Kurzkritik:Fern von Youtube

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Der britische Soulsänger Kwabs in der Muffathalle

Von Jürgen Moises, München

Sind das Feuerzeuge, die beim letzten Song von Kwabs in der Luft flackern? Seit in fast allen Konzerthallen Rauchverbot gilt, bekommt man diese Geste nicht mehr allzu oft zu sehen. Was man stattdessen über den Köpfen flimmern sieht, sind Handys. Auch beim gut besuchten Konzert des 24-jährigen Elektro-Soulsängers aus London in der Muffathalle wurden sie gezückt. Um damit den Song aufzunehmen, wegen dem wohl fast alle gekommen waren: "Walk", der Nummer-Eins-Hit von Kwabs. Einige der Handy-Mitschnitte wird man sicherlich bald an dem Ort wiederfinden, der für Kwabs' Senkrechtstart sehr wichtig war: Youtube. Dort hatte der Sänger 2012 Cover-Versionen von James Blake, Corinne Bailey Rae und anderen eingestellt. Die Folge war der fast schon typische virale Youtube-Effekt, mit einem Plattenvertrag am Ende. Drei EPs von Kwabs sind inzwischen erschienen, das Debütalbum kommt im Mai auf den Markt.

Das alles im Hinterkopf, überrascht einen zum einen nicht, dass das Publikum auffällig jung ist. Zum anderen nicht, dass nach einer knappen Stunde schon alles vorbei ist. Was eher verblüfft, ist das hochprofessionelle Auftreten des Sängers. Selbst wenn er vor den ersten Tanz-Schritten seinen eleganten Mantel aufknöpft, wirkt das wie wochenlang trainiert. Aber da schlägt wohl die professionelle Musik-Ausbildung durch. Dafür vermisst man im Gegenzug etwas die Lockerheit. Und: noch mehr richtig gute Songs. "Lay Back" etwa klingt doch zu sehr nach Schmachtfetzen.

Lieder wie "Love & War" mit seinem Kontrast aus knalliger Snare und luftigem Piano oder "Wrong Or Right" mit wabernden, komplexen Synthiebeats wissen dagegen zu überzeugen. Das gilt auch für die sechsköpfige Band und für Kwabs' eindrucksvollen Bariton. Den hat er Konkurrenten wie James Blake voraus. Noch etwas mehr von dessen Songwriting-Raffinesse und etwas weniger Routine: dann darf man sehr gespannt sein, wie sich der ja noch recht junge Musiker außerhalb von Youtube macht.

© SZ vom 15.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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