Kabarettpreis:Mehr als komisches Deutsch

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Der Oberpfälzer Wolfgang Kamm verbindet Sprachparodie mit geistreichen Einfällen. Beim Ottobrunner Kabarett-Wettbewerb "Amici Artium" gewinnt er damit nicht nur das Publikum für sich, sondern auch die Jury

Von Udo Watter, Ottobrunn

Wer aus der Oberpfalz kommt und so spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, erhöht damit nicht zwangsläufig seinen Sex-Appeal. Wolfgang Kamm weiß das natürlich, aber als Kabarettist geht es ihm natürlich weniger um seinen Sex-Appeal als darum, die Leute zum Lachen zu bringen - im Idealfall auf hohem Niveau. Nun, der Mann aus Hemau im Landkreis Regensburg kokettierte denn auch ein bisschen mit der Mundart seiner Heimat, unterminierte aber andererseits seinen augenzwinkernden Bühnencharme auch nicht durch übertriebenen Einsatz von nordbayerischen Diphthongen. Sein Glanzstück an diesem Abend beim Ottobrunner Kabarettistenwettbewerb "Amici Artium" ist dann ohnehin die Figur des indischen Pfarrers im oberpfälzischen Heimatort, der ebenfalls ein "komisches Deutsch" spricht. Kamm zieht dazu eine dunkle Perücke über seine Halbglatze, platziert eine Brille auf der Nase, und zückt ein Kreuz, das freilich ein paar digitale Extratricks auf Lager hat: das iCross. Wie er nun im indisch-deutschen Singsang erklärt, was man damit alles anfangen kann, zum Beispiel mit der Buß-App "Mea Culpa", die nach Anhörung des Sündenregisters ausrechnet, wie viele Vaterunser zur Absolution nötig sind oder einen Abendmahl-Lieferservice und die Fluch-Flat anbietet, das hat Klasse. Besonders raffiniert beim iCross ist ein Spiel, bei dem man mit dem Mittelfinger eine "kleine Hexe" von einem Kreuzende zum anderen wischt und damit quasi auf den Scheiterhaufen zieht. Wenn man das nicht schnell genug macht, brennt man sich den Finger an, sagt der indische Pfarrer.

Mit diesem Teil seines Programms, das eben nicht nur von wohlfeiler Sprachparodie lebt, sondern von geistreichen Einfällen, hat Kamm, der auch als singender Grantler überzeugt, beim Auditorium im Wolf-Ferrari-Haus deutlich hörbare Pluspunkte gesammelt. Er wird am Ende des Abends indes nicht nur mit dem Publikumspreis prämiert, sondern auch von der Jury, zu der unter anderem der an diesem Abend auch noch außer Konkurrenz auftretende Han's Klaffl gehörte, zum Gewinner gekürt.

Eine verdiente Auszeichnung, die durchaus der Karriere zu einem Schub verhelfen kann - unter anderem haben sich beim deutschlandweit ausgeschriebenen "Amici Artium"-Wettbewerb, der heuer zum 18. Mal statt fand, schon spätere Größen wie Claus von Wagner, Martina Schwarzmann und Max Uthoff erste Meriten verdient. Freilich trugen auch die fünf weiteren Kandidaten, die Organisator Bernd Seidel aus einer Fülle von Bewerbern ausgesucht hatte, jeder auf seine Weise zu einem unterhaltsamen, teils inspirierenden Abend bei. Den zweiten Platz errang das Duo "Ball & Jabara", das den familiären Alltagswahnsinn der nicht mehr ganz so jungen Supermutter Clara Loft musikkabarettistisch aufbereitete. Sängerin Franziska Ball und Pianist Marty Jabara sind versiert aufeinander eingespielt, verarbeiten Sorgen und Befindlichkeiten in Popsongs wie "No milk today, es wird Zeit für Sojamilch" oder im zackig komprimierten Tageserlebnisbericht einer Mutter zu den Klängen von Rossinis Wilhelm-Tell-Ouvertüre. Gute Texte, gute Show, aber als Grundthema eben nicht super originell.

Apropos Thema: Politisches Kabarett als klassisches Sujet der Brettlkunst gab es an diesem Abend im Grunde gar nicht. Auch Inka Meyer, die Drittplatzierte, konzentrierte sich in ihrem quirligen Auftritt auf andere Angriffsfelder wie die absurden Heilsversprechen der Kosmetikbranche und das gesellschaftliche Schönheitsdiktat, das nach wie vor die Frauen stärker belastet. Auch kein ganz neues Thema, aber Meyer flanierte mit viel Esprit durch die Untiefen des Schönheitswahns, des Verblödungszusammenhangs der auf Äußerlichkeiten fixierten Umwelt oder die Faltenangst der Botox-Generation. Was hülfe? Nie mehr lachen. Beim Lachen, sagt sie, entfaltet sich zwar nicht die Haut, dafür aber die Seele. "Falten sind das Sixpack vom Lachen". Schön.

Sätze zu bilden, die in Erinnerung bleiben, ist auch die Spezialität von Thomas Steierer, der freilich mit einer Neigung zur Düsternis kokettiert und das merkwürdige Selbstwertgefühl seiner Bühnenfigur durch minimalistische Körpersprache und Mimik veranschaulicht - gut für "Scharfschützen", aber als "Tester für Bewegungsmelder" wäre er damit schlecht geeignet, wie er erklärt. Wortspiele über potenzielle Selbstmörder, die sich aufs Gleis legen wollen ("Unter Zugzwang") oder die Definition vom "tapferen Patienten", dem "der künstliche Ausgang am Arsch vorbeigeht" verraten seinen speziellen Humor. Dieser und sein lakonisch-somnambules Auftreten schien freilich den ein oder anderen im Publikum eher zu irritieren. Alan Neumayer und Nick Schmid zeigten zudem - jeder auf seine Weise -, dass sie nicht zu Unrecht für diesen Wettbewerb eingeladen wurden, Bühnenpräsenz und Parodierfähigkeit stimmten, inhaltlich freilich war's mitunter ein bisschen flach.

© SZ vom 27.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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