Medienspektakel:"Schalten wir direkt zu den Gläubigen . . ."

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Emotionale Dichter, vertauschte Mikrofone und eine Tendenz zu Mehlspeisen: die Höhepunkte im deutschen Pope-TV

Senta Krasser

"Und nun schalten wir direkt zu den Gläubigen" - das dürfte der meistgesprochene Reporter-Satz gewesen sein, seit das päpstliche Flugzeug im Erdinger Moos landete. Man kann wirklich nicht behaupten, das Fernsehen hätte die zigtausend Pilger zu kurz kommen lassen. Die Standardfrage: "Wie war's mit dem Papst?" In München, Altötting und Regensburg variierten die Antworten von "beeindruckend" über "unbeschreiblich" bis "überwältigend". Selbst Michael Mandlik, als Vatikan-Korrespondent des Bayerischen Rundfunks (BR) den Umgang mit dem Pontifex gewohnt, sagte einmal: "Wir erleben das mit einer starken emotionalen Dichte."

Immer im Fokus: der Papst in Bayern (Foto: Foto: ddp)

Dicht ist das Pensum der Papstberichterstatter. Man weiß nicht, woher sie die Kraft nehmen, tagelang nonstop jede Regung und Bewegung von Benedikt XVI. zu kommentieren - aus der Stille jedenfalls nicht. Die Stunden der Besinnung sind auf dem Bildschirm rar. Stattdessen wird meist besinnungslos zerredet, was sich von selbst erklärt. "Jetzt schüttelt der Papst Hände", meinte Peter Mezger im BR immer wieder sagen zu müssen.

Unterscheidung nur durchs Logo

Der Hände schüttelnde Papst auf zig Kanälen. Das Bild unterschied sich nur durch das Logo des jeweiligen Senders. Beim Nachrichtenkanal n-tv konnte man sich am Ankunftstag offenbar nicht einigen, ob der Papst Bayern besucht oder Deutschland. Sicherheitshalber wurden beide Versionen eingeblendet: einmal links oben, einmal als Bauchbinde.

Bayern, das ist natürlich Hoheitsgebiet des Bayerischen Rundfunks, der zum Benediktinischen Rundfunk wurde. 70 Stunden Pope-TV, davon allein 46 Stunden live im Dritten Programm, wurden von den Bayern produziert und aus vier Millionen Euro Gebühren bezahlt. Das Geld wurde durchaus kostenbewusst investiert: Am Flughafen reportierte Stefan Scheider auch fürs Erste und tauschte dafür das BR-Mikrofon gegen die ARD-Eins. Schon Tage zuvor hatte der BR bis zum Tag X heruntergezählt und die Papst-Stationen vorgestellt. Aus Altötting moderierte Carolin Reiber und spekulierte: "Der Papst tendiert zu Mehlspeisen." Sie sollte recht behalten. Der spirituelle und wohl auch kulinarische Höhepunkt lag am Montag in Altötting, wo ZDF-Moderator Peter Frey informierte: "Es gibt Braten und Apfelstrudel - das wird dem Papst sicher schmecken."

"Wir sind ein Teil dieses Medienhypes"

Dann machte der Papst Siesta - ZDF und BR sendeten weiter. Stets wurde betont, wie fit das 79-jährige Kirchenoberhaupt sei. Die Presse in Italien hatte ja anderes berichtet. Südlich der Alpen waren die immer dunkleren Schatten unter Benedikts Augen offenbar deutlicher zu sehen. Während der Heilige Vater schlief, eilten Reporter voraus nach Marktl am Inn zum Geburtshaus des Joseph Ratzinger. Ulrich Berls, zugleich Landesstudioleiter des ZDF, sollte für den Kollegen Frey das kursierende Spottwort "Media Marktl" kommentieren - und tat sich schwer: "Was soll man da sagen als Fernsehmann? Wir sind ein Teil dieses Medienhypes." Stephan Semmelmayr holte den geschäftstüchtigen Bürgermeister von Marktl vor die BR-Kamera. "Dass Sie was draus gemacht, ist ja für einen Politiker legitim", resümierte Semmelmayr eilfertig. Er hielt den Anlass offenbar nicht passend für kritische Töne.

Der ein oder andere Protestant mag kritisieren, wie dicht das Fernsehen über den obersten Katholiken berichtet. Kapuzinerbruder Georg Greimel sagte im ZDF, der evangelischen Kirche fehle eben die Wärme der Katholiken. Ein evangelischer Pfarrer stand ihm gegenüber - Zeit zu antworten bekam er nicht. "Beenden wir an dieser Stelle den kleinen ökumenischen Diskurs", unterbrach ZDF-Mann Frey: "Schalten wir zu den Gläubigen."

© SZ vom 13.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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