Kino-Open-Air im Schlachthofviertel:Viehhof mit Flair

Lesezeit: 3 min

Wo einst Rinder auf die Schlachtung warteten, werden in den nächsten Wochen Filme gezeigt. Das Kino-Open-Air im Schlachthofviertel geht in die zweite Runde. Auf dem Programm steht auch eine bayerische TV-Kultserie.

Andreas Schubert

Alte Backsteinmauern, Graffiti - und für Münchner Verhältnisse relativ ungepflegte Trottoirs. Wenn München im Film mal so richtig schmuddlig und großstädtisch daherkommen soll, dient das Schlachthofviertel gerne mal als Kulisse.

Einfach anders: Das Open-Air-Kino im Viehhof kam bei der Premiere im vergangenen Jahr gut bei den Münchnern an. (Foto: oh)

Schwabing und Bogenhausen sind weit weg; manche Ecken erinnern optisch eher an Berlin-Kreuzberg. Und genau hier hat die Kessel GbR um Hartmut Senkel,47, und Jan Oltznauer, 42, vergangenes Jahr eine neue Open-Air-Kinoreihe ins Leben gerufen. Heuer geht die Reihe in die zweite Runde.

Dort, wo bis 2006 die Rinderhallen des Viehhofs standen, ist heute eine Brache, die geradezu nach einer neuen Nutzung schrie. Das sah auch Hartmut Senkel so, dessen Büro in der Dreimühlenstraße nur einen Steinwurf vom Schlachthofareal entfernt ist.

Die Idee, mehr Kultur in das Viertel zu holen, kam gut an, nicht nur bei Leuten aus der Nachbarschaft, sondern aus der ganzen Stadt. Denn den Gegensatz zur Parkatmosphäre der Freiluft-Filmbühnen in Olympia- und Westpark sowie zur Historienkulisse am Königsplatz wussten viele zu schätzen. Ein Veranstaltungsort in verwittertem Industrie-Ambiente hatte in der sonst oft so schicken Stadt offenbar gefehlt.

Noch dazu ein Ort mit Nachtbiergarten, in dem nicht, wie anderswo, spätestens um 23 Uhr die Lichter ausgehen, sondern erst um 1 Uhr. Alles soll deshalb wieder so sein wie im vergangenen Jahr: großstädtische Atmosphäre, Getränke- und Grillstände, Bierbänke und Liegestühle, vor denen zum Tischchen umgemodelte Bierkästen stehen und ein alter Doppeldeckerbus, mit dem die als Sponsor auftretende Brauerei für sich wirbt.

Leuchtreklamen sind tabu - dafür werden an den angrenzenden Gebäuden wieder Lichtinstallationen zu sehen sein, die Umrisse von Rindern zeigen - als Hommage an die frühere Nutzung des Ortes.

Wieder wird es an den Wochenenden Konzerte und Familiennachmittage mit Kinderprogramm geben. Und wieder wird in Dauerschleife im Biergarten Franz Xaver Bogners bayerische Kultserie "Zur Freiheit" mit Toni Berger als Kometen-Sepp und Ruth Drexel als Weißwurst-Paula zu sehen sein, die in den achtziger Jahren im Schlachthofviertel gedreht wurde.

Der Bezug zum Viertel wird sich auch im Kinoprogramm niederschlagen. An zwei Abenden sind jeweils vier Folgen aus Bogners Serie auf der großen Leinwand zu sehen. Zur Eröffnung am 5. Juli zeigen die Kinomacher den Dokumentarfilm "Pumping Ercan", der das Leben des Bodybuilders Ercan Demir erzählt. Der betreibt in der Ehrengutstraße im nahen Dreimühlenviertel eine der ältesten Kraftstudios der Stadt.

Im weiteren Programm im Juli werden dann Kinohits wie "Dark Shadows", "Ziemlich beste Freunde" und "Men in Black 3" zu sehen sein. Aber auch - um doch ein bisschen alpenländisches Lokalkolorit in die Großstadt-Ödnis zu bringen - die Bayerwald-Komödie "Eine ganz heiße Nummer" mit Gisela Schneeberger und "Der Knochenmann" mit Josef Hader.

Die Reihe umfasst dieses Jahr 70 Abende, das Programm für August und September steht noch nicht fest. Drei Tage in der Woche, Montag bis Mittwoch, sind spielfrei - Ausweichtermine für Abende, die wegen Regens ausfallen. Vor jedem Film will Hartmut Senkel auf einen chinesischen Gong schlagen, ein paar Worte sagen und so den Kinoabend eröffnen.

Aber braucht es überhaupt ein weiteres Open-Air-Kino in der Stadt, wo doch das Risiko, finanziell ordentlich baden zu gehen, relativ hoch ist? Hartmut Senkel ist offensichtlich davon überzeugt. Das habe auch die Resonanz auf die neue Nutzung der Stadtbrache gezeigt. "Ich habe selten so viel Lob bekommen", sagt der Unternehmer.

Und deshalb denkt er auch nicht primär an den "Verlust im fünfstelligen Bereich", den der Regen vergangenen Sommer ihm und seinem Kompagnon beschert hat. Nur 10.000 Zuschauer kamen damals insgesamt an 20 Spieltagen - eigentlich hätten es 35 Tage sein sollen. Und eigentlich ist das Gelände mit knapp 10.000 Quadratmetern groß genug für 3000 Zuschauer pro Abend.

Dass das Wetter einem Veranstalter aber immer einen Strich durch die Rechnung machen kann, ist für Senkel nichts Neues. Er veranstaltet schon seit 13 Jahren Open-Air-Kinos in mehreren fränkischen Städten.

Und auf die Frage, warum er sich ausgerechnet dieses Gewerbe ausgesucht hat, gibt er eine Antwort, die auf ein gewisses Maß an Idealismus schließen lässt. "Kino ist eine der letzten Ebenen, wo man sich bewusst und intensiv Zeit nehmen kann, um einen schönen Abend zu verleben", sagt er. Es sei eben eine Leidenschaft. "Aber wenn ich sarkastisch bin, weiß ich nicht, wo die Betonung liegt - auf Leiden oder schafft."

Die Reihe Open-Air-Kino im Viehhof dauert vom 5. Juli bis 12. September. Spieltage sind Donnerstag bis Sonntag, Einlass ab 20 Uhr. Der Eintritt kostet acht Euro, ermäßigt sechs Euro. Öffnungszeiten Nachtbiergarten: 18 bis 1 Uhr. Infos unter: www.viehhof-kino.de

© SZ vom 23.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: