Hochhaus-Frage:Kühne Pläne für das "ultimative Hochhaus"

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Stadtgestaltungskommission berät über Entwürfe für ein bis zu 263 Meter hohes Gebäude am Mittleren Ring

Martin Thurau

(SZ vom 08.07.1998) - Das Hochhaus am Georg-Brauchle-Ring soll höher werden als bislang geplant. Statt an ein Gebäude von rund 150 Metern denken die Bauherren jetzt an einen Büroturm von 205 oder gar 263 Metern. Entsprechende Entwürfe präsentierte der Düsseldorfer Architekt Christoph Ingenhoven gestern vor der Stadtgestaltungskommission.

Ursprünglich waren für das Filetgrundstück unweit des Olympiageländes die sogenannten Twin Towers des Münchner Architekten Udo Welter favorisiert worden. Erst vor kurzem hatte die Investorengesellschaft, hinter der die Hypo-Bank steht, bekanntgegeben, daß sie stattdessen den im Wettbewerb zweitplazierten Ingenhoven-Entwurf verwirklichen will.

Der hatte zuerst ein Hochhaus von lediglich 104 Metern vorgesehen. Den jüngsten Schritt nach oben begründet Gisbert Dreyer, Geschäftsführer der Hypo-Immobilien-Tochter Hypo-Real, mit "städtebaulichen und architektonischen Gründen". Er sieht das Projekt am Georg-Brauchle-Ring als "Angebot an die Stadt", ein markantes Hochhaus zu verwirklichen, in einer Lage überdies, die auch entsprechende Studien als besonders geeignet für architektonisches Zeichen bewerteten.

Höher als Norman Foster

Es könnte, schwärmt Dreyer, den "Übergang ins postindustrielle Zeitalter symbolisieren". Es sei im übrigen ein paar Meter höher als der Turm der Commerzbank in Frankfurt von Norman Foster. Lasse die Stadt München diese Chance verstreichen, werde es auf absehbare Zeit keine neue geben. "Niemand wird sich zutrauen, ein ähnliches Projekt zu bauen."

Dreyer wirbt mit den Vokabeln "technologisch hochintelligent" und "ästhetisch ansprechend" für den Ingenhoven-Entwurf. Die hohe Variante nennt er gar das "ultimative Hochhaus". Die Frage der Höhe berühre in der Tat die "Diskussion um die Schönheit des Hochhauses", seiner Silhouette und seiner Fernwirkung, sagte Architekt Ingenhoven vor der Kommission.

Er empfinde es als "schmerzhaft", wenn schlanke Türme gleichsam abgeschnitten wirkten. Das wohlproportionierte Verhältnis Breite zu Höhe liege bei einem Grundriß von 36 mal 36 Metern "deutlich über" den bislang vorgesehenen 146 Metern. Bei kleinerer Grundfläche aber werde der Aufwand für die Erschließung des Gebäudes übermäßig hoch.

Tür zur 200-Meter-Marke

Ein solches Mißverhältnis hatte nach Aussage Dreyers auch die besonders schlanken Twin Towers aus dem Rennen geworfen. Die Stadtgestaltungskommission reagierte tendentiell positiv auf die Aufstockung. Sie forderte jedenfalls mit großer Mehrheit die Bauherren auf, entsprechende Modelle vorzulegen. OB Christian Ude wollte damit "eine Tür aufstoßen für eine weitere Höhenentwicklung" - zumindest bis etwa zur 200-Meter-Marke.

Das Konstruktionsprinzip des Turmes ist nach den bisherigen Plänen weitgehend unabhängig von der Höhe: Hinter der durchgehenden "kristallin wirkenden" Fassade aus Glas und Stahl - die Fenster reichen vom Boden bis zur Decke - sind am Gebäudekern, der unter anderem zehn Lifte beherbergt, einzelne Pakete von je rund zehn Stockwerken abgestützt.

Je nach Variante handelt es sich um drei, vier oder fünf solcher Pakete, was die Stadtgestaltungskommission als "Stapelei" kritisierte. In den trägerdominierten Zwischengeschossen ist ein Großteil der Haustechnik untergebracht. Auch in der rund 16 Meter hohen Eingangshalle soll das Tragwerk sichtbar bleiben. Den oberen Abschluß des Gebäudes bilden Konferenzräume und Aussichtsplattform, die von einem gewächshausartigen Garten umgeben sind.

Energieverbrauch unter Normalstandard

Der Energieverbrauch des Turmes soll um 40 Prozent unter dem Normalstandard liegen, den klimatisierte Gebäude haben. Ähnlich wie bereits bei der von Ingenhoven gebauten Zentrale des Energiegiganten RWE in Essen, sollen beim Bau weitestgehend industriell vorgefertigte Module verwendet werden. Das soll die Systematik und die Technik des Gebäudes verbessern und laut Dreyer auch für mehr "Eleganz und Feinheit" sorgen.

Zu dem Projekt am Georg-Brauchle-Ring gehören - in zweiter Reihe - auch vier hufeisenförmige Gebäude mit sieben Geschossen, die allerdings bei einem höheren Turm kleiner ausfielen. Davor wird eine durchgehende gläserne 25 Meter hohe Schallschutzwand errichtet. Am Georg-Brauchle-Ring, in erster Reihe, stehen das Hochhaus und östlich davon ein eher würfelförmiges Konferenzgebäude, dazwischen eine Plaza genannte Freifläche.

Die Gebäude haben eine Bruttogeschoßfläche von 82.000 Quadratmetern, bei einem vorausberechneten Bauvolumen von weit über 300 Millionen Mark. Bezugsfertig könnte der Ingenhoven-Turm günstigstenfalls im Jahre 2001 sein. Wegen der 1A-Lage, bald auch mit U-Bahn-Anschluß, sei er auf jeden Fall gut zu vermieten, sagt Dreyer.

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