Kuschel-Engtanz-Kabarett:Wie wär's mit einem kleinen Weltrekord?

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Wer bringt einen Haufen ahnungsloser Münchner ins Guiness-Buch? Ein Kabarett-Duo, das mehr hält, als es verspricht.

Thomas Becker

Damen und Herren, Ihr letzter Weltrekord? Schon 'ne Weile her, was? Höchste Zeit für neue Höchstleistungen, wir sind ja wieder wer.

Weltrekord: 270 Münchner mit Wasserflaschen auf dem Kopf beim Synchron-Sprechen. (Foto: Foto: oh)

Wie? Sie sind eher so der Gemütliche? Kuscheln, knuddeln, Engtanz und so? Tja, da haben wir doch glatt was für Sie: Ursus und Nadeschkin mit ihrem aktuellen Kabarett-Programm im Münchner Lustspielhaus. Okay, das klingt jetzt vielleicht ein bisschen komisch.

Ist es ja auch. Saukomisch sogar. Aber auch kuschlig-engtanzig. Und den Weltrekord, den stellen Sie dann schon selber auf, kein Problem.

Wahrscheinlich steht das Schweizer Duo mit dem ein bisschen komischen Namen tatsächlich nirgends im Guinness-Buch. Obwohl sie seit 20 Jahren maximalen Spaß machen. Obwohl ihr sechstes Programm so schön programmatisch "Weltrekord" heißt.

Charme-Offensive

Obwohl sie ein Faible für das Messbare haben: 61 cm Niesen, 227 cm gegähnt - wo gab's denn so was schon mal? Eben. Nur bei diesen beiden Derwischen, die mehr als zwei Stunden derart intensiv auf der Bühne wirken (Regie: Tom Ryser), dass man irgendwann mal an Hyperaktivität denkt.

Doch wenn sie dann wieder engtanzen, sie in diesem charmeoffensiven Schweizer Rachenputzer-Slang "extrem", "speziell" oder "evakuieren" sagt und er den dürren Körper hin und herknicken lässt, dann fragt man sich zwar "Was machen die da eigentlich?" - tadelt sich aber sogleich für diese rhetorische Frage: Ist doch egal, wie das heißt was die machen.

Was also machen Ursus und Nadeschkin? Nun: Ganzkörperkunst, Ausdruckstanz, Power-Rap, Dada-Talk, Pappbecher-Stapeln, absurdes Theater, Wortathletik, Cushion-Style-Drumming, Nonsense-Stotter-Stakkato, Spontan-Grand-Prix-Eurovision, Männerwerfen - um nur ungefähr ein Zehntel zu nennen. Und bei all dem sind sie hochgradig charmant, putzig, vogelwild - vor allem sie - und: immer nah dran am Zuschauermenschen.

Letzter Programmpunkt: das allseits gefürchtete Mitmachtheater. Die Sorte, die über die erste Reihe hinaus geht. Weit hinaus. Bis hintenhin, letzte Reihe. Es geht ums Synchronsprechen ("Denk doch mal kongruent!"), ein Rekordversuch.

Jeder der 270 Menschen im ausverkauften Lustspielhaus stellt sich eine der flugs ausgeteilten Wasserflaschen auf den Kopf, wackelt mit den Händen und sagt - natürlich total synchron - den Satz: "Ich habe eine recycelbare PET-Flasche auf dem Kopf und mache einen Weltrekord." Glauben Sie nicht? Wir haben das Foto zum Beweis. Oder Sie gehen selbst hin. Am Schluss gibt's Engtanz. Schön (noch bis Sonntag, 14. Januar, im Lustspielhaus).

© SZ vom 11.1.2007/sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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