Kurzkritik:Gefühlshochstapelei

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Jonas Kaufmann singt in der Philharmonie Operette

Von Jutta Czeguhn, München

"Fleck auf der Schleife, nimm die Tauber-Seife. Kleine Erfrischung, nimm die Tauber-Mischung." Oma, noch in die alteuropäische Handkuss-Ära hineingeboren, hat derlei Persiflagen aus den Dreißigerjahren gerne zitiert. Den Richard Tauber mochte sie nicht, der war ihr zu schmierig. Sie war eine Joseph-Schmidtianerin, ein Feger mit Bubikopf, der mit Opa im Seitenwagen zu den Motorradrennen der Ära raste. Das Oldtimer-Cabriolet, das am Freitag vor dem ausverkauften Gasteig Werbung machte, hätte ihr gefallen. Sie hätte nichts dabei gefunden, dass sich Jonas Kaufmann auf seiner "Du bist die Welt für mich"-Tournee von BMW vor den Karren spannen lässt. Der Tauber warb ja auch nicht nur für Odol, sondern Daimler-Benz. Und für Oma wäre es selbstverständlich gewesen, dass ein Kammersänger-Tenorissimo, der eben noch in Salzburg einen genialen, furchterregenden Canio gegeben hat, nun mit charmanten Gefühlshochstapeleien wie "Im Traum hast du mir alles erlaubt" von Stadt zu Stadt strolcht.

Ob Oma am Freitag auch für die Ovationen aufgesprungen wäre? Verblüfft hätte sie jedenfalls, wie ein 45-Jähriger heute das alte Schlager- und Operetten-Zeugs von Lehár und Kálmán aufleuchten lässt. Ein bisserl taubern und zwinkern wie Peter Alexander, doch letztlich rührte Kaufmann zusammen mit dem Münchner Rundfunkorchester unter Jochen Rieder nie bloß Nostalgie-Sauce an. Man erlebte vielmehr einen Kniefall vor der Musik dieser Ära, der zwischen all dem Frivolen und Lebensgierigen das Wissen um den dunklen Ausgang der Epoche durchhören ließ.

Omas Ohren waren im Alter nicht mehr die besten, weshalb sie sich nur widerwillig in die Philharmonie begeben hätte. Doch war die Saalakustik kein Problem. Mikrofone unterstützten Jonas Kaufmann, wenn er die Opernstimme runterdrehte und im Parlando flirtete. Das war dann bis hinauf in Block Q gut zu verstehen, wie ein schwerhöriger Herr, der zudem noch sein Hörgerät vergessen hatte, selig versicherte.

© SZ vom 27.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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