SZ am Gardasee:Auf zur anderen Seite des Gardasees

Am Ostufer zwischen Bardolino, Lazise und Malcesine hocken die Münchner in Scharen beieinander. Dabei gibt es im wilden Westen viel zu entdecken.

Von Elisa Britzelmeier

Auf zur anderen Seite

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(Foto: Stephan Rumpf)

Menschen sind Herdentiere, das sieht man auch am Gardasee. Nicht nur, dass die Münchner in Scharen herfahren, sie fahren auch noch alle in dieselbe Ecke: Zwischen Bardolino, Lazise und Malcesine am Ostufer hocken sie beieinander. Jedenfalls ist das immer wieder zu hören, von Bekannten, vom Immobilienmakler, im Reisebüro, auch wenn das dort freundlicher formuliert wird. "Wer zum ersten Mal an den Gardasee fährt, tendiert eher zum Ostufer", sagt Christian Graßmann vom DER-Reisebüro am Marienplatz. "Geheimtipp würde ich den Westen zwar nicht nennen, aber es sind schon eher die Experten, die dort hinfahren." Der Gardasee-Reiseführer von Marco Polo vergibt lustige Emoticons für die verschiedenen Gegenden, unter "Westufer" finden sich auffällig viele hängende Mundwinkel, kein einzig lachender Smiley ist dabei. Ist die Gegend also weder für Familien, noch für Singles, Verliebte, Aktivurlauber oder Nachtschwärmer richtig geeignet? Kann das wahr sein? Und ist das Westufer damit der letzte unentdeckte Flecken Gardasee? Auf zur anderen Seite.

Durch die Tunnel

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(Foto: Stephan Rumpf)

Hell. Dunkel. Hell. Dunkel dunkel. Hell. Im Norden, von Riva aus, führt die Westuferstraße durch einen Tunnel nach dem anderen. Das dürfte den Münchner nicht schrecken, das kennt er vom U- und S-Bahn-Fahren. Nur dass da die Aussicht nicht so schön ist - durch die Guckfenster schimmert immer wieder das Blau von Himmel, Hügeln und See hindurch. Zwischendrin bieten sich Haltemöglichkeiten auf Panorama-Plattformen. Die Straße heißt hier "Gardesana occidentale", sie ist schmaler als die "Gardesana orientale" im Osten, und allein diese Fahrt lohnt den Ausflug auf die andere Seite schon. Dass hier, wie hineingeklebt zwischen Fels und See, überhaupt eine Straße hinpasst! Weiter im Süden, unterhalb von Limone, geht es mitten im Tunnel bergauf, dass der Giesinger Berg nichts ist dagegen. Und es gibt unterirdische Abzweigungen mit Gängen, die man nur in eine Richtung befahren darf. Am Ende ein verborgener Schatz: Hier geht es nach Campione del Garda. Das Dorf wurde auf einer winzigen Fläche direkt unterhalb der Felswand gebaut und ist nur durch den Tunnel oder per Schiff zu erreichen. Der Wind soll für Segler und Surfer mindestens so gut sein wie der bei Riva.

Zitronen-Seife in Limone

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(Foto: Stephan Rumpf)

In Limone sul Garda ist man schon in der Lombardei und nicht mehr in der Region Trentino. Von der Lage soll auch der Name der Stadt kommen: von lateinisch "limen" (Grenze). Trotzdem hält sich der Glaube, es gehe um Zitronen, auf Italienisch heißt die Frucht schließlich "limone". Das könnte damit zu tun haben, dass der Ort sein Zitronen-Image intensiv pflegt. Sie wachsen nicht nur in den Terrassengärten, es gibt sie auch in Bonbonform, im Likör, als Seife, auf Tischtüchern, als Aschenbecher und Müslischalen. Touristisch ist es hier allemal, aber sind auch Münchner da? Sabrina Loncrini, die am Hafen einen Bootsverleih betreibt und hier aufgewachsen ist, sagt: "Limone war immer schon beliebt bei den Deutschen." Woher aus Deutschland ihre Kunden kommen, kann sie allerdings nicht sagen. Loncrini hat übrigens höchstwahrscheinlich ein langes Leben vor sich: Die Bewohner von Limone werden besonders alt, haben Forscher herausgefunden. Sie machen ein bestimmtes vererbbares Protein dafür verantwortlich.

Auf dem Markt von Salò

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(Foto: Stephan Rumpf)

Ein Deutscher nach dem anderen kommt am Stand vorbei, zeigt auf den Schinken und fragt: "Parma?" Nein, kein Parma, erklärt der Verkäufer dann, "Bresaola, San Daniele, molto buono", er redet ohne Unterlass auf seine Kundschaft ein, deutet auf die verschiedenen Sorten, das große scharfe Messer in der Hand, Kugelschreiber zwischen den Fingern, Berge von Salami vor sich. Jeden Samstag steht er in Salò auf dem Markt. Der erstreckt sich über zwei Parkplätze. Es gibt Obst, Gemüse, Käse und Kleidung, die T-Shirts für fünf Euro, das Kilo Wassermelone für 29 Cent, drei Kilo Pfirsiche für 4,50 Euro. "Weintrauben! Süße Weintrauben", ruft die Verkäuferin, auf Deutsch. Beim Schinkenverkäufer nebenan läuft die Kommunikation schleppender. "Oh, jetzt übertreib's mal nicht", sagt er auf Italienisch zu einem Touristen, der eine komplette Schinkenhälfte kaufen will, ihn aber nicht versteht. Den halben Schinken packt er trotzdem ein. Zwischendrin steckt er sich selbst zwei Scheiben in den Mund, sooo gut ist der! Ein Wunder, dass der Mensch so dünn ist unter seiner weißen Schürze. Zack, hat er wieder drei riesige Salami verkauft, angeblich zum Preis von zwei. Der Käufer kommt aus Sachsen. Ob er hier Münchner getroffen habe? Nein, bisher nicht. Draußen vor dem Markt ist auch mittags noch so viel los, dass ein Polizist den Verkehr regeln muss. Da kommt das erste Auto mit Münchner Kennzeichen durch Salò gerollt. Es ist das italienische Auto schlechthin: ein Fiat 500.

Das Lenbachhaus vom Gardasee

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(Foto: Stephan Rumpf)

Auf den Hotelparkplätzen am nördlichen Westufer stehen Autos aus Leipzig, Berlin, Köln und Hannover - und dann, immer wieder auch aus München. Oder Fürstenfeldbruck. Aber es sind weniger als in Bardolino und Lazise. Die Brennerautobahn A 22 ist ein ganzes Stück weit weg, für den Wochenendtrip der Münchner dürfte das eine Rolle spielen. Zudem verschwindet die Sonne früh am Abend hinter den Bergen, die Strände sind im Osten und Süden größer. Christian Graßmann aus dem DER-Reisebüro sagt aber: "Viele haben ihre Zweitwohnungen hier." Bei Manerba oder Moniga zum Beispiel. Die findet man natürlich nicht im Hotel. In Gargnano, zwischen Toscolano-Maderno und Limone, gibt es sogar noch Bars und Kioske, wo nur Italiener miteinander Plausch halten. In Gardone Riviera findet sich die Attraktion, die am meisten Italiener anzieht: Der "Vittoriale", die Villa des Schriftstellers Gabriele D'Annunzio. Er vermachte das Anwesen mitsamt einem Park voller Skulpturen und eigenem Amphitheater "dem italienischen Volk". Münchner aber finden sich auch hier, einer sogar für immer: Zu den Kunstwerken in der Villa gehören auch Gemälde von Franz von Lenbach.

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