Hochhaus-Streit:Kronawitter setzt SPD unter Druck

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Der Alt-OB verlangt einen Hochhaus-Parteitag und Bürgerentscheide über alle Projekte ab 120 Meter.

Alfred Dürr

(SZ vom 16.6.2001) - Altoberbürgermeister Georg Kronawitter setzt seinen Amtsnachfolger Christian Ude und seine Partei, die SPD, massiv unter Druck: Bei den Planungen für Hochhäuser in München dürfe man nicht länger warten, "bis irreparable Fakten geschaffen werden". Die Hochhausfrage müsse noch vor der Stadtratswahl im März nächsten Jahres öffentlich diskutiert werden.

Die SPD könne dieses "Jahrhundertthema" nicht ignorieren.

Spektakuläre Einmischung

Spektakulär hatte sich Georg Kronawitter, der insgesamt 15 Jahre lang Münchner Oberbürgermeister war und 1993 sein Amt an Christian Ude abgab, im März diesen Jahres aus dem Ruhestand in die aktuelle Kommunalpolitik eingemischt.

Mit unverholener Kritik an geplanten Hochhaus-Projekten fuhr Kronawitter seinem Nachfolger und Parteifreund in die Parade. Der Alt-OB sprach von einem ungebremsten Höhenrausch, von der Rendite-Gier finanzstarker Investoren und nicht zuletzt von der Mutation Münchens zu einer mit beliebigen Hochhäusern verschandelten Allerweltsstadt.

Forderung nach öffentlicher Debatte

Kronawitters Kernthese: Statt einer hektischen und eher im verborgenen geführten Hochhaus-Planung brauche man verbindliche Richtlinien und eine breite öffentliche Debatte, bis hin zum Bürgerentscheid über einzelne Projekte.

Die "Jahrhundertfrage"

Die Resonanz auf Kronawitters Vorstoß war seitens der Stadtspitze und der SPD allerdings nicht gerade überwältigend. In Udes Umfeld spielte man den Konflikt herunter: Kronawitter wolle nur Öffentlichkeitsarbeit für sein neues Buch machen.

Doch der streitbare Alt-OB läßt nicht locker. Es ist für ihn eine "Jahrhundertfrage", ob in München Häuser mit rund 200 Metern Höhe gebaut werden oder nicht.

Darüber könne nicht nur nebenbei geredet werden.

Jetzt setzt Kronawitter vor allem die SPD unter Druck. Er fordert so rasch wie möglich einen eigenen Hochhaus-Parteitag, auf dem ein Standpunkt zu dem Thema herausgearbeitet und beschlossen werden soll.

Kronawitter: "Ein solches Jahrhundertthema darf doch nicht an der Partei vorbei gehen."

Zuvor könnten sich die Genossen etwa mit einer Busfahrt nach Frankfurt intensiv über die Vor- und Nachteile solcher Großprojekte kundig machen.

Rote Ballons am Frauendom

Außerdem sollten direkt neben dem 100 Meter hohen Liebfrauendom und am Georg-Brauchle-Ring, wo ein Hochhaus geplant ist, mit roten Ballons die Höhe von 200 Metern markiert werden, damit jeder ein Bild von den Größendimensionen habe.

Anschließend könnte dann nach Kronawitters Vorstellung zeitgleich mit dem Bürgerentscheid über den Neubau des Fußball-Stadions eine Abstimmung der Münchner über Hochhausprojekte stattfinden.

Kronawitters Kriterien

So sehen die Kriterien Kronawitters aus, die seiner Ansicht nach die weitere Debatte bestimmen sollen: Innerhalb des Mittleren Rings will er überhaupt keine neuen Hochhausprojekte mehr zulassen. Außerhalb des Altstadtbereichs können sie gebaut werden - allerdings darf dann das Höhenmaß der Frauentürme mit 100 Metern nicht wesentlich überschritten werden.

Das einzelne Projekt muss von hoher Qualität sein und zur Stadt sowie zum Viertel passen. Der Stadtrat muss einen Bürgerentscheid herbeiführen, wenn das Frauenturm-Maß wesentlich überschritten wird, also von 120 Meter aufwärts, und es sich um Doppeltürme oder gar um ein Hochhaus-Ensemble handelt.

Als einen ausgesprochenen Hochhaus-Feind sieht sich Kronawitter nicht. Der BMW-Vierzylinder oder das Hypo-Hochhaus seien herausragende Beispiele gelungener Architektur und eine Bereicherung für das Stadtbild. Heute würden Hochhäuser aber nur als Vermieterobjekte geplant, die zu allererst höchsten Renditeansprüchen der Investoren genügen müßten:

"Ob solche Vierkantbolzen zum Stadtviertel passen ist zweitrangig." Um Höhe und Geschoßflächenzahl werde geschachert wie unter tunesischen Teppichhändlern um den Preis ihrer Ware.

Gelassener OB Ude

Sowohl Oberbürgermeister Christian Ude als auch der Vorsitzende der Münchner SPD, Franz Maget, reagierten gestern gelassen auf Kronawitters erneuten Vorstoß. Die Altstadt-Silhouette werde man weiterhin wie einen Augapfel hüten, so Ude.

Beim besonders umstrittenen Projekt am Georg-Brauchle-Ring habe es eine intensive öffentliche Debatte und eine Erörterung in der Fachwelt gegeben. Kritisch sieht aber auch Ude, dass die von den Investoren angestrebte Verdichtung nicht immer stadtverträglich sei und es oft auch Defizite bei der Architektur gebe.

Maget sagte der SZ, dass er keinen Anlass für einen eigenen Hochhaus-Parteitag sehe.

Im Zuge der Diskussion um das kommunalpolitische Programm werde man die Hochhaus-Frage ausführlich erörtern. Im Programmentwurf ist das Thema allerdings nur am Rande erwähnt.

Einen Kommentar zum Thema lesen Sie in der SZ vom 16.6.2001

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