Hubschrauber für den Notfall:Dramatische Minuten

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Rettungsflugärzte müssen den Notfall meistern - unter schwierigsten Bedingungen. Nun lernen sie im Simulationstraining am Klinikum Großhadern effektive Kommunikation im Hubschrauber.

Barbara Brubacher

Es eng hier drin und trotz der kühlen Außentemperatur Mitte Februar stickig und heiß: Auf nur knapp drei Quadratmetern begleiten die erfahrene Flugrettungsärztin Konstanze Brantl vom Klinikum Großhadern und ihr Rettungsassistent Peter Atzinger im Intensivtransport-Hubschrauber Christoph München der HDM-Flugrettung einen schwer am Kopf verletzten Mann. Er ist die Kellertreppe hinabgestürzt und muss zur weiteren Behandlung in eine Spezialklinik verlegt werden.

Dramatische Minuten in luftigen Höhen. (Foto: Foto: Andreas Heddergott)

Es geht vom Kemptener Klinikum nach Murnau - nur knapp 15 Minuten soll der Flug dauern. Im hinteren Teil des rot-weißen Eurocopters 145 haben gerade die Liege für den Patienten, zwei Sitze für das medizinische Personal und ein Sitz für einen möglicherweise mitfliegenden Angehörigen Platz. Stehen ist hier unmöglich, und alle Begleiter müssen Helme mit verkabelten Headsets tragen, um sich im Höllenlärm der Hubschrauber-Turbinen verständigen zu können.

Dramatische Minuten

Zunächst scheint alles gut zu gehen, der Intensiv-Patient ist stabil und ansprechbar. Doch plötzlich gibt es massive Probleme: Der Mann reagiert nicht mehr, seine Werte verschlechtern sich. Die Ärztin diagnostiziert noch während des Flugs ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, der Mann droht auf dem kurzen Flug zu sterben.

Für Brantl und Atzinger beginnen dramatische Minuten: Jetzt muss jeder Handgriff sitzen, jede Anweisung stimmen und verstanden werden. Eine Notlandung wird in Erwägung gezogen, um den Patienten ohne Flugturbulenzen in Narkose zu versetzen und zu intubieren - doch manchmal lassen dies Wolken und schlechte Sicht absolut nicht zu. Die beiden Patientenbegleiter haben Glück: Heute kann der Pilot runtergehen.

Auch am Boden müssen die beiden Schwerstarbeit leisten: Den Platz tauschen, damit die Ärztin im Kopfbereich des Patienten besser agieren kann, Spritzen, Medikamente bereitlegen, Mundstücke für die Beatmung auswechseln und ganz nebenbei dem übernehmenden Krankenhaus mitteilen, dass nach der Landung ein sofortiger Weg in den OP nötig ist. Nach bangen Minuten stabilisiert sich der Zustand des Patienten endlich wieder; dank der professionellen Handlungsweise der beiden medizinischen Begleiter ist alles noch mal gut gegangen.

Nach den 15 Minuten Flug steigen die beiden aus, immer noch angespannt, aber erleichtert, dass sie den Notfall gemeistert haben. Auch wenn ihr heutiger Patient nur ein - allerdings äußerst echt aussehender - "Patientensimulator" war. Ihr Flug mit dem "Schwerverletzten" wurde auf Video aufgezeichnet und soll nun vom Team der Arbeitsgruppe "Simulation & Training" der Klinik für Anaesthesiologie am Klinikum Großhadern analysiert werden.

Beide sind zusammen mit 16 weiteren Ärzten und Rettungsassistenten des Arbeiter-Samariter-Bundes Teilnehmer eines speziellen Heli-Simulationstrainings unter dem Titel "Zwischenfallmanagement im Interhospitaltransfer".

Die seit zweieinhalb Jahren bestehende Arbeitsgruppe am Klinikum will das Training künftig in regelmäßigen Abständen nicht nur für die Münchner Rettungsflugärzte, sondern auch an anderen HDM-Luftrettungsstationen in Deutschland anbieten. Das Ziel: die Sicherheit des Patienten und der Crew zu verbessern, erklärt der Initiator und Anästhesist Peter Lackermeier vom Klinikum Großhadern.

"Ähnlich wie Piloten, bei denen Simulations-Trainings unter Ernstfallbedingungen schon lange gang und gäbe sind, können auch begleitende Ärzte und anderes medizinisches Personal durch unsere Kurse lernen, in kritischen Momenten einen kühlen Kopf zu bewahren." Das wichtigste sei vor allem die Kommunikation innerhalb der Crew: In nur wenigen Sekunden muss jeder Beteiligte verstehen, was der andere sagt und äußerst schnell umsetzen können.

Schnelle Entscheidungen

In diesem Jahr wurden erstmals im neuen Hangar des am Klinikum Großha-dern stationierten Intensiv-Rettungshubschraubers realistische Szenarien aufgebaut - neben dem Simulationsflug mit einem Schwerverletzten im Helikopter auch ein schwerer Unfall mit einem Mountainbiker auf der Straße.

Zudem gab es auf der Intensivstation im Klinikum ein simuliertes "Übergabegespräch" zwischen einem örtlichen Ärzteteam und den übernehmenden Kollegen eines Intensivtransports zu einer weiter behandelnden Klinik. Und obwohl es sich bei den Patienten um Simulator-Puppen handelte, haben die Notfallretter bereits innerhalb von Minuten das Gefühl verloren, dass die Situation nur gestellt war, bestätigten alle Teilnehmer übereinstimmend.

Im Vordergrund stand bei allen Szenarien die Frage: Wie können die Beteiligten auch in Stresssituationen ihre Gespräche effektiver und zielgerichteter gestalten? Bei einem nur kurzen Flug von Intensivpatienten sind schnelle Entscheidungen für Patienten und Crew überlebensnotwendig - zum Beispiel auch bei der Frage, ob ein Defibrillator zur Wiederbelebung in der Luft eingesetzt werden sollte. Wegen der empfindlichen Elektronik im Heli ist gerade diese Maßnahme immer wieder ein risikoreiches Unterfangen.

Gut für den Patienten

"Die Rettungsmediziner sind dank Simulations-Trainings heute besser als je zuvor", betont der Ärztliche Direktor des Klinikums Großhadern und der Klinik für Anaesthesiologie, Professor Klaus Peter. Gerade die Arbeit in Kleinstgruppen mit gestellten Szenarien, die in der Praxis nur selten vorkommen, zeigten den Notfallmedizinern, wo noch Defizite bestehen und was sie im Ernstfall besser machen könnten.

"Medizinischer Erfolg lebt von der Erfahrung und von der Übung, mit klarem Kopf auch in unvorhergesehenen Situationen zu agieren - darum sind diese Trainingsstunden auch so elementar wichtig und kommen direkt dem Patienten zugute."

© SZ vom 22.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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