Manipulierte Abrechnungen:Betrugsvorwürfe gegen TÜV Süd

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Ein internes Schreiben bezichtigt die Firma, sich Fördergelder zu erschleichen. Das Unternehmen weist die Anschuldigungen zurück - nun prüft die Staatsanwaltschaft.

Stephan Handel

Der TÜV Süd muss sich mit massiven Vorwürfen des Subventionsbetrugs auseinandersetzen: Ein internes Papier eines Mitarbeiters, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, listet detailliert Praktiken angeblich unkorrekter Abrechnung bei Seminaren auf, die mit Geldern aus dem Europäischen Sozialfonds gefördert werden. Das Unternehmen weist die Anschuldigungen zurück.

Der TÜV Süd steht im Verdacht des Subventionsbetrugs. (Foto: Foto: dpa)

Das zwölfseitige Papier ist mit "Streng vertraulich!" überschrieben und an die Geschäftsführung adressiert. Gleich im ersten Absatz ist von "Subventionsbetrug durch die TÜV Süd Akademie GmbH" die Rede. Diese Gesellschaft ist ein Tochterunternehmen des Konzerns, das berufliche Weiterbildung anbietet. Seit 2003 sind dabei auch Seminare im Programm, die aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert werden. Und bei der Abrechnung dieser Zuschüsse soll, so das Papier, mit System manipuliert worden sein.

So seien in den Zuschussanträgen Mitarbeiter als mit dem jeweiligen Projekt Befasste aufgeführt, die in Wirklichkeit keine Minute dafür gearbeitet hätten. Der Verfasser des Papiers schreibt: "Beispielsweise bin ich selbst (...) mit jeweils 8 Wochenstunden bis Oktober 2006 erfasst, habe dort aber nicht eine einzige Minute meiner Arbeitszeit investiert."

Weitere Vorwürfe betreffen die Teilnehmer der Seminare - diese würden aufgefordert, für die gesamte Kursdauer zu unterschreiben, auch wenn klar sei, dass sie nicht an allen Tagen teilnehmen können. Zum dritten würden Rechnungen "umgewidmet": Wenn bei einem Projekt die veranschlagte Summe für Werbung nicht ausgegeben werde, werde das Geld für anderes verwendet, über eine manipulierte Rechnung jedoch dem ursprünglichen Projekt zugeschrieben.

Das Papier zitiert einen Mitarbeiter: "Das macht Frau (...), die kommt zu uns und sagt, sie braucht eine aktuelle Rechnung für z.B. München für den Zeitraum XY. Die geben wir ihr dann und sehen diese nie wieder." Der Verfasser schätzt die durch diese Methoden zu Unrecht kassierten Subventionen für das Jahr 2004 auf rund 485000 Euro, für 2005 auf 590000 Euro: "Das ganze als Abrechnungsirrtum hinzustellen, wird uns bei einer eingehenden Überprüfung aufgrund der dargestellten Sachlage kaum gelingen."

"Durchgeknallt"

Die TÜV Süd Akademie weist die Vorwürfe auf das Schärfste zurück: Der Mitarbeiter sei 2durchgeknallt2, sagt Geschäftsführer Kai Probst, und habe das ESF-Prinzip nicht begriffen. Die geleisteten Arbeitszeiten auf verschiedene Mitarbeiter zu verteilen, sei "normales Geschäft" und absolut üblich.

Allerdings ging das Papier auch an das Bayerische Arbeitsministerium, das die ESF-Gelder verteilt - das Ministerium setzte gestern sofort zwei Prüfer in Marsch, die unangemeldet beim TÜV recherchierten. Die Praxis der Arbeitszeit-Verteilung, sei "absolut inakzeptabel", sagte eine Ministeriumssprecherin. Am Montag soll ein Gespräch zwischen Akademie-Geschäftsführung und Ministerium stattfinden. Die Sprecherin betonte jedoch, dass es in der Vergangenheit keinerlei Grund für Beanstandungen gegeben habe.

Das Papier ging unter anderem an das Ministerium, an den Vorstandsvorsitzenden des TÜV - und an die Staatsanwaltschaft. Deren Sprecher Anton Winkler bestätigt den Eingang, erklärt aber, die Vorwürfe würden derzeit geprüft, erst dann könne entschieden werden, ob ein Verfahren eingeleitet werde. Geschäftsführer Kai Probst dazu: "Wenn der Staatsanwalt meint, da sei etwas nicht in Ordnung, werden wir selbstverständlich weiteren Prüfungen zustimmen. Ich kann mir das aber nicht vorstellen."

© SZ vom 21.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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