First Responder:Herzensangelegenheit

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Die Feuerwehren retten mit ihren First-Responder-Einheiten Menschenleben, weil sie schneller als der Arzt sind. Doch sie fühlen sich falsch eingesetzt. Das neue Alarmschema der Rettungsleitstelle stößt auf Kritik.

Von Konstantin Kaip, Landkreis

Die sogenannten First Responder (FR) sind Einsatzfahrzeuge der örtlichen Feuerwehren, die im Notfall zusätzlich zum Rettungswagen alarmiert werden, um schnell Erste Hilfe zu leisten. Seit mehr als 20 Jahren gibt es FR im Landkreis München, Vorreiter waren die Feuerwehren in Ober- und Unterschleißheim, Aschheim und Garching. Laut Kreisbrandrat Josef Vielhuber hat ein Pilotversuch von 1994 ergeben, dass ein First Responder durchschnittlich 4,7 Minuten früher am Unfallort eintrifft als der Rettungswagen. Ein Zeitvorteil, der entscheidend sein kann, etwa bei einem Herzinfarkt. Im Landkreis gibt es inzwischen 15 First Responder, laut Vielhuber waren sie im vergangenen Jahr mehr als 3000 mal im Einsatz. Den 16. hat die Freiwillige Feuerwehr Neubiberg gerade finanziert bekommen, im Mai soll er einsatzbereit sein.

Dass die Fahrzeuge für Sofortmaßnahmen am Unfallort essenziell sein können, ist unbestritten. Über die Frage, wann sie gerufen werden sollen, gab es zuletzt allerdings Unstimmigkeiten zwischen dem zuständigen Rettungszweckverband München und den Feuerwehren der Landkreisgemeinden. "Wir wollen, dass der First Responder dort zum Einsatz kommt, wo der Bürger Hilfe erwartet", sagt Kreisbrandrat Vielhuber. Die Fahrzeuge richtig einzusetzen, sei jedoch "eine gewisse Gratwanderung", sagt der Geschäftsleiter des Rettungszweckverbands Roland Dollmeier.

"Wer sich für den freiwilligen Dienst im First Responder meldet, weiß, dass von allen Notfällen, zu denen er gerufen wird, maximal zehn Prozent tatsächlich lebensbedrohlich sind", sagt Dollmeier. Zusätzliche Blaulichtfahrten aber seien stets ein Risiko für die Fahrer und andere Verkehrsteilnehmer, das man "so gering wie möglich halten" müsse. Zudem seien die FR-Fahrer meist ausgebildete Rettungssanitäter und könnten bei manchen Rettungsbildern eben "wenig tun". So könnten sie zwar hohen Blutdruck feststellen, seien aber nicht befugt, blutdrucksenkende Medikamente zu verabreichen. "Es ist schwierig, den richtigen Mittelweg zu finden."

Deutlich wurde die Diskrepanz mit dem neuen Alarmierungsschema, das der Zweckverband für die Rettungsleitstelle zu Jahresbeginn erlassen hat. Denn das gibt dem Disponenten der Leitstelle nun deutlich mehr Spielraum bei der Entscheidung. Laut Dollmeier soll dieser einen FR anfordern, "wenn er meint, einen lebensbedrohlichen Zustand zu verstehen". So gibt es nur noch fünf medizinische Indikationen, die einen FR-Einsatz zwingend erfordern. Der Herzinfarkt wird beispielsweise nicht mehr explizit aufgeführt.

Bei den Feuerwehren im Landkreis sorgte das für Irritationen. "Dafür haben die Bürger kein Verständnis", sagt Kreisbrandrat Vielhuber. Schließlich seien die First Responder eingeführt worden, um das "therapeutische Intervall zu überbrücken". Finanziert worden seien sie nicht aus öffentlichen Mitteln, sondern von den Gemeinden, vielfach über Spenden der Bürger. Ähnlich sieht das Josef Gmeinwieser, Kommandant der Feuerwehr Unterhaching, die seit sieben Jahren First Responder im Einsatz hat und gerade Spenden sammelt, um die Fahrzeuge durch neue zu ersetzen. Es sei "nicht in Ordnung", den Disponenten die "Bürde" der Entscheidung aufzuladen, wann sie einen FR anfordern, findet Gmeinwieser und verlangt: "Da müssen wieder klare Meldebilder her."

Vergangenen Mittwoch gab es daher im Unterhachinger Feuerwehrhaus ein Treffen mit Vertretern aller Feuerwehren und Hilfsdienste mit First Responder im Landkreis und der Spitze des Rettungszweckverbands. Von einer Krisensitzung will keiner der Beteiligten sprechen. Man habe sich eben über "strittige Punkte" ausgetauscht, berichten sowohl Vielhuber als auch Dollmeier über das Gespräch. Das Ergebnis bezeichnet Vielhuber als "zufriedenstellend". Er habe sich mit den Feuerwehrvertretern zunächst darauf geeinigt, die neuen Regeln erst einmal probeweise bis Ende März gelten zu lassen, berichtet Dollmeier. Die Zahlen der First Responder-Einsätze im Landkreis sollen dabei beobachtet und mit denen aus den Vorjahren verglichen werden. Parallel dazu werde es einen "Runden Tisch" mit den ärztlichen Leiterinnen des Zweckverbands geben, um mehr konkrete Meldebilder zu erarbeiten, nach denen künftig zwingend ein First Responder angefordert werden soll. "Wir sind an einer guten Lösung dran", sagt Dollmeier.

© SZ vom 17.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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