Gollierplatz:Bellkonzert mit Glockengeläut

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Die Vorzüge des Gollierplatzes offenbaren sich einem Besucher oft erst auf den zweiten Blick.

Christof Rührmair

Der Gollierplatz im Westend ist nichts für Ängstliche. Zumindest Hunde dürfen dem interessierten Besucher keinen Schrecken einjagen, denn sie laufen hier zahlreich und gerne auch ohne Leine herum -nicht zuletzt die großen Exemplare. Sie jagen sich dann gegenseitig und stimmen ein Bellkonzert an, sobald die Glocken der benachbarten Kirche St. Rupert zu schlagen beginnen. Meist gehören die Hunde zu den Menschen am Ostende des weitläufigen Platzes.

Der Gollierplatz im Westend (Foto: Foto: oh)

Auch sie sind viele und bevölkern die Parkbänke - oft mit Bier und Zigarette in der Hand. Und auch sie sind nichts für Ängstliche: Die einen scheinen Punks zu sein, andere, stark tätowierte Gestalten, trinken offensichtlich zu viel. An einem der fest installierten Picknicktische kreist schon am frühen Abend eine Flasche Wodka aus dem Discounter. Nebenan hat ein Mann offensichtlich bereits mehr als genug getrunken und schläft jetzt, hingestreckt auf eine Tischplatte, tief und fest.

Auf den ersten Blick sind es nicht unbedingt die angenehmsten Zeitgenossen, die den Platz bevölkern. Und von Osten angegangen, erscheint er so alles andere als einladend. Doch dieser Eindruck ist nicht komplett. Es gibt vieles, das ein freundlicheres Gesamtbild ergibt: Auf anderen Bänken treffen sich ältere Anwohner. Man kennt sich, grüßt sich, plaudert. Seniorinnen sitzen gegenüber St. Rupert in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne und beobachten die Vorbeikommenden. Zwei Frauen bringen in der Kastanienallee auf der Südseite des Platzes einem Mädchen das Fahrradfahren bei, in der Westhälfte liegt, geschützt vor den Hunden hinter einem Zaun, ein ausgedehnter Spielplatz. Es ist nicht nur geographisch die andere Seite des Platzes, die den Besucher, der mit seinem zweiten Blick bis hierher gekommen ist, durchaus zum Verweilen einlädt. Es ist ruhig, weil der Durchgangsverkehr ausgesperrt wird. Die Anlage ist großzügig und grün, die neoromanischen Mauern der Kirche grüßen trutzig, die baumbestandenen Wege laden zum Flanieren ein und der plätschernde Nymphenbrunnen zeigt mit vier barbusigen Fabelwesen sogar dezent Erotisches.

Hier ließe es sich gut aushalten - ob als Familie mit Kind am Spielplatz, als Jugendlicher mit Freunden an den Tischtennisplatten am Westende oder als Student vor einem Besuch in den umliegenden Kneipen oder Gasthäusern, der hier Kommilitonen trifft. Und falls es abends spät werden sollte, ist sogar dafür vorgesorgt: Direkt am Platz hält die Nachtbuslinie N41.

Nur allzu ängstlich darf man eben nicht sein, wenn man den Gollierplatz für sich entdecken will. Es lohnt sich aber immer, einen zweiten Blick zu riskieren.

© SZ vom 12.09.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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