John Demjanjuk:Ein Heim für den NS-Verbrecher

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Einen Tag nach seiner Verurteilung zu fünf Jahren Haft hat der frühere KZ-Wachmann John Demjanjuk das Münchner Gefängnis Stadelheim verlassen. Aber wohin geht der Wohnungslose nun? Die Suche nach einer Bleibe war schwierig.

Bernd Kastner

Eigentlich hätte John Demjanjuk am Donnerstag gar nicht mehr ins Gefängnis zurückkehren müssen. Der ehemalige Wachmann im Vernichtungslager Sobibor war zwar zu fünf Jahren Haft verurteilt, vom Landgericht aber dennoch freigelassen worden. Auf eigenen Wunsch ließ er sich trotzdem zurück nach Stadelheim fahren.

Einen Tag nach der Veruteilung wird John Demjanjuk aus der Haft entlassen. (Foto: Getty Images)

Wohin hätte er auf die Schnelle auch gehen sollen? Weil dieser wohnungslos ist, war die Stadt München verpflichtet, nach einer Bleibe zu suchen, doch das gestaltete sich schwierig. Erst am Freitagnachmittag konnte Demjanjuk dann das Gefängnis verlassen, nun lebt er, zumindest vorübergehend, in einem Alten- oder Pflegeheim.

Das Landgericht hatte den gebürtigen Ukrainer nach einem 18-monatigem Prozess verurteilt wegen Beihilfe zum Mord an 28.000 Juden. Doch zugleich hatten die Richter den Haftbefehl gegen ihn aufgehoben, bis das Urteil rechtskräftig ist. Es bestehe keine Fluchtgefahr bei dem kranken und staatenlosen Mann.

"Völlig überraschend" sei diese Entscheidung für ihn gekommen, sagt Michael Stumpf, Chef der Justizvollzugsanstalt Stadelheim, wo Demjanjuk seit zwei Jahren in Untersuchungshaft saß.

Auf die Frage, wo er nun untergebracht wird, sagte Stumpf noch am Freitagmittag: "Das wüsste ich auch gerne." Wenn ein Untersuchungshäftling entlassen werde, ende die Zuständigkeit der JVA eigentlich an der Gefängnismauer. Weil er den alten Mann aber nicht einfach in seinem Rollstuhl auf die Straße fahren wolle, kümmerte sich auch die JVA zusammen mit der Stadt um einen Platz in einem Alten- oder Pflegeheim. "Das war sehr kompliziert", sagte Stumpf.

Man musste nicht nur einen freien Platz finden, sondern auch klären, wer die Kosten trägt. Die müsse notfalls die Stadt München übernehmen. Stumpf ist verärgert, weil sich Demjanjuks Verteidiger Ulrich Busch nicht um den Verbleib seines Mandanten gekümmert habe. "Ich hätte mir gewünscht, dass sich der Verteidiger darüber Gedanken macht", sagte Stumpf.

Busch wies dies auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung empört zurück und fragte süffisant: "Habe ich denn den Herrn Demjanjuk nach Deutschland gebracht, oder waren es deutsche Gerichte?" Es sei "originäre Aufgabe der JVA" und der Sozialbehörde, eine Unterkunft zu besorgen, sagte Busch, der im Prozess eine sehr konfrontative Verteidigungslinie verfolgt hatte.

Laut Busch wollten sich vorübergehend Angehörige der ukrainischen Gemeinde in München um seinen Mandanten kümmern. Anschließend müsse seine Familie alles Weitere klären. Es gehe auch darum, das Ehepaar Demjanjuk - die Frau lebt in den USA - wieder zusammenzubringen.

Busch betonte, dass er bereits vor Wochen dem Gericht eine Adresse mitgeteilt habe, wo Demjanjuk vorübergehend unterkommen könne. Dazu wiederum wollte sich die Sprecherin des Landgerichts nicht äußern. Das Gericht sei ohnehin nicht mehr zuständig für Demjanjuk.

© SZ vom 14.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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