Kurzkritik:Gurken auf Speed

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"Radikal jung": "Kings" nervt

Von Egbert Tholl, München

Vielleicht ist man ja einfach zu alt für den Schmarrn. Vielleicht ist es auch nicht zielführend, wenn man Facebook verachtet und Menschen, die zu viel in virtuellen Welten unterwegs sind, für potenziell sozialgestört bis selbstmordgefährdet hält. Vielleicht ist man auch einfach ein konservativer Sack, wenn man Form im Theater für eine wertvolle Größe hält und deshalb mit freivagierendem Rumgegurke nichts anfangen kann. Doch wie man es dreht und wendet: "Kings" ist grässlich.

Doch es ist voll angesagt, weil aus der Hauptstadt, vom Ballhaus Naunynstraße Berlin, also superintegrativ. Und das "Radikal jung"-Publikum ist in weiten Teilen sehr begeistert, womit wir wieder beim alten Sack wären. Vielleicht.

Darum geht's: Mabuse, abgefuckter Impresario, muss Gin verkaufen, in Ermangelung echter Talente. Eine Tingeltangelsensation ist ihm noch geblieben, ein völlig enervierendes Wesen. Dann fällt eine Hoffnung vom Himmel, auf den Kopf, und redet danach seltsames Zeug. Doch die, die da heruntergefallen ist, Eva Bay, entwickelt sich rasch zum einzigen Grund, die Aufführung nicht nach wenigen Minuten zu verlassen, weil sie wirklich etwas kann, etwa wirklich formal spielen, ein expressionistisches Stummfilmmedium ist und mit trockenster Lakonie die vier, fünf wirklich guten Sätze sagt, die während der 100-Minuten-Aufführung fallen. Das mit den 100 Minuten ist ohnehin relativ, vielmehr bewahrheitet sich ein Lied von Tocotronic, welches hier auch vorkommt: "Die Folter endet nie." Hier zu erfahren im inhaltlich hysterischen Trampeln auf der Stelle.

Nora Abdel-Maksoud hat sich ihren Text selber zusammengebastelt. Er handelt von der Suche nach Relevanz und stellt die Verzweiflung dieser Suche mit der völligen Absenz von jeder Bedeutung dar, also ostentatives Post-post-meta-Kabarett, dargeboten in atavistischster Weise, als hätte es die performative Errungenschaft des diaphanen Darstellers nie gegeben. Ein völlig hermetischer Abend, der von Offenheit nur raunt, unfassbar dämlich und im Dämlichen auch noch grandios überschaubar ist.

© SZ vom 25.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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