Haus der Kunst:Fabrikneue Psychoarchitektur

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Pamela Anderson legt sich an den Pool und lässt sich dabei fotografieren. Bleibt die Frage, was diese Bilder in einem Museum zu suchen haben.

Holger Liebs

Pamela Anderson, ein Starlet aus Kanada, hat durch einige Fernseh- und Filmerfolge sowie durch spektakuläre öffentliche Auftritte auf sich aufmerksam gemacht. In der amerikanischen TV-Serie "Baywatch" etwa konnte sie sich in der Rolle einer Rettungsschwimmerin profilieren.

Ihrer als Romanfiktion verkleideten Autobiografie "Star" entnehmen wir, dass es neben ihrem durch diverse kosmetische Eingriffe veränderten Äußeren vor allem ihr einnehmender Charakter gewesen sei, welcher ihren Ruhm begründet habe. Ein bekanntes Nacktmagazin kürte sie gleich sechsmal zum "Covergirl". Pamela Anderson ist Mutter von zwei Kindern.

Es konnte nicht ausbleiben, dass mittlerweile auch namhafte Fotografen sich für Miss Anderson interessieren. Einer dieser Fotografen heißt Sante D´Orazio; er hat mit Aktaufnahmen so genannter "Supermodels" von sich reden gemacht.

D´Orazios Aufnahmen von Pamela Anderson sind von heute an im Terrassensaal des Münchner Hauses der Kunst ausgestellt. Der Anlass: Im Schirmer/Mosel Verlag erscheint zeitgleich ein Bildband mit D´Orazios Bildern.

Vorteilhafte Front- und Heckpartie in Hochglanz

Die Aktaufnahmen sind allesamt sehr ansprechend. Miss Anderson posiert über den Hügeln von Hollywood an einem Pool und in einem Bambuswald. Ihre Rundungen kommen äußerst vorteilhaft zur Geltung.

Nur selten trägt sie Kleidungsstücke wie einen Slip mit Dollarzeichen aus Brillanten oder eine durchsichtige Regenjacke, meist aber Schmuck und Stilettos sowie eine zeittypische Dornen-Tätowierung am linken Oberarm. Ihre Haare sind gefärbt.

Die Posen sind insbesondere geeignet, dem Bildbetrachter ihre üppige Oberweite zu präsentieren. Der Gesichtsausdruck soll Verführbarkeit anzeigen.

Im Katalog wird Miss Anderson wahlweise als "Göttin" oder als "Psycho-Architektur" bezeichnet. Beides leuchtet nicht recht ein. Die Aufnahmen legen eher einen Vergleich mit Glanzkatalogen nahe, wie es sie zum Beispiel von Automobilen gibt.

In diesen werden die zumeist fabrikneuen Wagen von allen Seiten optimal ausgeleuchtet, um die Konsumentscheidung zu erleichtern. Front- und Heckpartie, Kotflügel, Chromfelgen und Innenverkleidung müssen dieser Strategie zufolge angemessen ansprechend zur Geltung kommen.

Perfektion für den Preis eines Mittelklassewagens

Der Mythos des Automobils speist sich nicht zuletzt aus der Aura von Perfektion, die als Behauptung dem Versprechen der unbegrenzten Mobilität zugrundegelegt wird. Nur selten finden sich Aufnahmen von Unfallschrott überhaupt je publiziert. Sie sind genauso unattraktiv wie Bilder von Eingriffen der kosmetischen Chirurgie.

Der Reiz der Fotografien von Pamela Anderson speist sich, im Lichte dieser Betrachtung, vor allem aus der augenscheinlichen Vollkommenheit ihres Körpers, wenn man zeitgenössische Schönheitsideale zugrundelegt, bei gleichzeitigem Bewusstsein der Tatsache, dass dieser Körper schon zahlreiche Male auf dem Operationstisch gelegen hat.

Und auch dieser Anschein der Perfektion lässt sich kaufen: Die Fotografien von Sante D´Orazio sind erwerbbar; sie kosten jede für sich in etwa so viel wie ein fabrikneuer Volvo-Kombi.

Wir gratulieren Miss Anderson zu ihrem wohlproportionierten Körper, der, so umfassend es bei Abwesenheit der realen Person eben geht, nun in München in seiner ganzen Fülle erfahrbar wird. Bleibt die Frage, was diese Bilder, wenn auch nur eine Woche lang, im Museum zu suchen haben.

"Pamela Anderson. American Icon. Fotografien von Sante D"Orazio", Haus der Kunst München, bis 15. September. Tel.: 089 / 211 27 113. Bildband bei Schirmer/Mosel, 98 Euro.

© SZ vom 8.9.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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