Italiener in München:Die Liebe zum Durcheinander

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Das zweite Wiesn-Wochenende gehört den Italienern - die Wohnwagen-Welle hat München bereits erreicht. Ein Lagebericht.

Anne Goebel

Die Wohnwagen-Welle der italienischen Oktoberfest-Fans hat München erreicht - Warum sie die Wiesn auf keinen Fall missen wollen.

Sicherheits-Ration: Schinken, Prosecco und Weißbrot (Foto: Foto: Catherina Hess)

Wiesn all'italiana: Das zweite Oktoberfestwochenende ist traditioneller Lieblingstermin der Besucher aus dem Süden. Um für die Italiener gerüstet zu sein, sind auch in diesem Jahr Carabinieri und Mitarbeiter des italienischen weißen Kreuzes auf der Theresienwiese gemeinsam mit den Münchner Kollegen im Einsatz.

Vom Brenner her rollt seit dem frühen Freitagmorgen die große Wohnmobil-Welle über die Alpen Richtung München. Wir haben uns gestern Mittag bei den Ankömmlingen auf dem Camper-Stellplatz an der Hansastraße umgesehen.

Fabio Bianchini und Elia Bordin aus Treviso: "Wir sind eine Gruppe von fünf Freunden und haben uns am Steuer abgewechselt. Fünf Stunden Fahrt, das war okay. Heute morgen um vier Uhr sind wir angekommen - alles neblig! Zum Glück scheint inzwischen die Sonne. Wir machen uns eine schöne Pasta, dann schauen wir mal in die Stadt.

Freunde haben uns gesagt, ihr müsst unbedingt nach München. Natürlich sind wir wegen der Museen da, wegen der Kirchen, München, die Kulturstadt - nein, Blödsinn, wir haben einen Tisch in einem Zelt reserviert und sind gespannt. Unser erstes Oktoberfest! Eine Flasche Prosecco aus unserer Gegend haben wir immer dabei.

Aber wir lieben deutsches Bier. Es hat weniger Kohlensäure als italienisches und schmeckt irgendwie besser. Natürlicher. Unsere Freundinnen sind zuhause. Wenn Sie es nicht in die Zeitung schreiben: Ein bisschen flirten ist drin dieses Wochenende."

Berto Livio aus San Mauro Torinese: "Ich bin 67 und das dritte Mal zum Oktoberfest hier. Bier trinke ich wenig, eigentlich fast gar keines. Aber München ist eine wunderbare Stadt, deshalb komme ich immer wieder. Der schöne Dom, dieser riesige englische Park, fantastisch.

Auf dem Oktoberfest gefallen mir die schönen Tirol-Kostüme. Und wie freundlich die Leute hier sind! Ich kann nur ,Ottoberfest' auf deutsch, aber wenn ich das sage, erklären sie dir sofort den Weg.

Jetzt gibt es erstmal Nudeln mit Ragù oder Arrabbiata, mal sehen. Wir haben alles dabei. Ich bin ziemlich erledigt von der Fahrt. Die Jungs, mit denen ich hier bin, nennen mich nonno, der Opa. Die wollen natürlich ihren Spaß haben."

Renato Palmi, Daniele Cola, Nicola Leoni und Alice Grifoni: "Wir kommen aus San Marino und sind um sechs Uhr früh angekommen. Alice hat die ganze Fahrt über geschlafen, wir drei haben uns abgewechselt. Zwei von uns waren schon mal auf dem Oktoberfest.

Uns gefällt die Atmosphäre, das große Fest, das Bier natürlich, die vielen jungen Leute. Und die schönen deutschen Mädchen! Naja, Alice hat gesagt, sie lässt uns nicht aus den Augen.

Italiener trifft man überall in der Stadt. Wenn es irgendwo chaotisch zugeht, ein Durcheinander entsteht, sind das meistens Italiener. Mit dem Essen ist es so eine Sache. Wir haben mal das runde Gebäck mit Salz probiert - Geschmackssache. Wir sind einfach andere Gerichte gewöhnt. Letztes Mal waren wir in einem italienischen Restaurant essen, mitten in München. Also, das war richtig gut."

Lucia Petta, Mirella Antonini, Patrizia Donati und Maria Grazia Coppola aus Pisa: "Wir sind ein Club von Freundinnen und machen alles zusammen. Maria Grazia war noch nie auf dem Oktoberfest, sie ist gespannt.

Was für wunderschöne Kleider die Frauen auf dem Oktoberfest anhaben! Wir finden sie aber etwas zu teuer, um sie bloß hier anzuziehen - für zuhause wäre das nämlich nichts.

Wir lieben das Durcheinander, die Fröhlichkeit in den Zelten. Wunderbar, die Brote mit geschmolzenem Käse und das gesalzene Brot in Herzform. Man muss schon richtig gut essen, sonst wird es schnell zu viel mit dem Bier.

Einen Liter schafft jede von uns. Wobei, am Schluss trinken es dann doch unsere Männer aus. In Massa, das ist in der Nähe unserer Stadt, gibt es ein ,Septemberfest' mit Bier. Aber das ist etwas ganz anderes als hier. München ist das Original."

Angelo Rao und Franco Colbassi aus Turin: "Wir kommen aus Turin, der olympischen Stadt. Wir sind schon zum fünften Mal auf dem Oktoberfest, und letztes Jahr haben wir auch hier an der Hansastraße übernachtet. Das ist wie auf dem Campingplatz.

Unser Projekt für dieses Wochenende: Amüsieren! Naja, man sollte nicht übertreiben. Sonntagmorgen wird pünktlich aufgebrochen, am Montag müssen wir arbeiten. Es hat also überhaupt keinen Sinn, sich komplett zu betrinken, weil es einem bloß schlecht geht.

Ehrlich gesagt, es passiert trotzdem manchmal. Zurück fährt der, der sich am besten fühlt. Unglaublich, die feiernden Menschen in all diesen Zelten. Wir haben uns blaue T-Shirts gekauft, wie unsere Fußball-Trikots. Als Italien Weltmeister geworden ist, war ganz Turin ein einziges Oktoberfest."

© SZ vom 23.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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