deutschland-Zentrale hat bereits eine charakteristische Form gefunden.

Wie bereits am Donnerstag durchgesickert war, verlegt der Konzern seine Deutschlandzentrale 2016 nach 20 Jahren von Unterschleißheim nach München, in das Wohn- und Geschäftsviertel Parkstadt Schwabing. Und das, obwohl er in München mehr Gewerbesteuern zahlen muss; hier liegt der Hebesatz bei 490, in Unterschleißheim bei 350 Prozent. "Das Thema Gewerbesteuern stand nicht im Fokus unserer Entscheidungsfindung", sagt Anja Krusel, in der Geschäftsleitung von Microsoft Deutschland zuständig für Finanzen und Liegenschaften.

Krusel selbst hat die Standortsuche betreut. Im Mittelpunkt stand dabei etwas anderes, sagt auch Deutschlandchef Christian Illek: "Der traditionelle Arbeitsplatz, wie wir ihn kennen, hat sich dramatisch verändert. Die Anwesenheit im Büro verliert an Bedeutung", sagt Illek.

Seit längerem hat Microsoft als Parole ausgegeben, dass jeder Mitarbeiter selbst entscheiden solle, ob und wann er aus dem Büro, wann von unterwegs und wann von seinem Schreibtisch zu Hause aus arbeiten will. Offiziell nutzen laut Betriebsratsvorsitzendem Helmut Dobler bisher nur 40 bis 50 Mitarbeiter von Microsoft Deutschland einen Heimarbeitsplatz - von 1800 in Unterschleißheim und insgesamt 2700 an allen deutschen Standorten.

Das Konzept der "Neuen Arbeit", das Microsoft in der neuen Zentrale plant, werde von der Belegschaft noch mit gemischten Gefühlen beobachtet: "Es wird kritisch gesehen, weil noch nicht so klar ist, was das für den Einzelnen heißt", sagt Dobler. Zwar freue man sich über das neue, moderne Gebäude. Klar sei aber, dass künftig nicht mehr für jeden ein individueller Schreibtisch in der neuen Zentrale aufgebaut werde, weil mehr Mitarbeiter unterwegs sein oder eben von Zuhause aus arbeiten sollten.

"Wir nehmen alle 1800 Mitarbeiter aus Unterschleißheim mit", beschwichtigt Deutschlandchef Illek. Die Führungsmannschaft macht jedoch kein Hehl daraus, dass sie die neue Deutschlandzentrale weniger als Büro- denn als Begegnungskomplex sieht, der für Besprechungen und Termine mit Kunden genutzt werden soll. Projektarbeit, auch an unterschiedlichen Standorten, verlange ohnehin mehr Räume, in denen Teams mal zusammensitzen können, dann aber auch wieder auseinandergehen und sich neu formieren. Das neue Haus soll für all diese Situationen unterschiedliche Räume bieten - mit Telefonzellen für vertrauliche Gespräche und auch einigen normalen Rechner-Arbeitsplätzen, vor allem aber mit gemeinschaftlich nutzbaren Bereichen.

All diese Ziele ließen sich in einem modernen Neubau, der zudem wesentlich energieeffizienter sein soll als das bisherige Quartier, viel einfacher umsetzen, begründet Anja Krusel die Entscheidung. Hinzu sei der Wunsch gekommen, sichtbarer zu sein, an einem urbaneren Standort. Zwar liegt dieser neue Standort auch eher in Stadtrandlage und direkt an der Autobahn. Zu den Nachbarn gehören aber unter anderem Siemens Fujitsu, MAN und Amazon. Dies habe eine entscheidende Rolle gespielt, so Krusel - auch, weil man darauf angewiesen sei, dass die sogenannte Generation Y, die nach 1980 Geborenen, sich für Microsoft als potenzieller Arbeitgeber interessieren.

Dieser Generation attestieren Arbeitsforscher, dass sie weniger nach klassischen Kategorien wie Verdienstmöglichkeiten und Karrierechancen entscheidet, sondern nach den Werten, für die ihr Unternehmen steht. Nicht nur Microsoft, nahezu alle Personalentwickler großer wie mittlerer Firmen treibt derzeit die Frage um, wie sie bei dieser neuen Generation künftiger Fachkräfte punkten können. Und das zwingt die Unternehmen zu Veränderungen. Unter anderem suchen diese Nachwuchskräfte städtische Lebensräume, in denen sich Privates und Berufliches miteinander verbinden lassen. Dies sei in der Parkstadt Schwabing leichter zu realisieren, sagte Christian Illek am Freitag.

Wie viel der Umzug kostet, will Microsoft nicht beziffern. Da man selbst Mieter sei, komme der Umzug das Unternehmen - gesparte Energiekosten eingerechnet - aber wohl günstiger als ein Umbau in Unterschleißheim, bei dem man mehr Kosten hätte selbst tragen müssen. Keine Rolle gespielt habe indes der Kontakt zur Münchner Stadtspitze, so Illek. Das Verhältnis sei "neutral", wenn auch immer noch ein wenig getrübt durch die 2003 gefasste Entscheidung der Landeshauptstadt, statt mit Microsoft künftig mit Linux-Rechnern zu arbeiten. Wirtschaftsreferent Dieter Reiter (SPD) sei an den Gesprächen nicht beteiligt gewesen, betonte Illek.

© SZ vom 09.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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