Interview mit dem Münchner Oberbürgermeister:,,Die Umweltzone ist ein Minenfeld''

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Gegen eine Umweltzone, die zu viele Autos aus der Stadt aussperrt, legt OB Christian Ude sein Veto ein. Die rot-grüne Koalition im Stadtrat wolle er aber über das Wahljahr 2008 erhalten, sagt er im Interview mit der SZ.

Jan Bielicki, Joachim Käppner und Berthold Neff

SZ: Werden Sie 2008 das Rathaus noch mit Ihrem Auto erreichen können?

Hält Rot-Grün für kein Auslaufmodell: Münchens OB Christian Ude (SPD). (Foto: Foto: ddp)

Christian Ude: Rechtlich habe ich keine Zweifel, weil mein Dienstfahrzeug der allerneuesten Technik entspricht. Aber Ihre Frage zielt auf die Umweltzone und das Problem, dass sogar Autos mit geregeltem Katalysator von einem Fahrverbot innerhalb des Mittleren Rings betroffen wären. Ich denke, dass es bis 2008 noch gar keine Regelung dazu geben wird, weil der Zeitplan völlig ins Schleudern gekommen ist. Wir haben hier ein Beispiel dafür, was herauskommt, wenn auf höherer Ebene Europas, des Bundes und der Länder Regelwerke ersonnen werden, ohne die Kommunen daran zu beteiligen. Jetzt, fünf nach zwölf, stellt sich heraus, dass so viele Fahrzeugklassen ausgesperrt sind, dass viele Menschen zweifeln, ob das der richtige Weg ist.

SZ: Kommt die Umweltzone also erst nach der Wahl vom März 2008?

Ude: Sie wird erst während des Jahres 2008 kommen. Mit der Kommunalwahl hat das nichts zu tun.

SZ: Aber der Stadtrat wird entscheiden müssen, ob er die Autos von zehntausenden Münchner stilllegt.

Ude: Der Stadtrat wartet, klug wie er ist, erst einmal ab, was der Bund und die Länder in dieser Frage an Instrumenten anbieten. Das ist zur Stunde völlig ungeklärt. Wir setzen nur bundeseinheitliche Regelungen um.

SZ: Wenn die Umweltzone nur unter den jetzt vom Bund genannten Bedingungen möglich wäre - würden Sie sie dann ablehnen?

Ude: In dieser Form kann ich sie mir nicht vorstellen. Denn jetzt wären auch Fahrzeuge betroffen, die man wegen des Feinstaubs nicht aussperren müsste, weil sie ja gar keinen ausstoßen. Da wären die Niederlagen vor Gericht doch programmiert. Da würde ich es ja bedauern, nicht mehr als Rechtsanwalt tätig zu sein, denn sonst könnte ich für einige tausend G-Kat-Fahrer erfolgreich Klage erheben. Das wäre für jeden Anwalt eine g'mahde Wies'n. Ich rate allen Kommunen, nicht in dieses Minenfeld zu laufen, nur weil ein europäischer Zeigefinger in diese Richtung zeigt, um dann von Tretminen zerrissen zu werden. Ich lasse nicht zu, dass diese Verwirrung zwischen EU und Mitgliedsstaaten auf dem Rücken der Kommunen ausgetragen wird.

SZ: München ist die einzige noch verbliebene rot-grüne Hochburg in Deutschland. Ist Rot-Grün ein Auslaufmodell?

Ude: Für mich ist es nach wie vor ein inhaltlich begründetes Projekt, soziale und ökologische Gesichtspunkte durchzusetzen. Das ist heute wichtiger denn je, weil die ökonomische Entwicklung genau diese sozialen und ökologischen Gesichtspunkte überrollt. Ein soziales Korrektiv war nie so wichtig wie heute. Und die Umweltprobleme stoßen in ganz neue Dimensionen vor.

SZ: Es gibt aber auch andere Probleme, die in Berlin gerade eine große Koalition zu lösen versucht. Warum sollte das nicht für München eine Alternative sein?

Ude: Aus kommunaler Sicht ist die große Koalition im Bund besser als ihr Ruf, weil in beiden Volksparteien die Kommunalpolitiker einiges Gewicht haben. Sie ist aber nur aus der Not des Wahlergebnisses gebildet worden, ein Diktat der Zahlen. Es hat halt weder für Rot-Grün noch für Schwarz-Gelb gereicht.

SZ: Ein ähnliches Ergebnis ist aber auch in München nicht ausgeschlossen.

Ude: Mein ganzes Engagement zielt darauf, eine solche Situation in München zu verhindern. Ich halte von großen Koalitionen äußerst wenig, weil kein politisches Profil und keine politische Verantwortung mehr erkennbar ist. Es kommt dann kein großer Wurf zustande, sondern es folgt die große Lähmung, während die Ränder profitieren.

SZ: Die SPD geht also mit einer Koalitionsaussage zu Rot-Grün in die Wahl?

Ude: Unser oberstes Ziel ist es, dass die SPD erneut zur stärksten Kraft im Rathaus wird. Mit der SPD ist die Münchner Bürgerschaft immer gut gefahren, von Thomas Wimmer über Hans-Jochen Vogel und Georg Kronawitter bis zu meiner Amtszeit. Zweitens wollen wir, falls es voraussichtlich zur absoluten Mehrheit nicht reicht, das rot-grüne Bündnis fortsetzen.

SZ: Was bedeutet dieses Projekt für die nächsten sechs Jahre in München?

Ude: Soziale und ökologische Politik. Wir werden den sozialen Besitzstand der Münchner sichern, indem wir die Daseinsvorsorge in kommunaler Hand behalten. Die CSU widerspricht in den letzten Wochen ihrer gesamten Politik des letzten Jahres, aber sie hat nun mal auf einem Parteitag und in Presseartikeln die Privatisierung der Stadtwerke gefordert und mich angeprangert, weil ich sie ablehne. Davon kann sich die CSU jetzt nicht davonstehlen wie ein ertappter Dieb. Wir dagegen wollen die Stadtwerke und alle anderen städtischen Betriebe in kommunalem Besitz behalten.

SZ: Gerade die Stadtwerke haben mit ihren Preiserhöhungen viel Angriffsfläche geboten.

Ude: Da macht es sich die CSU unglaublich einfach. Sie schweigt zu den Energiepreisen der gesamten Welt und aller anderen Energiekonzernen. Sie prangert nur die kommunalen Unternehmen an, weil sie ihr ein Dorn im Auge sind. Die Stadtwerke liefern das beste und billigste Wasser aller deutschen Großstädte. Dagegen ist die Entwicklung bei den Gaspreisen tatsächlich kritisch. Ich habe nie verstanden, warum der Preis für Gas an den für Heizöl gekoppelt sind. Es ist in der Branche einfach so. Wenn Sie selber keine Gasquelle haben, sind Sie davon abhängig. Der Freistaat, der die Preisaufsicht führt, hat die Tarife der Stadtwerke übrigens nie beanstandet. Und bei den Strompreisen kommt ausgerechnet das einst öffentliche, vom Freistaat privatisierte Energieunternehmen Eon in einem Internet-Tarifrechner zu dem Ergebnis: In München gibt es den günstigsten Strom von den Stadtwerken.

SZ: Die CSU will auch die unbefriedigende Situation in der Kinderbetreuung thematisieren. Was haben Sie vor?

Ude: Viel. Ich gebe zu: Die Situation ist unbefriedigend, allerdings in ganz Deutschland. Nur zum Vergleich: Wir haben bei einem Anteil von zehn Prozent an der bayerischen Bevölkerung mehr als die Hälfte aller Krippenplätze Bayerns. Aber natürlich ist hier auch die Nachfrage besonders groß - aus zwei erfreulichen Gründen: Wir haben, vielleicht auch wegen des Angebots an Krippenplätzen, gegen den Bundestrend einen Geburtenüberschuss. Zweitens finden Frauen, die arbeiten wollen und müssen, hier einen Job, weil die Arbeitslosigkeit relativ gering ist. Wir werden darum bis 2009 zusätzlich 800 Krippenplätze schaffen. Bei den Kindergärten dagegen sind andere Städte tatsächlich besser. Aber auch das gehen wir an. Ich darf nur daran erinnern, dass die SPD bereits den Wahlkampf 1990 mit dem Plakat geführt hat: ,,Wir schaffen Platz für Kinder, nicht für Autos.'' Die CSU wollte lieber die Tunnel am Mittleren Ring haben, und dafür mussten auch Abstriche bei der Kinderbetreuung gemacht werden.

SZ: Der neue CSU-Kandidat ist jung, politisch nicht vorbelastet und will die CSU zur modernen Großstadt-Partei machen. Was halten Sie dagegen?

Ude: Es musste bei der CSU ja irgendwann zu einem Schritt zur Normalisierung kommen, zu einem Ende des Kasperltheaters ewig verfeindeter Clans. Wir haben ja gewusst, dass es uns die CSU nicht immer so leicht macht wie zu den Zeiten der großen Hoffnungsträger Hohlmeier, Baretti oder Uhl. Jetzt haben sie mit Josef Schmid jemanden in Stellung gebracht, der nicht beschädigt durch die innerparteilichen Umtriebe der letzten Jahre ist. Das wird es erleichtern, im Wahlkampf über die Sache zu diskutieren. Aber einen Neuanfang kann ich bei der CSU inhaltlich nicht entdecken. Es gibt jetzt einen Wagen, mit dem die CSU am Christopher Street Day teilnimmt - was sie mir vor zehn Jahren vorgeworfen hat. Heute hat sie die Schwulen als Wählergruppe erkannt. Aber im Umgang mit Minderheiten hat sich ansonsten bei der CSU gar nichts geändert.

SZ: Sprechen Sie von den Muslimen?

Ude: Wir haben seit den siebziger Jahren immer folgendes erlebt: Wenn der CSU die Mobilisierungsthemen fehlen, lässt sie sich etwas gegen Ausländergruppen einfallen. Am Anfang waren es die Gastarbeiter, dann die Asylbewerber, dann Bürgerkriegsflüchtlinge. Und zuletzt nun ging es gegen Menschen islamischen Glaubens. Wenn die CSU das versuchen sollte, wird sie eine ganz harte Absage bekommen. In München gibt es eine große aufgeklärte Mehrheit.

SZ: Sie meinen den Streit um die Moschee in Sendling.

Ude: Das ist ein Stichwort. Im Moment ist freilich nach einigen unbegreiflichen Äußerungen etwas Ruhe eingekehrt.

SZ: Was hindert die Stadt eigentlich, der Forderung der CSU und der Kommunalaufsicht nachzukommen und ein Bebauungsplanverfahren einzuleiten?

Ude: Die Behauptung ist doch absurd, dass es bei einem Bebauungsplan mehr Bürgerbeteiligung geben würde. Wir haben das Thema zweimal auf großen Bürgerversammlungen diskutiert, es gab eine Reihe von Veranstaltungen des Bezirksausschusses, es gab einen Fassadenwettbewerb. Kaum ein Bauprojekt hat je eine solche Aufmerksamkeit erlebt.

SZ: Aber was würde ein Bebauungsplan schaden?

Ude: Das Problem bei Bebauungsplanungen ist doch, dass sie so lange dauern. Deshalb hat uns der Freistaat beim Alten Hof und beim Doku-Zentrum aufgefordert, davon abzusehen. Im Februar wird es die Gerichtsverhandlung über den Fortgang des Moschee-Projekts geben, und nach Lektüre der Klageschrift kann ich mir nicht vorstellen, dass die Stadt verliert. Dann werden wir sehen, ob der Freistaat Bayern an seinem Versuch festhält, das Bauvorhaben zu torpedieren, nur weil ihm die Glaubensgemeinschaft nicht gefällt. Hinter den baurechtlichen Vorwänden steckt ja etwas ganz anderes.

SZ: Nämlich?

Ude: Die CSU ist in der Moscheefrage selber tief gespalten. Ein Drittel will überhaupt keine Moschee, weil sich das fürs christliche Abendland nicht gehört. Ein weiteres Drittel sagt: Man kann es den Muslimen nicht verbieten, eine Moschee zu bauen - aber bitte nicht in unserer schönen Stadt, sondern draußen im Gewerbegebiet. Das letzte Drittel hält Moscheen schon für zulässig, sieht im Gotzinger Platz aber eine sehr sensible Umgebung. Die drei vollkommen unvereinbaren Positionen kann die CSU nur unter einen Hut bringen, wenn sie ein Haar in der Suppe findet. Erst waren es die Parkprobleme, dann der angeblich schreiende Muezzin, nun der Bebauungsplan. Der CSU ist kein Argument zu fadenscheinig, um nicht vorgebracht zu werden. Sie werden von der CSU deshalb auch niemals hören, wo man denn sonst eine Moschee bauen könnte. Man hört nur: da nicht.

SZ: Was ist Ihr persönliches Wahlziel?

Ude: Ich möchte mit einem Prozent-Ergebnis gewählt werden, das nicht hinter mein Lebensalter zurückfällt. Es sollte also schon mit einem Sechser anfangen; und die SPD sollte zur stärksten Fraktion werden, damit gegen sie keine Politik möglich ist.

SZ: Wie sehen Ihre Pläne für 2014 aus?

Ude: Da spricht das Gesetz eine klare Sprache: Ein kommunaler Wahlbeamter darf nicht mehr antreten, wenn er über 65 ist. Das Gesetz geht wohl davon aus, dass Bürgermeister noch im Besitz ihrer geistigen und körperlichen Kräfte sein müssen. Bei Ministerpräsidenten ist man da nachsichtiger.

SZ: Wie schaut es mit einem SPD-Nachfolger für Christian Ude aus?

Ude: Ja, bestens (lacht). Immer noch bestens: Ich habe seit Mitte der neunziger Jahre die Nachfolgefrage stets geregelt gehabt. Neben dem Parteivorsitzenden, der im Falle eines plötzlichen Ausscheidens des OB den ersten Zugriff hat, gibt es drei Persönlichkeiten, die das Amt übernehmen könnten. Eine davon ist mir abhanden gekommen, die zwei anderen nicht.

SZ: Florian Bieberbach ist Ihnen abhanden gekommen an die Stadtwerke.

Ude: Das ist richtig.

SZ: Haben Sie ihre Entscheidung, nochmal anzutreten, inzwischen schon einmal - und sei es auch kurz - bereut?

Ude: Nein. Zur Zeit macht das Amt einfach unheimlichen Spaß. Auch im Städtetag ist in diesem Jahr fast alles gut gegangen, von der Rettung der Gewerbesteuer bis zur Nahverkehrsrichtlinie.

SZ: In einem Ihrer Kabarett-Sketche sinnieren Sie darüber, wie Sie Quälgeistern in Gedanken androhen: Wartet nur, das zahle ich euch heim. Wer aus dem Jahr 2006 muss denn fürchten, vom OB auf die Schippe genommen zu werden?

Ude: Es hätte etwas mit Kunst im öffentlichen Raum zu tun. Aber dieses Thema ist so sensibel - oder besser gesagt: diejenigen, die damit zu tun haben, sind so sensibel, dass ich es doch lieber erst nach der Wahl veröffentliche.

© SZ vom 27.12.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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