Kurzkritik:Viel Schönes

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Marc-Uwe Kling mit Kollegen, aber ohne Känguru

Von Oliver Hochkeppel, München

Vor vier Jahren lebte Marc-Uwe Kling schon einmal den Traum von der eigenen Band. Mit seiner Gesellschaft spielte er im Backstage Club vor vielleicht 150 Leuten, anschließend übernachtete er bei seiner Schwester. Jetzt spielte er in kleinerer, dafür musikalisch feinerer Besetzung - die Freunde und Lesedüne- beziehungsweise Musikkabarett-Kollegen Julius Fischer und Michael Krebs, dazu Krebs' Pommesgabeln des Teufels mit Boris "The Beast" am Bass und "Onkel" an den Drums - im ausverkauften Circus Krone. Und auf die ersten vier Stationen der Tour war es mit einem Nightliner gegangen, einem dieser pompösen, zum Star-Vehikel umgebauten Reisebusse. Rock'n'Roll!

Derjenige, der dieses Upgrade ermöglicht hat, war in Berlin geblieben: das Känguru. Der Held aus Klings die Bestsellerlisten beherrschenden Roman-Trilogie hat erst jenes Publikum generiert, das sich jetzt auch in einer Känguru-freien Zone wohl fühlte. Die heimliche Schlüsselrolle fiel dabei Michael Krebs zu, als einzigem "gelernten" Musiker. Er wob das musikalische Netz und steuerte die variabelsten und - als alter Metal-Fan - die druckvollsten Songs bei, bis hin zum - wie die meisten anderen ironisch gebrochenen - "Party" fürs obligatorische Mitsingen. Julius Fischer war für die verspielteren, sprachlich verdrehtesten Beiträge und die glockenreinste Singstimme zuständig.

Obwohl er stimmlich wie instrumental sicher der Schwächste in diesem sich perfekt ergänzenden und nett einander piesackenden Kumpel-Trio ist, und man sein Auftreten im Leben wie auf der Bühne stoisch nennen kann, wuchs Marc-Uwe Kling schnell in die Rolle des Frontmanns. Schlicht, weil die Songs des ehemaligen Poetry-Slam-Seriensiegers die überraschendsten, anarchistischsten, bösesten, politischsten und intelligentesten waren. Wie in seinen Büchern geht da Blues und Punk, Systemkritik und Lebensklugheit eine beglückende, ja durchaus an Tucholsky erinnernde Symbiose ein. Am schönsten und witzigsten beim minimalistischen "Ich hätte auch so gern ein Hobby", in dem alle deutschen Klischees verwirbelt und am Ende sogar noch auf eine philosophische Ebene gehoben werden. Der Tour-Titel sagt ausnahmsweise alles: "Viel Schönes dabei."

© SZ vom 24.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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