Kolle übers Alter:Kuschelsex mit der Heizdecke

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Die Pille und die Brille: Oswalt Kolle, der "Sex-Papst der Deutschen" spricht über Sexualität im Alter.

Christian Mayer

Es gibt Menschen, die über einen reichen Erfahrungsschatz verfügen und obendrein blendend erzählen können. Leider erlebt man oft, wie sie in Fernsehen zwischen den Talkshow-Langweilern Sendezeit absitzen.

(Foto: Foto: oh)

Wie schön ist es da, einen dieser raren Unterhalter ungebremst zu erleben: in der Evangelischen Stadtakademie, die den Buchautor und Journalisten Oswalt Kolle eingeladen hat. Kolle?

Den "Sexpapst der Deutschen", der "Freiheit für die Liebe" forderte und mit seinen Aufklärungsfilmen Basisarbeit leistete? Genau der: Der Mann wird im nächsten Jahr 80 Jahre alt, aber er ist noch immer viel unterwegs zwischen Ärztekongressen, Hörsälen und Lesungen.

"Gelebte Sexualität im Alter" heißt sein Vortrag, ein paar Dutzend reifere Zuhörer sind erschienen. Der Gast aus Amsterdam begnügt sich keineswegs mit der Rolle eines altersmilden Plauderers.

In den Medien regiere der Jugendwahn, poltert er, und die Kinder wollten nichts über das Tabuthema hören ("die wollen nicht, dass Papa und Mama noch vögeln, sondern Kuschelsex mit ihrer Heizdecke haben").

Mehr Gelassenheit sei notwendig, nicht für jeden Menschen sei Sexualität gleich wichtig; wer nicht wolle, müsse ja nicht. Der Sohn eines Münchner Psychiaters zählt sich zu den Aktiven, für die Sex ein wesentlicher Teil des Lebens ist, "man darf es nur nicht einschlafen lassen".

Nachdem seine langjährige Ehefrau starb, als er 72 war, habe er sich noch einmal neu verliebt. Natürlich wolle er sich auch im Alter ausleben: "Meine Freundin und ich haben das Recht, die volle Runde zu drehen."

Es sitzen erfahrene Frauen im Publikum. Einige nicken, als der 78-Jährige, ein Meister des lakonischen Humors, von den Unzulänglichkeiten der Männer spricht. Von ihren Problemen, Wünsche offen auszudrücken oder sich auf Wünsche der Frauen einzulassen.

Sex in reiferen Jahren sei eben nicht mehr so spontan, es komme viel auf Phantasie und Zärtlichkeit an. Auch mit dem Thema Viagra geht er offensiv um: Die Pille könne helfen, eine Partnerschaft zu beleben. Erektionsstörungen sollten Männer ernst nehmen, "das ist ein Seismograph des Körpers".

Kolle erzählt dem Publikum von den verklemmten fünfziger Jahren, als er die Hochzeitsnacht getrennt von seiner Frau in zwei Hotelzimmern verbringen musste - das junge Paar hatte keine Papiere dabei.

Seine ersten zarten Versuche in Sexualaufklärung für die Quick wurden nach Intervention des erbosten Familienministers Wuermeling ("Zufall, dass der so heißen musste") eingestellt.

Bis Kolle in den Sechzigern eine Bühne bekam - und nicht nur die Kinobetreiber sehnsüchtig auf jeden neuen Kolle-Film warteten. Auf der Bühne fühlt er sich bis heute wohl. Nur einmal erregt er sich leicht, als eine Dame im Saal anzweifelt, ob Sex im Alter eine natürliche Sache sei, wenn Hilfsmittel im Spiel sind. "Wofür haben wir gekämpft? Eine Brille dürfen wir ja auch tragen!"

© SZ vom 18.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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