Lohnwucher:Zoll-Razzia bei Hochtief

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Hungerlöhne auf der Münchenstift-Baustelle: Der Konzern hat offenbar nicht nur zugeschaut. Fahnder ermitteln wegen des Verdachts auf Beihilfe. Hochtief weist die Vorwürfe zurück.

Bernd Kastner

Staatsanwaltschaft und Zoll haben am Donnerstag Büros von Hochtief durchsucht. Gegen den Baukonzern besteht der Verdacht auf Beihilfe zum Lohnwucher. Die Aktion steht im Zusammenhang mit den auf einer Baustelle von Münchenstift aufgedeckten Dumpinglöhnen. Sollte sich der Verdacht erhärten, droht Hochtief der Ausschluss von öffentlichen Bauvergaben.

Es ist früh am Vormittag, als die Fahnder in der Münchner Hochtief-Zentrale in der Hansastraße klingeln, einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss in der Tasche. Neben dem Verdacht auf Beihilfe zum Wucher vermute man auch einen Verstoß gegen das Arbeitnehmerentsendegesetz, sagte der Leiter der Münchner Staatsanwaltschaft, Christian Schmidt-Sommerfeld, der sich weiter dazu nicht äußern wollte. Beihilfe zum Lohnwucher bedeute nicht nur das Wissen um die Hungerlöhne: "Wenn man solches Treiben eines Subunternehmers fördert oder unterstützt, dann kann Beihilfe vorliegen", so der Chefermittler.

Wie von der SZ berichtet, waren Fahnder der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Münchner Hauptzollamts Anfang März auf einer Münchenstift-Baustelle auf 37 türkische Arbeiter gestoßen, die statt der gesetzlich vorgeschriebenen rund acht Euro Mindestlohn nur drei Euro pro Stunde erhielten. Der türkische Subunternehmer sitzt seither wegen Lohnwuchers in Untersuchungshaft. Die Arbeiter reisten zurück in ihre Heimat, vor dem Arbeitsgericht versuchen sie nun, das ausstehende Geld einzuklagen.

"Aktive Beteiligung"

Mit der Durchsuchung bei Hochtief, einem der größten Baukonzerne Europas, erreicht die Hungerlohn-Affäre auf einer städtischen Baustelle eine neue Dimension. Während der Zoll gewöhnlich dezent und in Zivil verdächtige Unternehmen aufsucht, wollte die FKS-Truppe gestern offenbar ein Zeichen setzen: Man geht nicht nur gegen die kleinen, ausländischen Subunternehmer vor, sondern hat auch die hiesigen Generalunternehmer im Visier.

Gut sichtbar parkten die Ermittler ihre grün-weißen Dienstwagen (ausgestattet mit Blaulicht und der Aufschrift: "Zoll stoppt Schwarzarbeit") auf dem Fußweg vor der Zentrale. Ein Dutzend Beamte suchte mehrere Stunden lang nach Unterlagen. Laut Münchens FKS-Chef René Matschke gingen die Ermittler von einer "aktiven Tatbeteiligung" Hochtiefs bei den Hungerlöhnen aus.

Hinter dem Vorgehen des Zolls gegen Konzerne wie Hochtief steht das Eingeständnis, dass man das Nachwachsen dubioser, ausländischer Subunternehmer ohnehin nicht verhindern könne. Deshalb müsse man bei den deutschen Generalunternehmern ansetzen, "wo der Anschein besteht, dass sie ein wenig knapp kalkulieren", so Matschke.

Hochtief reagierte vorerst mit einer kurzen Stellungnahme: Der Konzern setze sich "für faires unternehmerisches Handeln" ein und fordere den Mindestlohn ein, auch bei den Subunternehmern, erklärte Sprecher Bernd Pütter. Man unterstütze die Arbeit der Behörden: "Wenn die Staatsanwaltschaft uns besucht, werden wir das sehr kooperativ begleiten." Jüngst hatte Hochtief erklärt, man fühle sich als Opfer eines offenbar kriminellen Subunternehmers.

Für Hochtief geht es nicht nur ums Image. Sollte sich der Verdacht bestätigen, droht dem Unternehmen der mehrjährige Ausschluss von öffentlichen Bauvergaben. Die Oberste Bayerische Baubehörde führt eine Schwarze Liste mit Unternehmen, die sich etwa der Korruption schuldig machen oder eben gegen Mindestlohnvorgaben verstoßen.

Laut Ursula Willschek vom Bayerischen Innenministerium brauche es gar kein Urteil, es könne schon der gewichtige Verdacht genügen, um auf die Liste zu kommen. Derzeit seien dort fünf Unternehmen geführt, die Namen aber seien nicht öffentlich. Staatliche Stellen dürfen ihnen für eine bestimmte Sperrfrist keine Aufträge erteilen, kommunale Behörden und die anderer Bundesländer orientierten sich in der Regel an der Liste.

© SZ vom 11.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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