Kolumne: After Eight:Unplugged in Munich

Lesezeit: 4 min

In München drängeln sich die Mega-Stars mit ihren Mega-Konzerten auf den großen Bühnen der Stadt - für teures Geld. Dabei kann man für wenig Geld genauso gute Musik hören.

Beate Wild

Der Typ ist ganz in Schwarz gekleidet. Schwarze Jeans, schwarzes T-Shirt, schwarze Lederjacke. Seine schwarzen Haare hat er streng nach hinten gegelt, auf der Nase trägt er eine schwarze Sonnenbrille. Seine zwei Kumpels sind ähnlich gestylt wie er. Altersmäßig bewegen sich die drei schätzungsweise im Bereich zwischen 18 und 20 Jahren. Eigentlich muss man die Jungs gar nicht fragen, wohin sie wollen, man sieht es ihnen auch so an. Es ist Samstag, der 13. Juni, "Depeche Mode" ist in der Stadt. Die drei Buben sehen den Bandmitgliedern zum Verwechseln ähnlich und sind auf dem Weg ins Olympiastadion.

Die Münchner Band "UhOh" bei einem ihrer Auftritte. (Foto: Foto: oh)

Auf die Frage, warum sie denn auf das Konzert gehen, fällt dem Jungen in Schwarz nicht viel ein. "Halt 'ne geile Band." Aha. Welche Songs er denn am liebsten höre? Ja, da kenne er nicht so viel, eigentlich nur den aktuellen Song "Wrong", von den älteren Hits noch "Personal Jesus" und "Enjoy the Silence". Alles klar. Die Teenager sind dem Massenhype um Depeche Mode erlegen und haben dafür 80 Euro pro Karte bezahlt, um dann später mit 60.000 Münchnern im Olympiastadion zu stehen und sich als Teil von etwas großem Wunderbaren zu fühlen. Mit der Liebe zur Musik und zu einer Band hat so etwas nicht mehr viel zu tun.

Nichts gegen Depeche Mode. Es ist eine großartige Band, die die Massen auch nach über 20 Jahren noch in ihren Bann ziehen kann. Und bestimmt waren auf dem Konzert am 13. Juni in der Münchner Olympiahalle auch jede Menge echter Fans. Doch über die Motive mancher Konzertbesucher muss man sich oft schon wundern.

Wer bitte gibt schon gerne 80 bis 150 Euro für ein Konzertticket einer Band aus, deren Musik er nicht einmal richtig kennt? Und verkleidet sich dann auch noch, als ginge er auf ein Kostümfest? Aber jede Band hat das Publikum, das es verdient. Das geht ja nicht nur Depeche Mode so. Auch kürzlich bei den AC/DC-Konzerten in der Olympiahalle und im Olympiastadion waren zahlreiche Fans als Angus-Young-Kopien in Schuljungen-Uniform aufgetaucht. Oder als "Metaler", mit Fan-T-Shirt, zerfranster Jeans-Kutte und langen, ungewaschenen Haaren. Letztere optimal zum Headbangen, versteht sich.

Und dann diese Ticketpreise. Gerade bei den Mega-Konzerten der Mega-Stars klettern die Eintrittsgelder oft in Schwindel erregende Höhen. Kostete ein im Vorverkauf erstandenes AC/DC-Ticket noch 90 Euro, wurden auf dem Schwarzmarkt bis zu 400 Euro pro Karte erzielt. 400 Euro! Demnächst (2. Juli) kommt Bruce Springsteen nach München, seine Fans müssen 100 Euro mindestens und mehr zahlen. Und Madonna am 18. August kostet 110 Euro. Vorausgesetzt natürlich, man bekommt ein Ticket im Vorverkauf, was oft ziemlich schwierig ist.

Da fragt man sich zu Recht, ob hier das Preis-Leistungs-Verhältnis noch stimmt. Schaut man sich das ausverkaufte Olympiastadion an, in das bis zu 70.000 Leute passen, kann man schnell hochrechnen, was eine Band an so einem Abend einnimmt. Doch die Fans und solche, die gerne welche wären, bezahlen die Preise ohne mit der Wimper zu zucken. Von Finanzkrise keine Spur!

Lesen Sie auf Seite 2, welche Bands sich wirklich lohnen, und warum das neue Album der Sportfreunde Stiller ein Etikettenschwindel ist.

Bei dem ganzen Hype um die großen Konzerte gehen die kleineren Live-Acts unter. Dabei bekommt man genau hier noch etwas für sein Geld. Am Sonntag (28. Juni) spielen etwa "Coco Rosie" im Freiheiz. Die beiden wundervollen amerikanischen Schwestern machen außergewöhnliche Musik. Man sollte sie gesehen haben. Die Show wird jedem Konzertbesucher mit Sicherheit noch lange im Gedächtnis bleiben. Und das Ganze kostet: 25 Euro. Ein absolut fairer Preis.

Oder "Calexico", die am 9.Juli. in der Muffathalle zu Gast sind. Die Bigband aus Arizona macht eine Musik zwischen Tex-Mex, Jazz, Folk und Mariachi. Einfach umwerfend, und das für 29 Euro.

Es müssen nicht immer die großen Spektakel sein, die sich lohnen. Gerade die Auftritte in kleineren Hallen oder Clubs haben viel mehr Atmosphäre, erlauben einen engeren Kontakt zwischen Künstlern und Publikum und vermitteln einem eher das Gefühl eines Live-und-Direkt-Erlebnisses. Außerdem kennen sich die Fans, die solche Veranstaltungen besuchen, meist gut mit der Band und ihrer Musik aus und tauchen garantiert nicht verkleidet auf.

Ist München nicht gut genug?

Aber warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute so nahe liegt? Es müssen nicht immer Bands aus den Staaten oder von der Insel sein. Auch München hat ein paar respektable Künstler zu bieten. Gerade jetzt in der Festival-Saison hat man die Chance, die lokalen Musiker hin und wieder live zu erleben. Nein, keine Angst, wir sprechen nicht von Münchner Bands wie der "Spider Murphy Gang" oder gar der "Münchner Freiheit". Auch nicht "Blumentopf" und die "Sportfreunde Stiller" sind gemeint.

Gerade die "Sportis" sind ja auch nicht mehr so preisgünstig zu hören. Gerade haben sie ihr Album "MTV Unplugged in New York" aufgenommen. Übrigens ein formidabler Etikettenschwindel, dieses Album. Es entstand in Wirklichkeit in den Kulissen der Bavaria Studios in Grünwald, im Süden von München. Aber der Titel "MTV Unplugged in Munich" war den Herrschaften wohl nicht weltmännisch genug.

Nein, wenn wir hier von lokalen Bands reden, dann meinen wir die jungen Nachwuchskünstler. Etwa "Dobré & Sepp Kennedy". Dobré ist ein junger Songwriter aus Fürstenfeldbruck, der zusammen mit seiner Band "Sepp Kennedy" eine Mischung aus Pop, Folk und Indie macht, und manchmal an Bob Dylan erinnert, manchmal an die "Babyshambles". Der Junge ist so gut, dass man gewillt ist, ihm eine große Zukunft zu prophezeien. Wo Dobré & Sepp Kennedy zu hören sind? Demnächst in der Musikkneipe Südstadt, beim Bandwettbewerb in der Muffathalle und in der Glockenbachwerkstatt.

Aber auch "The Donkeyshots", die ihre Musik als "gipgsy flavoured bassrock from Munich" beschreiben. Die Indie-Bands "New Radio", "Dear Henry Bliss" oder "Sickcity" sind einheimische Bands, die einen Besuch lohnen. Sie spielen oft in kleinen Clubs, in denen nur ein paar Hundert Leute Platz haben. Zudem braucht man sich hier über das Preis-Leistungs-Verhältnis keine Gedanken machen.

Erst am Dienstag trat Sickcity im Atomic Café auf. Bei der München-Extra-Party am Donnerstagabend tritt dort unter anderen "UhOh" auf, eine weitere Lokal-Band, die mit ihrem Glampop ihre Zuhörer begeistert. Also, warum tief in die Tasche greifen, wenn das Gute so günstig ist. Live from Munich.

Die Kolumne "After Eight" erscheint jeden Donnerstag auf "München Extra", dem Stadtportal von sueddeutsche.de.

Bookmark: www.sueddeutsche.de/aftereight

© sueddeutsche.de/wib - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: