Interview mit einer Hausmeisterin:"Grüß Gott, Frau Kling - da kriege ich eine Wut!"

Lesezeit: 3 min

Als Hausmeisterin Else Kling hat sie 21 Jahre und mehr als tausend Lindenstraßen-Sendungen hinter sich gebracht. Nun stirbt die 91 Jahre alte Schauspielerin Annemarie Wendl aus der Serie, lebt aber in Schwabing putzmunter weiter.

Interview: Tanja Schwarzenbach

Else Kling muss sterben. Am 28. Mai wird die barsche Hausmeisterin zum letzten Mal in der Lindenstraße zu sehen sein. 21 Jahre lang hat Schauspielerin Annemarie Wendl, 91, Else Kling dargestellt. Doch nun, da die letzte Folge gedreht ist, ruht sich die alte Dame in ihrer Schwabinger Altbauwohnung aus. Leicht gebräunt mit strahlend blauen Augen sitzt sie sanftmütig in ihrem Sessel.

Annemarie Wendl spielte 21 Jahre lang die neugierige Hausmeisterin in der "Lindenstraße" - Sie wurde ein Markenzeichen wie Mutter Beimer, obwohl sich die beiden nicht immer grün waren. (Foto: Foto: WDR)

SZ: Hallo Frau . . . Wendl oder Kleinschmidt? Wendl: Wendl ist mein Mädchenname und mein Künstlername, Kleinschmidt mein ehelicher Name.

SZ: Wie wäre es mit Kling? Wendl: Bloß nicht! Ich werde ständig auf der Straße angesprochen "Grüß Gott, Frau Kling", da kriege ich eine Wut. Ich bin nicht die Frau Kling, ich bin die Frau Wendl. Früher habe ich mich sehr darüber aufgeregt, jetzt denke ich mir oft: Na ja, lass ma's.

SZ: Aber haben Annemarie Wendl und Else Kling nicht auch Gemeinsamkeiten? Wendl: Ich bin natürlich ganz anders als Else King! Kling hat die Briefkästen durchsucht, das hat die Annemarie Wendl nicht gemacht. Man kann aber auch nicht sagen, dass ich das genaue Gegenteil von ihr bin. Ich bin auch neugierig, sehr neugierig sogar. Ich will auch alles wissen, sehen und hören. Ich will auch überall meine Augen und Ohren drin haben. Aber natürlich in einem anderen Milieu. Ich bin auch aufbrausend, zwar nicht so wie Else Kling, aber schon auch etwas. Es war immer so, dass ich auf dem Weg nach Geiselgasteig oder nach Köln, wo wir gedreht haben, langsam zu Else Kling wurde. Wenn ich aber nach Hause fuhr, hab' ich das abgelegt.

SZ: Ihr Zuhause ist Schwabing. Wie lange wohnen Sie schon hier? Wendl: Mehr als 30 Jahre. Ich bin im bayerischen Trostberg aufgewachsen, aber eigentlich eine richtige Münchnerin. Meiner Familie hat mal fast die ganze Sendlingerstraße gehört. Aber meine Ururgroßtante und ihr Mann haben Panama-Aktien gekauft und dadurch alles verloren.

SZ: Das ist ja ein Pech. . . Wendl: Ja, schon. Nichtsdestotrotz hatte ich eine wunderbare Kindheit. Wir waren vier Geschwister und hatten sehr großzügige Eltern. Ich war die einzige, die Künstlerin werden wollte. Meine Eltern hatten nichts dagegen, dass ich auf die Schauspielschule gehe. Das habe ich dann auch gemacht. 1942 in Berlin. Im selben Jahr habe ich auch geheiratet. Aber zwei Jahre später, wir hatten bereits einen Sohn, ist mein Mann Siegmar im Krieg gefallen.

SZ: Haben Sie nochmal geheiratet? Wendl: Nein, ich war später noch mal verlobt, aber das ist wieder auseinander gegangen. Und das war gut, denn dadurch bin ich prominent geworden! Ja, wirklich. Ich wäre sonst in Trostberg eine vermögende Ehefrau und sonst nix.

SZ: Statt dessen wurden Sie zu einer Kultfigur. Wendl: Ja, eben. Bei der Lindenstraße bin ich sehr schnell, ohne Eitelkeit und alles darf ich das jetzt sagen: die wichtigste Figur geworden.

SZ: War das damals eine Traumrolle, die Sie angenommen haben? Wendl: Eigentlich nicht, aber ich hatte Spaß an der Rolle. Ich hatte viele Jahre am Theater gespielt, als mich eine Agentur anrief. Sie haben mir erzählt, dass der Produzent Hans Geißendörfer jemanden für ein Jahr sucht. Ich dachte, dann will er sicher die Inge Meisel oder Greta Garbo. Aber die Agentur meinte, nein, er wolle eine Unbekannte. Von dem Geld, das ich als Else Kling verdiente, konnte ich leicht leben.

SZ: Die Lindenstraße hatte damals ja traumhafte Quoten. Wendl: 41 Prozent, dann wurde es natürlich ein bisserl weniger, aber wir haben immer noch viel. Die Lindenstraße war ein unglaublicher Erfolg. Keiner konnte sich vorstellen, dass es so was gibt. Serien existierten damals ja noch nicht. Und wir waren sozusagen die Vorreiter.

SZ: Im letzten Jahr war Else Kling immer seltener zu sehen. Sie schien etwas altersmilde. Wendl: Milde ist nicht gut! Da gehört schon ein bisschen Pepp rein. Die Geschichten, die ich spielte, wurden immer weniger, das stimmt, weil Geißendörfer Angst hatte, dass ich zusammenklappe. Es waren nur noch kurze Auftritte. Er meint es gut, aber seine Bedenken waren natürlich Unsinn.

SZ: Nach 21 Jahren verschwindet Else Kling nun ganz vom Bildschirm. . . Wendl: Ja, ich wollte aus gesundheitlichen Gründen aufhören. Wie sie das jetzt machen in der Lindenstraße ohne mich, das weiß ich nicht. Ich habe eigentlich meine Schuldigkeit getan. Mir ist die Fahrerei zu anstrengend geworden. Die ersten Jahre bis Folge 726 kam ich in jeder Folge vor. Das war schon erschöpfend. Ich bin immer zwischen Köln und München gependelt. Im letzten Jahr wurde ich krank. Na ja, was heißt schon krank? Ich war nicht krank, ich war nur schwach geworden und hab mich immer wieder hochgerappelt.

SZ: Was werden Sie ohne die Lindenstraße machen? Wendl: Es kann sein, dass ich dann wahnsinnig traurig werde, wenn es vorbei ist. Ich weiß es noch nicht. Es wird schon. Ich bin eine Verdrängerin. Aber ich werde bestimmt nicht den ganzen Tag zuhause sitzen und zum Fenster rausschau'n. Ich bin gerne mit jungen Menschen zusammen. Das hält jung.

SZ: Haben Sie denn einen Platz in Schwabing, an dem Sie sich besonders gerne aufhalten? Wendl: Früher war ich jeden Tag um sechs Uhr in der Früh im Englischen Garten joggen, wenn sie dort noch sauber machten. Jeden Tag. Die haben schon gewusst, jetzt kommt wieder die G'spinnerte. Aber mein Lieblingsplatz in Schwabing ist mittlerweile mein Balkon. Der ist nämlich reizend. So, jetzt hab ich Ihnen aber genug erzählt!

© SZ vom 18.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: