Martin-Margiela-Schau:Aus dem Labor des unbekannten Meisters

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Champagner, Konfetti und Kunst: Die Eröffnung der Martin-Margiela-Schau im Haus der Kunst gerät zum Spektakel.

Christian Mayer

Die Maximilianstraße ist bekanntermaßen ein Ort des Staatstheaters und des Markenfetischismus, Mythos und Klischee zugleich, und somit die richtige Adresse für die Erkundung des belgischen Designers Martin Margiela, den es eigentlich gar nicht gibt.

Foto vor den weißen Kitteln: Auf der Eröffnung der Martin-Margiela-Schau. (Foto: Foto: Rumpf)

München feiert einen Mann, der sich seit Jahrzehnten der Mediengesellschaft verweigert. Bevor aber die große Margiela-Show eröffnet wird (siehe SZ Wochenende), trifft man sich, sofern man zu den Eingeweihten oder zu den treuen Kunden gehört, in der Boutique in der Maximilianstraße.

Vor die Kunst haben die Götter in München den Champagner gesetzt, der gerade in Krisenzeiten reichlich fließen muss. Zwischen verknoteten Schuhen und feinen Stoffen fliegen weiße Luftballons, auf dem Boden liegt Konfetti, und die Abgesandten des in Paris ansässigen Labels tragen weiße Kittel - Mode scheint bei Margiela aus einem Geheimlabor zu kommen.

Die Versuchsreihen sind ebenso anmutig wie praktisch: Das findet auch die Schauspielerin Marie Bäumer, die aus Werbezwecken in ein graues Designerkleid des Meisters gesteckt wurde. "Tolles Ding", sagt Bäumer etwas respektlos, "damit könnte ich gut auf Weltreise gehen - es wäre als Schlafsack und Zelt gleichermaßen tauglich und knittert nie!"

Weiße Fahrraddroschken befördern die hochhackig-hochgradig aufgekratzten Gäste durch den Schneeregen ein paar hundert Meter weiter, ins Haus der Kunst. Was sich dort an diesem Abend abspielt, ist ohne Beispiel, selbst für den hedonistischen Museumsbetrieb unter Direktor Chris Dercon, der aus jeder Eröffnung eine Party macht: 3000 meist junge Leute haben sich über das ganze Haus verstreut, um der Anbetung eines Designers beizuwohnen, der seine Models gerne mal mit hauchzarten Nylonstrümpfen unkenntlich macht oder Mäntel mit vier Ärmeln entwirft.

Chris Dercon weist auf die surrealistischen Vorbilder des Künstlers hin, bevor dann die Bühne frei ist - oben in den Ausstellungsräumen drängelt sich das Publikum in einem Labyrinth aus grauen Stellwänden und weißen Anrichten. Silberne Puppen und Pappfiguren zeigen die Entwürfe aus der Werkstatt der Maison Martin Margiela. Die MMM-Gala endet bei Bier und Wein im Westflügel, über die Lautsprecher läuft Velvet Underground.

Eine Gruppe von Gymnasiastinnen aus Rohr in Niederbayern bekennt sich zur Margiela-Methode: Die Mädchen tanzen in selbstgeklebten Recycling-Kleidern und freuen sich dabei ganz unschnöselig. Auch das wandelnde Weltreisekleid der schönen Marie Bäumer ist noch da, die dazu altgediente Vintage-Stiefel trägt. Kein Problem! Auf einmal scheint die Maximilianstraße ganz weit weg.

© SZ vom 21.03.2009/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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