Hildebrandt, Ude und Co:Die idealen Windel-Models

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"Die Zeit der Ausreden ist vorbei, jetzt wird gehandelt" - Lagerfeld und Joop als ideale Windel-Models: Kabarettisten und das Thema Altern beim 50. Pflegestammtisch.

Sven Loerzer

Der Kampf für eine bessere Pflege erreicht immer breitere Bevölkerungsschichten: Als der Pflegestammtisch seine 50. Veranstaltung feiert, ist der große Festsaal des Löwenbräukellers mit mehr als 1200 Plätzen komplett ausverkauft. "Das Thema ist nicht mehr von der Tagesordnung zu bringen", freut sich Pflegekritiker Claus Fussek und gibt die Devise aus, "die Zeit der Ausreden ist vorbei, jetzt wird gehandelt".

Dieter Hildebrandt auf dem Pflegestammtisch. (Foto: Foto: Catherina Hess)

Vom neuen bayerischen Heimgesetz, dessen Entwurf gerade erarbeitet wird, erhofft sich Fussek, dass es "das beste in der Bundesrepublik" werde. Sozialministerin Christa Stewens, regelmäßige Besucherin des Stammtischs, sichert zu, sie betrachte dies "als Auftrag und Verpflichtung".

"Gucci, die sind so scharf geschnitten"

Große Unterstützung bekommt der Pflegestammtisch gleich von einer ganzen Riege von Kabarettisten, die dafür viel Beifall ernten: Dieter Hildebrandt, Bruno Jonas, Klaus Peter Schreiner und Maria Peschek, aber auch Oberbürgermeister Christian Ude setzen sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit dem Altern auseinander. "Der eigene Anblick kränkt mich bisweilen", gesteht Bruno Jonas, 54, dem Freunde schon zum 40. Geburtstag eine Schnabeltasse und einen Altenheimführer geschenkt haben.

Er setzt sich mit Pflege-Innovationen, wie Windeln mit drei und mehr Litern Füllungsvermögen, auseinander und empfiehlt Karl Lagerfeld und Wolfgang Joop als "ideale Models", um die Erwachsenenwindel richtig werbewirksam auf den Laufsteg zu bringen. Windel-Modefragen könnten dann künftig für Gesprächsstoff im Altenheim sorgen: "Was trägst Du?" - "Gucci, die sind so scharf geschnitten."

Während sich Jonas noch darüber mokiert, dass es offenbar Pflegekräfte gibt, "die nicht wissen, was zu tun ist, wenn Menschen Hunger oder Durst haben", verweist Stewens auf die Heimwirklichkeit: Ihr Ministerium habe sogar anordnen müssen, die Badewassertemperatur mit der Hand zu kontrollieren, damit sich alte Menschen nicht verbrühen, wie in mehreren Fällen bereits vorgekommen.

In bitterbösen Worten geißelt Klaus Peter Schreiner, 76, die bundesdeutsche Sozialpolitik. Über kurz oder lang werde ein Gesetz kommen, prophezeit er, "das alle über 75-Jährigen verpflichten wird, bei Rot über die Kreuzung zu robben". Maria Peschek, 53, gibt die jugendlich-unbedarfte Girlie-Moderatorin, die sich zum ersten Mal in einem Pflegeheim umschaut und völlig überdreht berichtet.

"Oh mein Gott, was geht denn hier ab, die sind gefesselt." Einen besonders bewegenden Auftritt steuert OB Christian Ude bei: Er liest einen Text über seine Mutter, zeichnet in liebevoll erzählten Anekdoten nach, wie trotz der zunehmenden Gebrechen im Alter ihre Persönlichkeit noch immer in dem ihr eigenen Humor zum Ausdruck kam.

"Ich gehöre zu den Fällen, über die gesprochen wird", spielt Dieter Hildebrandt darauf an, dass er in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag feiert. "Es kommen zu unserer Verwunderung immer mehr alte Menschen auf die Welt." Trotz der Kürzungen bei den Sozialausgaben werde es wohl kein Heulen und Zähneklappern geben: "Wie denn - wenn die dritten Zähne gar nicht mehr von der Kasse bezahlt werden."

© SZ vom 9.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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