Robert Francis im Ampere:Herz auf Schmerz

Lesezeit: 2 min

Der Vater ist Musikproduzent, die Mutter trällert mit ihren Schwestern mexikanische Ranchera-Songs - und der Sohn? Der heißt Robert Francis, hat ein Album mit traurig-schöner Musik veröffentlicht und tritt am Montag im Ampere auf.

Judith Liere

Wenn der Vater Musikproduzent ist und eine der größten Notensammlungen der USA besitzt, die Mutter ständig ihre neun Schwestern einlädt, um im Wohnzimmer gemeinsam mit ihnen mexikanische Ranchera-Songs zu singen, die älteren Schwestern alle in Indie-Bands spielen und eine von ihnen auch noch mit dem Sohn von Ry Cooder verheiratet ist - dann gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder man rebelliert und schlägt eine Karriere als Steuerberater ein oder man nutzt das musikalische Potential, das einem eine solche Familiengeschichte mit auf den Weg gibt.

Eine extrem musikalische Familie und ein ordentlicher Liebeskummer sind die Zutaten für Robert Francis' Songwriter-Karriere. (Foto: N/A)

Robert Francis hat sich für die zweite Möglichkeit entschieden und macht heute Pop, der sich sehr nah an Folk, Blues und Country bewegt und stellenweise an Bob Dylan, Townes Van Zandt und Jeff Buckley erinnert. Sein zweites Album "Before Nightfall" ist im Juni dieses Jahres erschienen, am Montag führt ihn seine Deutschlandtour nach München. Hört man das Album, fällt es schwer zu glauben, dass der, der da mit rauchiger Stimme mal leise, mal laut schmetternd und meist mit einer ordentlichen Portion dramatischem Beben singt, erst 22 Jahre alt ist. Achtet man auf die Texte, steckt darin allerdings genau der Weltschmerz, dem man sich derart hemmungslos nur in sehr jungen Jahren hingeben kann.

Beinahe hätte sich der junge Robert, der in Los Angeles aufwuchs, allerdings doch der Musikerkarriere verweigert. Zwar gründete er mit neun Jahren seine erste Band, eine Beatles-Covergruppe, und bekam von Familienfreund Ry Cooder eine National Slide-Gitarre geschenkt - aber mit 15 hatte der Pubertierende einfach keinen Bock mehr auf sein Instrument. Vater Francis griff zu einem Trick, um den Sohn wieder zu begeistern: Er organisierte ihm John Frusciante von den Red Hot Chili Peppers als Gitarrenlehrer - und Robert bekam wieder Lust am Üben.

Für den letzten Schritt zum SingerSongwriter fehlte ihm lange aber noch etwas: ein Thema, über das er Lieder schreiben wollte. Bis ihm das passierte, was bisher noch jeden künstlerisch veranlagten Menschen zu kreativen Ausbrüchen getrieben hat - er verliebte sich, die Beziehung scheiterte, er war unglücklich und litt. Francis sagt über diese Zeit klischeegerecht das, was man als Künstler in solchen Situationen sagt: "Songs zu schreiben ist ein Weg, mich davor zu bewahren, vollkommen durchzudrehen."

Er brach die Schule ab, produzierte mit 19 Jahren sein erstes Album und veröffentlichte es bei einem Indie-Label. Die Verkäufe waren mäßig, die Kritiken überschwänglich. Die aktuelle Platte erschien drei Jahre danach bei einem Major und ist deutlich opulenter produziert - manchmal so opulent, dass man sich, wie bei der Single "Junebug", ungut an Stadiongrößen wie U2 erinnert fühlt.

Seine stärksten Momente hat Robert Francis, wenn er ganz auf die beeindruckende Tiefe seiner Stimme setzt - dann möchte man zum Zuhören, je nach Titel, entweder mit dem Auto durch die kalifornische Wüste fahren oder mit geschlossenen Augen auf dem Flokati liegen. Die unglückliche Liebesgeschichte hängt ihm auch auf dem zweiten Album noch nach, zum Glück. Denn ohne diesen Schmerz wäre sicher nie so ein traurig-schöner Song wie "Mescaline" entstanden und sicher hätte Francis sonst niemals so pathetisch langgezogen im Refrain vom "Looooove disaster" singen können. Und das wäre dann wirklich ein Desaster.

Ampere, Montag, 15. November, 20 Uhr.

© SZ vom 13.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: