Marc Rothemund im Gespräch:"Ich will überrascht werden"

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Regisseur Marc Rothemund über seine Arbeit als Jurypräsident des 28. Internationalen Hochschulfilmfestivals München.

Angelika Irgens-Defregger

Oscar-Preisträger und Meister-Regisseure fangen auch irgendwann einmal an - einige davon in München. Beim 28. Internationalen Festival der Filmhochschulen München werden ab Sonntag, 16. November, deshalb wieder die 44 besten Studentenfilme des Jahres aus 23 Ländern gezeigt. Jurypräsident ist diesmal Regisseur Marc Rothemund ("Das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer Großstädter zur Paarungszeit", "Sophie Scholl - Die letzten Tage"). Im Interview erklärt der gebürtige Münchner und Wahlberliner, welche Anforderungen er an die Nachwuchsfilmemacher hat.

Regisseur Marc Rothemund bei der Verleihung des Bernhard-Wicki-Preises auf dem Münchner Filmfest, 2005. (Foto: Foto: Hess)

sueddeutsche.de: Sie sind Jurypräsident beim Münchner Filmschulfest. Wie kam es dazu?

Marc Rothemund: Ich glaube, man hat mich ausgewählt, weil ich als Autodidakt, der den steinigen Weg vom Fahrer bis zum Regisseur gegangen ist, also nie auf einer Filmhochschule war, vielleicht einen anderen Blickwinkel habe.

sueddeutsche.de: Erinnern Sie sich noch an die Präsentation Ihres ersten Films?

Rothemund: Die Premiere meines ersten Kinofilms, der Komödie "Das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer Großstädter zur Paarungszeit", fand im Kurhaus Baden-Baden statt. Ich war so nervös, dass ich nach einer kurzen Einführung schnell den großen Saal verlassen habe und in die nächste Kneipe geflüchtet bin. Dort habe ich mir ein Bier zur Beruhigung genehmigt und gemerkt, dass ich direkten Blickkontakt auf den Eingang des Kurhauses hatte. Alle, die dort herauskamen, habe ich mit meinem Film in Verbindung gebracht. Da bin ich, wie wohl jeder Regisseur, tausend Tode gestorben.

sueddeutsche.de: Das Festival eröffnet mit dem prämierten Dokumentarfilm "Comeback" von HFF- Student Maximilian Plettau über einen ehemaligen Münchner Boxer. Wie lässt sich dieser Boom des Dokumentarfilms im Kino erklären?

Rothemund: Das hat wohl was mit Globalisierung zu tun. Man schaut jetzt viel eher über den eigenen Tellerrand. Man interessiert sich für die große Welt und unbekannte Länder. Ich bin ein großer Fan des Dokumentarfilms, zum Beispiel von "Lost children", "Working mens death" oder "Darwin`s nightmare". Ein toller Film ist auch "Etre et avoir" über eine französische Landschule.

sueddeutsche.de: Wo steht Ihrer Meinung nach das junge deutsche Kino im internationalen Vergleich?

Rothemund: Die Welt beobachtet verwundert den deutschen Film und die Entwicklung in den letzten 40 Jahren. Unter Adenauer hieß es: keine Experimente. Da waren Heimatfilme wie "Grün ist die Heide" angesagt. In den 60er Jahren kam mit Fassbinder und Wenders der Autorenfilm, der vorwiegend vom Ausland wahrgenommen wurde. Die nächste Generation setzte auf Komödien, die immer mutiger wurden. Und jetzt ist die zweite Nachkriegsgeneration an der Reihe mit beispielsweise Caroline Link, Wolfgang Becker, der Berliner Schule und Tom Tykwer. Das Spektrum von der Komödie bis zum Drama ist so reichhaltig geworden. Das ist schon sehr beeindruckend.

sueddeutsche.de: Was ist für Sie ein guter Film?

Rothemund: Über Geschmack lässt sich schlecht streiten. Mit Sicherheit habe ich in Bezug auf das Festival eine gewisse Liste vor Augen: Das ist zuerst mal das Drehbuch. Wie ist die Geschichte erzählt? Wie ist die Dramaturgie? Packt sie, überrascht sie, fesselt sie mich? Wie ist die Inszenierung? Glaub ich den Schauspielern? Tauche ich in die Geschichte ein? Vergesse ich dabei die Kamera? Und zum Schluss ist da noch die Frage der Moral: Wie sehr regt der Film mich hinterher zum Nachdenken an? Last but not least die Originalität.

sueddeutsche.de: Was wünschen Sie den Nachwuchsfilmemachern?

Rothemund: Kraft, Leidenschaft und Glück - das sind wohl die wichtigsten Wünsche, die man einem jungen Filmemacher mitgeben kann, vorausgesetzt, dass er sich mit seinem Handwerk beschäftigt.

sueddeutsche.de: Was erwarten Sie sich von den Filmhochschulstudenten auf der großen Leinwand?

Rothemund: Hier zitiere ich Billy Wilder: "Du sollst nicht langweilen." Ich will überrascht werden und mich nicht langweilen. Das ist das Wichtigste.

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