Krankenhauszenen in Filmen:Schweinebrüste und Kreißsäle für Hollywood

Der Münchner Erik Herz versorgt Filmproduktionen mit OP-Sälen, medizinischen Geräten und Fachpersonal. Mit toten Schweinen stellt er Operationen so täuschend echt nach, dass Komparsen schon einmal in Ohnmacht fallen.

Florian Fuchs

Eine Transplantation. OP-Tisch, offener Brustkorb, Blut. Es ist nur ein Film, aber alles muss realistisch aussehen. Zum Glück weiß Erik Herz, wie das zu schaffen ist. Er weiß, wie man so eine Szene umsetzt. Herz fährt in solchen Fällen erst einmal zum Metzger. Und kauft ein totes Schwein.

Krankenhauszenen in Filmen: Man kann ja schlecht einen Menschen aufschlitzen, nur weil ein Filmteam nach OP-Aufnahmen verlangt - in solchen Situationen fährt Erik Herz erst einmal zum Metzger und kauft ein totes Schwein.

Man kann ja schlecht einen Menschen aufschlitzen, nur weil ein Filmteam nach OP-Aufnahmen verlangt - in solchen Situationen fährt Erik Herz erst einmal zum Metzger und kauft ein totes Schwein.

(Foto: Robert Haas)

Man kann ja schlecht einen Menschen aufschlitzen, nur weil ein Filmteam nach OP-Aufnahmen verlangt. Also der Trick mit der Sau: Der Schauspieler legt sich auf einen OP-Tisch, auf seinen Brustkorb platziert Requisiteur Herz präparierte Teile des Tiers und deckt dann alles großflächig ab mit sterilen Tüchern. Vom Schauspieler bleibt nur der Kopf frei, vom Schwein eben die Brust. "Merkt keiner", sagt er, "sieht dann aus, als würde ein Mensch operiert." Fast alle OP-Szenen werden so gedreht, in US-Serien wie Emergency Room genauso wie in deutschen Produktionen.

Der tägliche Unfall

Herz sitzt auf einem Holzstuhl vor Halle drei der Bavaria Filmstudios und lächelt, während er die kleinen Tricks seines Berufs verrät. Eigentlich betreut der Mann mit dem schulterlangen Haar und dem Dreitagebart gerade die ZDF-Serie Herzflimmern. Das ist so etwas wie die Schwarzwaldklinik, bloß in 2011 und ohne Kultstatus. Fast täglich müssen Unfälle, Krankheiten und Dramen inszeniert werden.

Aber heute ist Drehpause, und deshalb hat Herz Zeit, von seiner Arbeit zu erzählen: Der 42-Jährige versorgt Filmteams nicht nur mit Ärzte-Equipment, mehr als 50.000 medizinische Geräte und Artikel hat er in Hallen der Bavaria Studios gebunkert, von der Spritze bis zum Dialysegerät. Herz und sein 23-Mann-Team beraten auch Drehbuchautoren, zeigen Regisseuren, wie Notfall-Szenen am besten umzusetzen sind, bauen OP-Säle und Intensivstationen nach - und wenn es nötig ist, dann zapfen sie sich für Nahaufnahmen gerne auch mal gegenseitig Blut ab. So werden die Schauspieler geschont.

Blut abnehmen, das ist für Herz kein Problem. Eigentlich ist er gelernter Rettungsassistent. Doch dann, kurz vor der Jahrtausendwende, kam Hollywood nach München - und Herz zu einem neuen Job. Leslie Nielsen drehte damals im Kunstpark den zu Recht vergessenen Klamauk 2001 - A Space Travestie, für die Aufnahmen waren unbedingt zwei US-Krankenwagen nötig. Weil einer der Requisiteure mit Herz befreundet war, landete der Auftrag auf seinem Tisch. Er hatte gute Kontakte, er war damals als Rettungsdienstleiter verantwortlich für 60 Fahrzeuge. Also telefonierte er ein bisschen herum in Deutschland, und tatsächlich trieb er zwei amerikanische Dodge-Vans auf.

Ein Krankenwagen für Leslie Nielson

"Mir hat das Spaß gemacht", sagt Herz heute. Er übernahm gleich auch noch die medizinische Notfallversorgung am Hollywood-Set, und fortan organisierte er immer mal wieder ein paar Requisiten für Filmaufnahmen. Bis sich die Anfragen häuften - und an Extravaganz zulegten. "Zwei Jahre nach der Aktion mit Leslie Nielson habe ich eine verrückte Anfrage bekommen", sagt Herz: "Ich sollte einen Roboter besorgen, mit dem man Hüftprothesen operiert." Siebeneinhalb Millionen Euro kostete damals so ein Ding, in ganz Deutschland gab es nur drei Geräte. "Wenn ich das schaffe", dachte er, "dann mache ich diese Arbeit zu meinem Beruf."

Bessere Ausstattung als im Krankenhaus

Er schaffte es, aber es war trotzdem sein bis heute größter Fehltritt. Herz verhandelte damals lange mit der Herstellerfirma, bis sie ihm einen Prototyp des Geräts zur Verfügung stellte. Wie viel ihn das kostete, mag er nicht verraten. Jedenfalls war es zu viel damals, und naiv war er auch noch: Die Serie, für die der Operationsroboter eingeplant war, wurde am dritten Drehtag eingestellt, Herz hatte mit Einnahmen aus 60 Folgen gerechnet und sich nicht vertraglich abgesichert. Im Grunde war es nun also so: Er hatte gar keine Wahl, als den Job weiter zu betreiben - er musste seine Schulden wieder reinholen.

Kreißsaal auf dem Firmengelände

Also gründete er mit 28 Jahren die Firma Herz Filmservice. Und ist nun mit 60 bis 80 Produktionen pro Jahr der meistgebuchte derartige Anbieter in Deutschland, nur in Hamburg und Berlin gibt es noch zwei Konkurrenten. Vor allem betreut er deutsche Filme und Serien: Tatort, Der Alte, Der Bulle von Tölz, viele Krimis also. Aber auch klassische Vorabendserien wie der Bergdoktor oder Marienhof. Und manchmal größere Filme wie Kammerflimmern mit Matthias Schweighöfer, oder jüngst Die drei Musketiere mit Christoph Waltz und Orlando Bloom.

Attrappen bekommen die Schauspieler dabei nicht in die Hände. "Wir setzen nur Originalgeräte ein", sagt Herz. Auf dem Gelände der Bavaria Filmstudios und in einem Teil des Schwabinger Krankenhauses hat er nicht nur normale Behandlungszimmer eingerichtet, sondern auch OP-Säle, einen Kreißsaal, Schockräume, eine Pathologie und sogar eine Intensivstation.

Ultraschall, Reanimationsgeräte, EKG, Überwachungsmonitoren: Der Wert aller Geräte in nur einer dieser Stationen kann sich auf eine halbe Million Euro belaufen. Die Ausstattung, die Herz anbietet, ist besser als in manchem Krankenhaus - teilweise besuchen ihn sogar Chefärzte, um sich neueste Geräte anzuschauen.

Theoretisch könnte Herz in seinen Hallen also so gut wie alle medizinischen Probleme behandeln, er hat ja auch ein kompetentes Team um sich: Ärzte, Psychologen und Sanitäter, die am Set Schauspielern professionelle Handgriffe zeigen und Regisseure über realistische Krankheitsverläufe beraten. "Nicht nur die Geräte sollen Original aussehen, die Schauspieler müssen auch professionell auftreten, sonst schaltet der Zuschauer ab", sagt Herz.

Manchmal sieht es am Set aber sogar zu realistisch aus. "Wir mussten mal eine OP nachstellen, also habe ich ein Schwein präpariert", erzählt Herz. Als dann eine Komparsin kam und den scheinbar offenen Brustkorb des Schauspielers sah, fiel sie in Ohnmacht. "Die hat gedacht, wir hätten den wirklich aufgeschnitten. Dass es die umgehauen hat, das war für uns das größte Lob."

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