Konjunktur und Arbeitsplätze in Gefahr:Höhere Mehrwertsteuer wäre Gift für München

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Selten sind sich Wirtschaft, Arbeitnehmerverbände und Politik in München so einig wie in diesem Fall: Man lehnt in breiter Front die für den Fall eines Sieges bei der Bundestagswahl von der Union angekündigte Erhöhung der Mehrwertsteuer ab. Begründung: So würge man die Konjunktur weiter ab und gefährde Arbeitsplätze.

Von Martin Hammer und Berthold Neff

Die geplante Mehrwertsteuer-Erhöhung der Union im Falle eines Wahlsiegs stößt in München auf breite Kritik. "Die Position der Wirtschaft ist eindeutig", sagt IHK-Geschäftsführer Peter Kammerer: "Wir sind dagegen."

Konjunkturell und psychologisch sei eine Erhöhung der Abgabenlast der falsche Ansatz, die Konsumneigung werde darunter leiden. Auch wenn noch nicht klar ist, ob tatsächlich alle Produkte für die Verbraucher um zwei Prozent teurer werden.

Bei Benzin, Heizöl und anderen unentbehrlichen Gütern könnten die Händler die Erhöhung voll auf den Kunden umwälzen, in anderen Branchen sei das wegen des starken Wettbewerbs schwieriger. "Wenn ein Betrieb aber auf der Steuerbelastung sitzen bleibt, bedeutet das geringere Erträge und führt sicherlich nicht zu neuen Arbeitsplätzen", so Kammerer.

Kaufunlust der Verbraucher

Besonders zu schaffen machen die Pläne den Branchen, die bereits jetzt unter der Kaufunlust der Verbraucher leiden. Nach drei Minusjahren in Folge sei die höhere Mehrwertsteuer das Letzte, was die Geschäfte brauchen könnten, sagt Günter Gross, Geschäftsführer des bayerischen Einzelhandelsverbands LBE. Die psychologische Botschaft für den Verbraucher sei: "Alles wird teurer."

Für die Zeit nach dem 1. Januar sei deshalb zumindest vorübergehend ein Einbruch des Konsums wahrscheinlich. "Vor allem kleinere Läden dürften mit der Umstellung Probleme haben", so Gross. Wegen der vielen Schwellenpreise, zum Beispiel 1,99 oder 2,49 Euro, und des harten Wettbewerbs sei es für den Einzelhandel nicht einfach, die Steuererhöhung an den Kunden weiterzugeben.

Vorschlag der Union abgelehnt

Den Vorschlag der Union lehne man kategorisch ab, sagt auch Andreas Ellmaier, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes.

Die eigene Branche sei davon nämlich "doppelt hart betroffen": Eine Erhöhung unterstütze die konsumfeindliche Stimmung in Deutschland, gleichzeitig würden für die Tourismusdienstleister die Wettbewerbsverzerrungen in Europa verschärft. Denn dort gebe es für die Hotellerie reduzierte Mehrwertsteuersätze.

Umsatzeinbußen fürchtet er ebenso wie Handwerkskammer-Präsident Heinrich Traublinger: Allein die Diskussion verunsichere die Konsumenten, "eine solche Erhöhung zu planen, ist unverantwortlich und Gift für die Konjunktur", schimpft der prominente CSU-Politiker.

Geringverdiener leiden am meisten

Eine Meinung, die man auch auf Arbeitnehmerseite teilt. "Die Menschen müssten eigentlich mehr Geld ausgeben, damit die Binnennachfrage in Schwung kommt", kritisiert Verdi-Landeschef Josef Falbisoner. Durch die Unionspläne hätten sie aber im Gegenteil noch weniger Geld in der Tasche als bisher. Vor allem Geringverdiener, die ihr gesamtes Einkommen für Konsum ausgeben müssen, litten unter der Erhöhung am meisten.

"Deshalb sind die Pläne ungerecht", klagt Falbisoner. In der ohnehin teuren Stadt München treffe eine Erhöhung die vielen Menschen in Armut besonders hart, weil Rentner, Arbeitslose oder Sozialhilfeempfänger von einer eventuellen Entlastung bei der Arbeitslosenversicherung nicht profitieren.

Basisware soll günstiger sein

"Auch wir tun uns deshalb wahnsinnig schwer, dem Gedanken der Union näher zu treten", formuliert Albrecht Engel, Landesgeschäftsführer des Sozialverbands VdK Bayern, vorsichtig. Wenn überhaupt, dann müsste ein Teil der Einnahmen verwendet werden, um versicherungsfremde Leistungen aus der Rentenversicherung zu nehmen.

"Außerdem fordern wir, dass es für Waren des täglichen Bedarfs oder Medikamente einen verringerten Mehrwertsteuersatz gibt", so Engel. Arzneien für Tiere hätten derzeit den vergünstigten Steuersatz, Medikamente für Menschen nicht. In jedem Fall sei eine gerechtere Verteilung nötig, "doch am liebsten wäre uns, die Erhöhung würde gar nicht kommen".

Gift für die Konjunktur

So sieht es auch der SPD-Fraktionschef im Rathaus, Helmut Schmid. Gerade Geringverdiener würden durch die höhere Mehrwertsteuer beim Konsum überproportional belastet, kritisiert Schmid. Hinzu komme, dass dadurch die Binnennachfrage abgewürgt werde. Auch der Grünen-Fraktionschef Siegfried Benker bezeichnet die Erhöhung als "Gift für die Konjunktur".

Kritik auch von der FDP: Stadträtin Gabriele Neff findet, vor einem solchen Schritt hätte man "das Steuersystem radikal ändern und Subventionen abbauen müssen". Einzig der CSU-Fraktionschef Hans Podiuk hält den Unionsplan für akzeptabel - aber nur, "wenn gleichzeitig eine Steuerreform aus einem Guss kommt".

© SZ vom 15.7.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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