Hohenbrunn:Die Trabantenstadt ist in weite Ferne gerückt

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Abstellplätze für Autos und Räder gibt es hier in Hülle und Fülle / 100 Jahre altes Bahnhofsgebäude

Von Claudia Schmohl

Der Bahnhof Hohenbrunn wurde vor hundert Jahren auf der grünen Wiese gebaut - und dort steht er bis heute. Beim Ausgang an der Ostseite wird der Neuankömmling von einem dicken roten Kater begrüßt. Zwischen Einfamilienhäusern stehen im Sommer Pferde auf der Koppel. Im Hintergrund leuchten die Zwiebeltürme von St. Stephanus. Von Westen her weht der eisige Wind ungehindert über Felder und Wiesen.

Kaum vorstellbar, dass hier noch in den 70-er Jahren eine Trabantenstadt mit 20000 Einwohnern entstehen sollte. Seit etliche Landwirte dort ihre Grundstücke an Neue Heimat, Bauland und Co. verkauft haben, blockieren sie im Gemeinderat jede weitere Entwicklung von Hohenbrunn-West. Dies ist auch eines der Probleme des S-Bahnhofes. "So lange dort nicht gebaut wird, bekommen wir keinen behindertengerechten Zugang zum Bahnsteig", sagt der Ortschronist und Kirchenpfleger Heinrich Gröber. Als er vor einiger Zeit im Auftrag des Ordinariats Baugrundstücke im Neubaugebiet Flößergasse vergeben sollte, musste er Rollstuhlfahrern und Gehbehinderten Absagen erteilen, eben weil diese die S-Bahn nicht erreichen können.

Es ist kein Prachtbahnhof wie in Perlach oder Neubiberg, der zur Eröffnung der Bahnlinie Giesing-Aying im Bauerndorf Hohenbrunn hingestellt wurde, eher ein schlichter Zweckbau "von der Stange", baugleich beispielsweise mit dem Dürrnhaarer. Heinrich Gröber erinnert sich noch daran, wie hier Postpakete gelagert wurden und ein Landwirt täglich mit seinem Fuhrwerk Milchkannen einsammelte und bis zum Weitertransport nach München dort abstellte.

Aus der Großstadt wiederum kamen die Sommerfrischler und kauften sich im Biergarten vom nahe gelegenen "Alten Wirt" eine frische Maß. Die Wochenend-Siedlung am Grasbrunner Weg ist in jener Zeit entstanden. In den 50-er Jahren wurde dann das kleine Häuschen gegenüber gebaut - als Unterkunft für die Streckenarbeiter und als Lager für deren Gerätschaften.

Dort fanden die Reisenden einst eine öffentliche Toilette, die man heute vergeblich sucht. In beiden Gebäuden treffen sich die "Eisenbahnfreunde München-Land e. V.", die hier auch ihre umfangreiche Modelleisenbahn-Sammlung aufgebaut haben. Die Gemeinde Hohenbrunn verhandelt gerade mit der Bahn über den Erwerb der Bauten und des Geländes der Park&Ride-Anlage. Die Eisenbahnfreunde, so wurde diesen signalisiert, dürfen trotzdem bleiben.

Wenn die S-Bahnstation Hohenbrunn etwas im Überfluss besitzt, dann ist es Parkraum. Genau 99 Auto- und 40 überdachte Radabstellplätze hat Irmgard Ostermaier gezählt, die die gemeindlichen Liegenschaften verwaltet. Genutzt wird nur ein Bruchteil davon. Vielleicht liegt es an den vier Streifen auf der Fahrkarte, die man von hier bis München abstempeln muss, so dass Pendler den nahe gelegenen Bahnhof Ottobrunn bevorzugen. Auch die beiden Radständer sind fast verwaist, obwohl die Gemeinde erst vor wenigen Jahren einen wunderschönen, beleuchteten Radweg von der Luitpoldsiedlung zum Bahnhof angelegt hat.

Einige Zweiräder sind an der Leitplanke in Höhe des Bahnsteig-Südendes festgesperrt. Von dort aus führen verräterische Fußspuren über die Gleise. Über zwei metallene Trittbretter gelangt man bequem auf den Bahnsteig hinauf.

Rätselraten auch bei Irmgard Ostermaier: Wer hat die Aufstiegshilfen angebracht? Die Bahn sicher nicht, denn der Weg über die Gleisanlage ist lebensgefährlich und natürlich streng verboten. Vermutlich haben Bahnfahrer zur Selbsthilfe gegriffen, weil ihnen der Weg bis zur Unterführung zu weit und die Treppe zum Bahnsteig zu steil ist.

So döst der 100 Jahre alte "Wildwest"-Bahnhof weiter vor sich hin und wartet darauf, dass mit der Bebauung von Hohenbrunn-West der Zug der Zeit eines Tages auch hier ankommt - mit Lift, Toiletten, Kiosk und einem Schutz gegen den beißenden Westwind.

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