Lionel Richie:Profischmuser

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Romantik ist seit Jahren das Spezialgebiet von Lionel Richie. Wie der Schmusesoulpop-Gigant bei seinem Konzert in München die Menschen zum Jubeln brachte.

Von David Weigend

Nicht wenige Künstler aus der Sparte "Professioneller Stadionpop" werden deshalb geliebt, weil sie zuverlässig und über Jahre hinweg auf gleichbleibend hohem Niveau romantische Gefühle erzeugen und allein mit ihrer Präsenz alles Negative für zwei Stunden überstrahlen.

Richie verewigt sich für den Munic Olympic Walk of Stars. (Foto: Foto: dpa)

So auch Lionel Richie, als er, umhängt mit einem schweren Silberkreuz, erlöserhaft in den Fokus der ausverkauften Olympiahalle tritt. Der 55-jährige Schmusesoulpop-Gigant trägt außerdem eine Art fernöstliches Badehemd, in dem jeder andere ein wenig deppert aussehen würde. Richie jedoch sieht blendend darin aus. Mimik, Stimme und vor allem sein alles und jeden gewinnendes Kinderlächeln machen Modefragen überflüssig.

Das gleiche gilt für seine Songs. Sie klingen alle recht ähnlich, zumindest die mit Klavierbegleitung. Doch nach den ersten drei Tönen weiß jeder, ob jetzt "Say you say me" oder "Stuck on You" kommt. Das ist genial, und so war es vor drei Jahren schon.

Im Vorfeld hat Lionel Richie ja bereits angekündigt, dass er bewusst auf eine opulente Bühnenshow verzichten und sich auf die Musik konzentrieren wolle. Sogar an den Backgroundsängerinnen hat er leider gespart, sie kommen vom Keyboard der ansonsten tadellos begleitenden Band.

Sie ist es auch, die Richie seine sanft fließenden Modulationswechsel ermöglicht - wenn er etwa "Easy" ansatzlos in Reggae fließen lässt und das abschließende "All night long" als Bastard-Mix mit Salsa-Beats verbindet.

Überhaupt bindet Richie scheinbar gegensätzlicher Emotionen. Zu "Dancing on the Ceiling" lässt er die Zuschauer kollektiv ausrasten, um selbige nur wenige Augenblicke später mit einem berührenden "Hello" melancholisch zu glätten.

Jüngeren Zuhörern mögen solche Pianobar-Nummern leicht lahmfüßig erscheinen, aber beim Medley schweißtreibender Commodores-Hits rockt Richie nochmal richtig ab und zeigt den trendigen Münchner Clubgängern, wer die Blaupausen für viele aktuelle Disco-Remixe geschrieben hat.

Überhaupt ist das Schweißtuch das Leitmotiv der Show. Richie tupft sich damit permanent ab und betont, er singe sich "den Arsch ab". Jedem anderem würde man solche Anbiederung übel nehmen, bei Richie lächelt und jubelt man. Es gibt dafür keinen offensichtlichen Grund. Der Mann ist ein Phänomen.

© SZ vom 18.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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