Junge Alte:Rolling Stones statt Kurkonzerte

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Die ,,Generation 50plus'' bevorzugt einen anderen Lebensstil als die heutigen Senioren.

Caroline Kramer und Carmella Pfaffenbach

Der demographische Wandel ist nicht nur auf gesamtstaatlicher Ebene, sondern auch für Städte wie München von großer Bedeutung: Sowohl das Angebot an als auch die Nachfrage nach altersspezifischer Infrastruktur hängen davon ab. Das bisherige Interesse konzentriert sich häufig nur auf die heutigen Seniorinnen und Senioren.

Es ist jedoch zu vermuten, dass die Nachkriegsjahrgänge - die heutige Generation 50plus - nach ihrem Eintritt in den Ruhestand andere Ansprüche haben werden als ihre Vorgänger.

In diesem Zusammenhang untersuchen zwei Professorinnen des Geographischen Instituts der Ludwig-Maximilians-Universität München mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft Lebensstile und Lebenskonzepte der künftigen Seniorinnen und Senioren in fünf Münchner Stadtbezirken sowie in den beiden Umlandgemeinden Dachau und Vaterstetten.

Die zentralen Fragen sind: Wie sehen die Lebenskonzepte der Generation 50plus, die in München besonders stark vertreten ist, für ihren Ruhestand aus, und wo sollen diese realisiert werden? Wie werden die zukünftigen Senioren ihren Lebensstil, ihre Freizeit gestalten?

Wenn man die Münchner Bevölkerungsstruktur betrachtet, so fällt auf, dass es sich dabei um eine relativ junge Bevölkerung handelt. Die stärkste Altersgruppe sind aufgrund der anhaltenden arbeitsplatzbedingten Zuwanderung die 26 bis 40-Jährigen, dicht gefolgt von den 50 bis 60-Jährigen, wohingegen die über 65-Jähringen in München unterdurchschnittlich vertreten sind.

Die Gruppe der heutigen Generation 50plus, die zu einem großen Teil in der 70er und 80er Jahren ebenfalls arbeitsplatzbedingt zugewandert ist, wird in rund zehn Jahren ihren Ruhestand erreichen. Falls sie dann in München bleibt, wird der Altersdurchschnitt steigen und sich das Gesicht der Stadt deutlich verändern.

Bisher hat die Stadt München im bundesweiten Vergleich überdurchschnittliche Bevölkerungsverluste in der Altersgruppe der über 65-Jährigen durch Wegzüge zu verzeichnen. Ursache dieser Wegzüge waren nicht selten die hohen Lebenshaltungskosten, insbesondere für Mieten.

Deshalb stellt sich für die Landeshauptstadt die Frage: Werden auch die zukünftigen Seniorinnen und Senioren die Stadt verlassen oder werden sie es sich ,,leisten'' können, weiterhin in München wohnen zu bleiben? Dazu wurden bereits zahlreiche Leitfaden-Interviews gemacht. Wo und wie will also die Generation 50plus wohnen?

Die meisten Befragten möchten nicht nur weiterhin in München, sondern auch in ihrem jeweiligen Stadtteil und am besten auch in der jetzigen Wohnung bleiben. Diese Überzeugung ist dabei nicht auf gebürtige Münchner beschränkt, sondern wird auch von vielen Zugezogenen geteilt. Manch einer kann sich gar keine andere Stadt als Wohnort mehr vorstellen. Einige denken darüber nach, an den Stadtrand oder in eine Umlandgemeinde zu ziehen. Als Gründe wurden vorrangig die Mietkosten, jedoch auch ein steigendes Bedürfnis nach einem ruhigen Wohnumfeld genannt. In einigen Fällen wurde auch ein Zweitwohnsitz im sonnigen südlichen europäischen Ausland anvisiert.

Falls ein Umzug notwendig werden sollte, wird zum Teil auch schon altersgerechtes Wohnen thematisiert. Altersgerecht sind Wohnungen aus Sicht der Befragten nicht nur, wenn sie barrierefrei angelegt sind (zum Beispiel im Erdgeschoss liegen oder einen Fahrstuhl haben), sondern vor allem auch kostengünstig sind.

In vielen Interviews wurde erwogen, eine kleinere, vor allem aber eine billigere Wohnung zu suchen. Die Münchener Stadtviertel werden durch ihre dichte und damit wohnungsnahe infrastrukturelle Ausstattung mit Einkaufsmöglichkeiten, Ärzten, einem vielfältigen kulturellen Angebot und attraktiven Grünflächen generell als ideal für ältere Menschen betrachtet, weil sie entweder zu Fuß oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar sind.

So sagt eine 53-jährige Architektin: ,,Ich empfinde München als sehr angenehme Stadt, auch gerade für alte Leute.'' Es wurde jedoch auch auf die Schattenseiten der Großstadt für das Älterwerden hingewiesen: der Lärm, die Hektik und die Schnelligkeit des Verkehrs, wie dies eine 59jährige Technische Zeichnerin beschreibt: ,,München ist speziell in dieser Beziehung: vom Tempo und von der Egozentrik her, also von diesem Tunnelblick, den alle haben. Das ist München. Da ist man als älterer, langsamer Mensch fast ein Hindernis, und Du wirst auch entsprechend behandelt.''

Die interviewten Bewohner der Umlandgemeinden Dachau und Vaterstetten möchten ebenso wie die Münchner an ihrem derzeitigen Wohnstandort bleiben und begründen dies häufig damit, dass sie im eigenen Haus wohnen und soziale Kontakte am Ort pflegen.

Neue Wohnformen im Alter würden von einigen Befragten als Alternative zum Altersheim vorgezogen. Insbesondere waren dies die so genannten ,,Alten-Wohngemeinschaften'', die sich jedoch von den WGs, die manche Befragten in ihrer Jugend ausprobiert haben, deutlich unterscheiden sollten. So sollten zum Beispiel die Bewohner eigene Wohneinheiten haben und Gemeinschaftsräume sowie Pflegedienstleistungen gemeinsam in Anspruch nehmen.

Kultur und Sport

Welchen Lebensstil wird die Generation 50plus ausüben? Die Münchner Befragten sind häufig sportlich aktiv (Radeln, Joggen im Wohnviertel, Schwimmen in den Seen des Umlands) und pflegen kulturelle Interessen (Theater, Oper, Museen und Kinos). Auffallend ist, dass nur wenige ausschließlich kulturell interessiert sind - die meisten kombinieren beide Möglichkeiten oder sind nur sportlich aktiv. Eine typische Aussage dazu lautet: ,,Allein das Bewusstsein, in einer Stadt zu leben, die so viel Kultur bietet wie München, prinzipiell zu haben, ist sehr wichtig'', - auch wenn man sie nur selten nutzt.

Generell soll der Lebensstil auch im Ruhestand beibehalten werden. Viele möchten ihre derzeitigen Präferenzen intensiver ausleben. Das heißt, die jetzige Generation 50plus erwartet, im Ruhestand genauso fit und aktiv zu sein wie jetzt und sich dadurch von vorherigen Generationen zu unterscheiden: ,,Man ist heute als alter Mensch gar nicht so alt, wie unsere Großeltern waren.'' Was bedeutet das für München?

Wenn die zukünftigen Senioren stärker als vorherige Generationen an innerstädtischen Wohnstandorten festhalten, wird dies einen weiteren Druck auf den Wohnungsmarkt zur Folge haben. Altersgerechtes Wohnen muss in Zukunft mehr als derzeit auch kostengünstig sein und alternative Wohnformen vorsehen.

Um die Freizeitinteressen der zukünftigen Senioren zu befriedigen, bedarf es keiner ,,altengerechten Infrastruktur'', sondern eines Ausbaus der Infrastruktur für ,,das gut erhaltene Mittelalter'': Rolling Stones statt Kurkonzerte.

Die Autorin ist Professorin für Sozialgeografie an der LMU München.

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