Hochhaus-Frage:Kronawitter wirft Ude "Höhenrausch" vor

Lesezeit: 2 min

Erstmals seit seinem Rücktritt meldet sich der Alt-OB zu Wort - er kritisiert die Baupolitik seines Nachfolgers

Alfred Dürr

Oft, und ganz besonders zu Wahlkampfzeiten, treten sie als die drei SPD-Polittenöre auf: Die beiden Alt-Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel und Georg Kronawitter zusammen mit dem derzeitigen Stadtchef Christian Ude. In großer Harmonie singen sie dann Loblieder auf den jeweils anderen. Doch nun mischen sich laute Misstöne ins Konzert. Erst kritisierte Vogel vehement die von Ude befürworteten Radikal-Umbaupläne für das Olympiastadion, jetzt fährt Kronawitter mit massiver Kritik an geplanten Hochhaus-Projekten seinem Nachfolger in die Parade und verlangt die Rückkehr zur Nüchternheit im Münchner "Höhenrausch".

Auslöser für Kronawitters Attacken war offenbar ein SZ-Bericht, in dem über neue Hochhauspläne berichtet worden war. Angetrieben von der Rendite-Gier finanzstarker Investoren droht nach Kronawitters fester Überzeugung München ein schlimmer Gesichtsverlust und die Mutation zu einer Allerweltsstadt: "Es kann doch nicht sein, dass nur noch die Investoren bestimmen, wie München aussieht".

Im Münchner Norden, im Bereich der Donnersbergerbrücke oder auch am Ostbahnhof sind Hochhäuser geplant. In geradezu atemberaubender Geschwindigkeit wechselten dabei Gestalt, Höhenentwicklung, Ausstattung und Geschossfläche der einzelnen Projekte, so Kronawitter - von einer "behutsamen Stadtentwicklung", die er während seiner 15-jährigen Amtszeit immer wieder proklamiert hatte, könne längst keine Rede mehr sein.

Ein genereller Hochhaus-Gegner ist Kronawitter allerdings nicht: "Außerhalb des Mittleren Rings konnte ich mir sie durchaus immer vorstellen, wenn auch nicht als Wolkenkratzer-Monster. Sie müssten zum Viertel und zur Stadt München passen."

Geradezu fassungslos ist der Alt-OB, wenn er sich zum Beispiel die Entwürfe für den möglicherweise 212 Meter hohen Turm des Düsseldorfer Architekten Christoph Ingenhoven am Georg-Brauchle-Ring betrachtet: "Außer hoch und einfältig fällt mir kein anderes Qualifikationsmerkmal ein."

Wo wohnen die Arbeitnehmer?

Wie ein "verlorener Eckzahn" stehe das Gebäude da. Das "originelle BMW-Zylinder-Hochhaus" verkomme daneben zu einer "relativ spießerischen Angelegenheit". Kronawitters Kernthese und der Vorwurf in Richtung Rathausspitze: Die Frage nach der grundsätzlichen Verträglichkeit von Hochhäusern (Wo sind zum Beispiel die Wohnungen für die vielen Tausend Menschen, die in ihnen arbeiten werden?) sei bis jetzt weder ausführlich diskutiert noch überzeugend beantwortet worden.

Statt einer "hektische Hoppla-hopp-Hochhaus-Planung" brauche man endlich verbindliche Richtlinien. Kronawitter will außerdem die Bürger über Hochhäuser mit mehr als 100 Metern abstimmen lassen: "Gravierende Veränderungen des Gesichts unserer Stadt müssen von der Gesamtbevölkerung legitimiert werden."

Erstmals seit dem Rücktritt als Oberbürgermeister vor acht Jahren tauchte Kronawitter am Mittwoch wieder im Rathaus auf, um Politik zu machen. Seine Thesen präsentierte er allerdings etwas abseits der Chefetage, im Ehrenbürgerzimmer des Alten Rathausturmes. Kronawitter hat ein Buch mit dem Arbeitstitel "Die eigene Handschrift" in Vorbereitung, in dem er Rückschau auf seine OB-Zeit hält. Aktuell sind dabei die Hochhäuser.

Es gebe keinen persönlicher Streit mit Ude, versichert Kronawitter - und in Udes Umfeld spielt man den Konflikt auch gleich herunter. Ein wenig Öffentlichkeitsarbeit für sein neues Buch könne man dem Alt-OB schon zugestehen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: