Grünes München:Ökologie gegen Ökonomie

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München tut viel für den Umweltschutz - doch Bodenversiegelung und zunehmender Verkehr bereiten Probleme

Jan Bielicki

Der Stolz des Joachim Lorenz ist am besten vom Dach eines Parkhauses zu überblicken. ,,Das'', sagt er und weist mit der Hand über die glitzernden Hallendächer der Riemer Messe, ,,ist eines der größten dachgestützten Sonnenkraftwerke der Welt.'' Auf einer Fläche von der Größe mehrerer Fußballfelder blinken die Sonnenkollektoren. Zwei Megawatt Strom holen sie aus dem matten bayerischen Sonnenlicht.

Weit weg am Horizont schickt ein Schornstein des Föhringer Heizkraftwerks Rauchzeichen traditionellerer Stromgewinnungstechnik in den Himmel über München. Lorenz dreht sich um und deutet auf das Flachdach des Parkhauses: ,,Und hierher stellen wir eine nachführende Photovoltaik-Anlage'' - Sonnensegel also, die sich nach dem Sonnenstand richten. ,,Teuer'', schwärmt Lorenz, ,,aber modernster Stand der Technik.''

Bundeshauptstadt im Energiesparen

Es sind technische Anlagen wie diese, mehr noch aber Förderprogramme und andere Projekte, die es München nach einem Wettbewerb der Deutschen Umwelthilfe ganz offiziell erlauben, sich ,,Bundeshauptstadt im Energiesparen'' zu nennen. Oder auch Einrichtungen wie das Bauzentrum, von dessen Dach der städtische Umweltreferent auf seine Solarlandschaft schauen kann.

Informationen für Bauherren, Hausbesitzer und Mieter gibt es hier - und dazu reichlich Tipps, wie Energie einzusparen wäre. Bitteschön nicht, warnt Lorenz, mit den immer populärer werdenden offenen Kaminen im Wohnzimmer: ,,Das sind oft nur verkappte Müllverbrennungsanlagen.''

Die Nachfrage nach Spartipps ist groß: Eben hat die Stadt die Bedingungen verschärft, unter denen es städtisches Fördergeld für umweltverbessernde Renovierungsarbeiten gibt. ,,Sobald der Ölpreis auf 50 Dollar pro Barrel steigt, rennen sie uns die Türe ein'', hat Lorenz beobachtet. Er sieht München ,,in Deutschland ganz an der Spitze'', was den Umweltschutz angeht.

Oft ein Durcheinander

Der grüne Referent ist in der Stadt verantwortlich für den Umweltschutz - allerdings nicht allein. ,,Das Thema ist über fünf Referate verteilt'', sagt Martin Hänsel vom Bund Naturschutz, ,,das gibt oft ein ziemliches Durcheinander.'' Doch glaubt auch der Naturschützer, dass in München in punkto Umweltschutz ,,sehr viel sehr positiv läuft''.

Was da läuft, sind nicht nur Igel, die sogar an der Bayerstraße am Hauptbahnhof ihren Lebensraum finden. Überhaupt finden sich in der Großstadt München viel mehr Tier- und Pflanzenarten auf engstem Raum als etwa im landwirtschaftlich intensiv genutzten Umland. ,,Die Münchner Natur ist sehr lebenswert'', meint Hänsel und zählt auf: drei Naturschutzgebiete, die renaturierte Isar, ein Freiflächenmanagement, das auch kleinere Biotope umfasst, strenger Baumschutz, aber auch ,,wichtige politische Signale'': gegen Gentechnik, Atomkraft, den Autobahn-Südring oder den Transrapid.

München, ein grünes Öko-Paradies? Das dann doch nicht. Der ökologische Erfolg der Stadt ist bedroht - durch ihre ökonomischen Erfolge. Es leben im Raum München, so Hänsel, ,,zu viele Menschen auf zu wenig Raum''. Und es werden immer mehr, und das hat Folgen.

So werden immer mehr Freiflächen verbaut mit Wohnhäusern, Gewerbegebäuden, Straßen. 2500 Quadratmeter Natur geraten täglich unter Beton, und im Umland sind es noch mehr - im Landkreis Freising etwa 4800 Quadratmeter. Verloren gehen diese grünen Flächen vor allem in Stadtnähe, da also, wo es sie ohnehin schon kaum mehr gibt.

Immer mehr Verkehr

Das zweite, mit Münchens Wachstum einhergehende Problem ist der Verkehr, der umso dichter wird, je besser es in der Wirtschaft läuft. Und der Wirtschaft geht es gut. Umweltreferent Lorenz kann das aus den Werten der Münchner Luft ablesen.

Dort hat die Belastung durch die klassischen, vor allem von Industrie und privaten Heizungen verursachten Schadstoffe immer mehr abgenommen. Das gilt jedoch nicht für Feinstaub oder Stickstoffdioxid, die zum allergrößten Teil der Autoverkehr produziert. Ein Transitverbot für Lkw und eine Umweltzone innerhalb des Mittleren Rings, in der beräderte Staubschleudern ganz verboten sein sollen, sind in Vorbereitung.

Städte müssen mehr wagen

Dem Naturschützer Hänsel gehen diese Maßnahmen allerdings zu langsam und nicht weit genug. Die geplante Umweltzone, meint er, müsse sich viel weiter ausdehnen, über die Stadtgrenzen ins Umland hinaus.

Die klassischen Maßnahmen wie Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs oder hohe Parkgebühren in der Stadt reichten nicht aus, um die Lärm und Schmutz produzierende Zunahme des Autoverkehrs zu bremsen. ,,Die Stadt bräuchte mehr Mut, mehr zu wagen'', fordert Hänsel. Verpflichtende MVV-Abos für die Autobesitzer der Region oder eine City-Maut nach Stockholmer Vorbild fände er gut.

Der Umweltpolitiker Lorenz schüttelt den Kopf. Solche Eingriffe erlauben Bundesgesetze den Kommunen nicht. ,,Wir schöpfen die uns gegebenen Rahmenbedingungen voll aus'', versichert der Umweltreferent. Auch gegen andere höher flatternde Gewalten ist er machtlos: Allzu viele Möwen und Enten werden auch weiter ihren bakterienverseuchten Kot in die sonst blitzsauber geklärte Isar fallen lassen.

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